Im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln werden Prognoseverfahren für das Auftreten von Schadorganismen als sinnvolle Methode angesehen. Bisher helfen diese Systeme, den passenden Anwendungszeitpunkt zu treffen. Das neue Prognosemodel OPTIFUNG soll die Wirkungsdauer von Fungiziden nach der Applikation abschätzen.
Prognoseverfahren können im integrierten Pflanzenschutz zur Reduktion von Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für den Naturhaushalt beitragen. Dabei soll die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß beschränkt werden. Somit sind Pflanzenschutzmittel nur dann anzuwenden, wenn Bekämpfungsschwellen überschritten wurden oder das Auftreten von Schaderregern prognostiziert wurde. Für die fachgerechte Bewertung bedeutsamer Entscheidungskriterien, wie beispielsweise die Beurteilung der infektionsgünstigen Bedingungen oder die Festlegung des optimalen Applikationstermins, wurden in der Vergangenheit für verschiedenste Kulturen und Schaderreger Prognosemodelle entwickelt und den Landwirten zur Verfügung gestellt.
Entscheidungshilfesystem prognostiziert Wirkungsdauer
Das Prognosemodell „Schaderreger-Infektions-Gefahr" (SIG) auf der Internetplattform www.isip.de bewertet zum Beispiel die Infektionsbedingungen für 23 wichtige Pathogene in den fünf Getreidekulturen Winterweizen, Winterroggen, Wintertriticale, Winter- und Sommergerste. Mit dem Prognosemodell SEPTRI ist eine schlagspezifische Prognose von Infektionen durch die Septoria-Blattdürre auf einzelnen Blattetagen im Winterweizen möglich. Anhand dieser detaillierten Informationen kann der optimale Einsatztermin für Fungizide abgeleitet werden.
Nach erfolgter Applikation ist der Nutzer jedoch insbesondere auf seine Erfahrung angewiesen, um über die Notwendigkeit und den Zeitpunkt einer Folgeapplikation zu entscheiden. Um künftig objektiv und dynamisch prognostizieren zu können, wann die Wirkung des verwendeten Fungizids beendet ist, wurde das Entscheidungshilfesystem OPTIFUNG zur Prognose der Wirkungsdauer entwickelt.
Das Modell wurde zunächst auf die Bekämpfung der Septoria-Blattdürre (Zymoseptoria tritici) abgestimmt. Septoria ist beim Weizen oft die wichtigste Krankheit. Nach ihr richten sich in den meisten Fällen die Fungizidwahl und der Anwendungszeitpunkt. Bei günstigen Witterungsbedingungen können die Ertragsverluste einer Septoria-Epidemie bis zu 20 dt/ha betragen.
Verschiedene Fungizide und Mischungen untersucht
Für die Entwicklung des Modells wurden in den letzten drei Jahren Daten in umfangreichen Freilandversuchen erhoben. Zur Untersuchung der Wirkungsdauer wurden exemplarisch drei Fungizide aus verschiedenen Wirkstoffklassen ausgewählt:
Neben den Fungiziden mit jeweils nur einem Wirkstoff wurde außerdem eine Mischung aus Epoxion + Imbrex untersucht. Der Septoria-Befall wurde wöchentlich auf den oberen drei Blattetagen für unbehandelte beziehungsweise die behandelten Versuchsglieder erfasst.
Zunächst wurde eine Methode zur Berechnung der Fungizidwirkungsdauer unter Einbezug von Wetterdaten entwickelt. Der Kernpunkt dieser Methode ist die Berechnung des Befallsanstiegs für unbehandelte und behandelte Pflanzen. Wurde in den Versuchen beobachtet, dass der Befallsanstieg an fungizidbehandelten und unbehandelten Pflanzen identisch war, war die Wirkung als beendet zu betrachten. Denn solange die Wirkung des Fungizids andauert, muss der Befallsanstieg bei den behandelten Pflanzen geringer sein, als bei den unbehandelten.
Zusätzlich wurde ab diesem Zeitpunkt die dynamisch berechnete Latenzzeit (temperaturabhängige Zeitdauer zwischen Infektion und erneuter Sporenbildung) abgezogen. Auf diese Weise wird der Tag ermittelt, ab dem die Wirkung des Fungizids nicht mehr ausgereicht hat, um das Blatt vor einer weiteren Infektion zu schützen.
Im Durchschnitt lagen die berechneten Wirkungsdauern für die drei Versuchsjahre für Bravo bei 16,5 Tagen, für Epoxion bei 16,2 Tagen und für Imbrex bei 22 Tagen. Die Wirkungsdauer für die Mischung aus Epoxion + Imbrex betrug 21 Tage. Dabei ist die Schwankungsbreite bei den einzelnen Fungiziden zum Teil recht groß. Die berechneten Wirkungsdauern für Bravo zum Beispiel liegen zwischen 12 und 21 Tagen. Das ist auf die an den Standorten und Jahren speziellen Temperaturverläufe zurückzuführen. Aber auch der Ausgangsbefall an den verschiedenen Standorten und in den einzelnen Jahren hat einen Einfluss.
Klasseneinteilung ermöglicht Übertragung auf andere Mittel
Die Übertragung der Wirkungsdauer von einem auf ein anderes Produkt ist ohne weiteres nicht möglich, da sich jedes Produkt in seinen Eigenschaften und Wirkstoffkombinationen von anderen unterscheidet. Um trotzdem eine Einschätzung liefern zu können, wurden drei Klassen jeweils für Fungizide mit „mittlerer", „guter" und „sehr guter" Wirkung definiert. Für jede Klasse wurde eine eigene Bewertungsfunktion entwickelt. Damit wird es möglich das Modell OPTIFUNG für alle Produkte zu rechnen, die sich in diese Gruppen zuordnen lassen.
Die Zuordnung der Produkte basiert auf den objektiven, unabhängigen und den jeweils regionalen Anbaugebieten zugeordneten Fungizidbewertungstabellen der Pflanzenschutzdienste der Länder. In diesen jährlich aktualisierten Tabellen wird die Wirkung praxisrelevanter Fungizide von Experten auf Basis umfangreicher Versuche bewertet. Als Ergebnis wird ein Berechnungssystem zur Verfügung stehen, dass die protektive Wirkungsdauer der Fungizide als Funktion der Temperatur, des Niederschlags und der relativen Luftfeuchte ausgibt.
2015 Überprüfung in der Beratungspraxis
Das hier vorgestellte Modell OPTIFUNG zur Berechnung der Wirkungsdauer von Getreidefungiziden wird in der kommenden Saison 2015 in Zusammenarbeit mit den Pflanzenschutzdiensten der Länder in der Praxis getestet. Erst nach einer erfolgreichen Erprobung und gegebenenfalls notwendigen Verbesserungsmaßnahmen kann das optimierte Modell dann Nutzern wie Landwirten und Beratern zur Verfügung gestellt werden.
Das Modell wird zur Nutzung in der Praxis auf der Internetplattform www.isip.de angeboten werden. ISIP steht für „Informationssystem Integrierte Pflanzenproduktion". Auf der ISIP-Plattform sind für verschiedenste Kulturen Prognosemodelle zu Schaderregern und Schädlingen verfügbar. Als Inputparameter für das Modell werden die Schlagkoordinaten, das Fungizid-Applikationsdatum, die Sorte (Winterweizen) und das Fungizid benötigt. Dem ausgewählten Fungizid wird mit Hilfe einer hinterlegten Liste „pflanzenschutzdienst-spezifisch“, das heißt regional die entsprechende Wirkungsgruppe (mittel, gut, sehr gut), zugeordnet.
OPTIFUNG wird mit den bereits im Internet verfügbaren Entscheidungshilfesystemen SIMONTO (Prognose des Entwicklungsstadiums) und SEPTRI (Prognose der Septoria-Blattdürre) verknüpft. SIMONTO ist ein Modell zur Simulation der Entwicklungsstadien von Winterweizen. Mit SIMONTO wird bei Fungizidapplikationen vor BBCH 39 (es waren zum Applikationszeitpunkt noch nicht alle Blätter vollentwickelt) überprüft, ob neue Blattetagen erschienen sind. Ist dies der Fall wird mit SEPTRI wiederum überprüft, ob ein Infektionsereignis auf der ungeschützten Blattetage prognostiziert wird. Falls ja, wird eine Folgeapplikation empfohlen.
Prognosemodelle werden untereinander verknüpft
Das Modell SEPTRI prognostiziert Infektionsereignisse von Septoria auf den einzelnen Blattetagen von Winterweizen. Prognostiziert SEPTRI auf einer der ertragsrelevanten Blattetagen F bis F-2 ein Infektionsereignis, wird eine Fungizidapplikation empfohlen. Mit dem Modell OPTIFUNG wird dann die Wirkungsdauer des verwendeten Fungizids berechnet. SEPTRI überprüft ab dem Zeitpunkt des prognostizierten Wirkungsendes, ob Infektionsereignisse mit Septoria prognostiziert werden. Ist dies der Fall, wird eine Folgeapplikation empfohlen.
Es gibt also zwei Möglichkeiten für die Empfehlung einer Folgeapplikation: 1. wenn das Ende der Fungizidwirkungsdauer prognostiziert wird oder 2. wenn ein Infektionsereignis auf ungeschütztem Neuzuwachs prognostiziert wird. So kann zu einem günstigen Zeitpunkt eine Folgeapplikation durchgeführt werden, um alle Blattetagen effektiv zu schützen. Die Prognose der Wirkungsdauer auf den älteren Blattetagen wird dann erneut gestartet. Die protektive Wirkungsdauer wird in Form eines grünen Balkens unter den Infektionsbedingungen für Septoria dargestellt.
Auch die kurative Wirkung wird durch einen orangenen Balken unter den Infektionsbedingungen dargestellt. Sie wird nur angezeigt, wenn in der Fungizid-Bewertungstabelle eine kurative Eigenschaft des Fungizids angegeben ist. Vom Applikationsdatum wird die temperturabhängige Latenzzeit von Septoria bis zu dem Zeitpunkt zurückgerechnet, an dem sie bereits 30 Prozent abgelaufen war. Bis zu diesem Tag wird dann der orangene Balken angezeigt. Die Annahme dabei ist, dass eine erfolgreiche Septoria-Bekämpfung mit nahezu allen Fungiziden bis 30 Prozent abgelaufene Latenzzeit möglich ist, wenn sie kurative Eigenschaften besitzen.
Fazit: Mit dem neuen, voraussichtlich ab 2016 verfügbaren, Prognosemodell OPTIFUNG werden die Ergebnisse von etablierten Modellen wie SEPTRI (www.isip.de) weiter vervollständigt. Damit werden dem Nutzer alle notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt werden, die er benötigt, um eine Fungizidbehandlung möglichst wirtschaftlich, ressourcen- und umweltschonend planen zu können.
Sandra Greiner, Benno Kleinhenz, DLR, ZEPP (Zentralstelle für EDV-gestützte Entscheidungshilfen im Pflanzenschutz) – LW 17/2015