Blühflächen dienen gezielt der Verbesserung der Lebensbedingungen von Insekten und anderen Wildtieren. Die Etablierung von Blühflächen ist gleichzeitig eine ackerbauliche Herausforderung – vor allem im Hinblick auf die Feldhygiene.
Ein sauberes Saatbett ist für die Etablierung einer artenreichen Blühmischung die wichtigste Voraussetzung, da es nach der Ansaat keine gezielten Regulierungsmöglichkeiten mehr gibt. Insbesondere vorhandene Wurzelunkräuter wie Ampfer, Quecke, Distel und Winde unterdrücken die angesäten Arten einer Blühmischung und bestimmen rasch das Erscheinungsbild der Blühfläche. Nach Rücksprache mit der zuständigen Bewilligungsstelle werden Pflegemaßnahmen wie partielles Mulchen oder Schröpfschnitte notwendig.
Bekämpfung von Quecke, Distel, Ampfer und Winde
Ohne eine effektive Bekämpfung der Rhizome von Quecke, Distel, Ampfer oder Winde ist eine Neuansaat wenig zielführend. Grundsätzlich wird zur Glyphosat-freien Bekämpfung (Zulassung bis Ende 2023) von Wurzelunkräutern ein Umbruch im Vorjahr mit dem Pflug und nachfolgend mehrmaliger Einsatz des Grubbers empfohlen. Durch diese Bearbeitung gelangen die Wurzeln an die Oberfläche und vertrocknen, sofern trockene Witterung vorherrscht. Diese Methode ist recht aufwendig und hat bei nährstoffreichen Ackerböden den Nachteil einer erhöhten N-Mineralisierungsrate.
Mehrjährige oder einjährige Blühflächen?
Mehrjährige Einsaaten haben grundsätzlich den Vorteil, dass es keinen regelmäßigen Saataufwand gibt. Zudem gelten mehrjährige Flächen bei Insektenkundlern als ökologisch wertvoller, weil den Insekten nicht nur Nahrung, sondern auch ungestörte Nistmöglichkeiten in abgestorbenen Stängeln und im Boden geboten werden. Einjährige Blühflächen, die jedes Jahr auf neuen Schlägen angelegt werden, haben den Vorteil, dass sich die Wurzelunkräuter weniger ausbreiten. Die Mischungen setzen sich größtenteils aus bekannten und in der Praxis erprobten einjährigen Zwischenfruchtkulturarten zusammen. Dies erhöht die Akzeptanz der einjährigen Blühmischungen.
Problem-Art Weißer Gänsefuß
Allerdings konkurrieren die Pflanzen der einjährigen Blühmischung in Abhängigkeit vom Standort und der jeweiligen Witterung mit extrem durchsetzungsstarken einjährigen Unkrautarten wie dem Weißen Gänsefuß. Ist das Frühjahr trocken und warm, eilt der Weiße Gänsefuß den angesäten Arten in ihrer Entwicklung davon und wird zur dominanten Art. Auch wenn der Weiße Gänsefuß für viele Insekten nützlich ist, wird das Erscheinungsbild schnell einseitig. Aus ackerbaulicher Sicht muss das Aussamen der langlebigen Gänsefußsamen kritisch betrachtet werden. Weißer Gänsefuß ist eine extrem anpassungsfähige Unkrautart und unter anderem in Zuckerrüben nicht sicher zu bekämpfen. In mehrjährigen Blühflächen verschwindet der Weiße Gänsefuß als einjährige Unkrautart auch bei massivem Auftreten bereits im zweiten Jahr.
Um das Auflaufen von einjährigen Unkräutern bei der Ansaat zu begrenzen, ist das Durchführen von Scheinsaaten hilfreich: nach der Saatbettbereitung bleibt der Acker für etwa zehn Tage liegen, so dass zum Beispiel Weißer Gänsefuß keimen kann. Anschließend wird der Acker bei trockener Witterung flach abgeeggt. Je nach Samenpotenzial empfiehlt es sich, diesen Vorgang zu wiederholen, bevor die Blühmischung oben aufgebracht und angewalzt wird.
Schwindende chemische Möglichkeiten
Die Arten einer Blühmischung kommen in der Regel nach der Blüte zur Samenreife. Ein Großteil der Samen füllt die Samenbank im Boden auf. Die Frage, ob die Arten zu einem späteren Zeitpunkt in landwirtschaftlichen Kulturen problematisch werden können, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht vollständig beantwortet werden. Da einige Herbizide vermutlich zukünftig ihr Zulassung verlieren werden, engt dies den Handlungsspielraum weiter ein. In Zuckerrüben, Kartoffel und Körnerleguminosen sind die Regulierungsmöglichkeiten aufgrund fehlender Herbizide bereits zum jetzigen Zeitpunkt sehr begrenzt und lückenhaft. Deshalb eignen sich Wintergetreide-Mais-Fruchtfolgen derzeit am besten für die Einbindung von Blühflächen.
Die AG „Ackerbau und Blühflächen“
Die perfekte Blühfläche bietet Nahrung für Insekten, führt dabei aber nicht zu Problemen im Ackerbau. Um den richtigen Mix zu finden, arbeiten in Hessen Experten mit unterschiedlichen Perspektiven zusammen. In der Praxis stellen sich in viele Fragen: Welche Blühpflanzen führen in Folgekulturen zu Ertragseinbußen? Welche Pflanzen eignen sich besonders für Insekten? Welche Mischungen erfüllen die Anforderungen der Agrarumweltprogramme? Wie kann eine lange Blühdauer erreicht werden? Welche Erfahrungen liegen in unterschiedlichen Landkreisen vor?
Diese Fragen bearbeitet die offene Arbeitsgruppe „Ackerbau und Blühflächen“ seit 2018. Die Mitglieder setzen sich zusammen aus Experten der Landkreise (Fachdienste für Agrarumwelt und Landschaftspflege), des Pflanzenschutzdienstes, des Hessischen Bauernverbands und des Landesverbands Hessischer Imker. Seitens des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen (LLH)sind Bieneninstitut, Fachinformation Pflanzenbau sowie Pflanzenbau- und Biodiversitätsberatung vertreten. Tierökologen der Universität Gießen, Wildpflanzenproduzenten und blühflächenerfahrene Landwirte untzerstützen die AG. Viele Akteure stehen also mit Landwirten direkt in Kontakt, um die Akzeptanz und Umsetzung von Blühflächen zu verbessern. Seit 2019 gibt die Gruppe gemeinsam Empfehlungen für Blühmischungen (agbluehflaechen@llh.hessen.de).
Stephan Brand, LLH-Wächtersbach – LW 15/2021