Beim diesjährigen Kreiserntedankfest im Landkreis Kassel wurde deutlich, wie eng Landwirtschaft, Energieversorgung und regionale Verantwortung miteinander verknüpft sind. Veranstaltungsort war die Biogasanlage am Stadtrand von Wolfhagen – ein Symbol dafür, dass Ernte heute mehr bedeutet als volle Scheunen.Eingeladen hatte der Kreisbauernverband Kassel gemeinsam mit der Biogas Wolfhagen, der evangelischen Kirche, den Landfrauen, Landsenioren und dem Verein für landwirtschaftliche Fortbildung.
Auf den ersten Blick wirkte die Biogasanlage als Veranstaltungsort etwas technisch auf Dekan Jan Friedrich Eisenberg: „Doch Gott gab uns unseren Verstand, um seine Schöpfung zu bewahren und das Wissen, um sie weiterzuentwickeln.“ So können an diesem Tag zum einen das Naturfest „Erntedank“ gefeiert werden, gleichzeitig jedoch auch die Technik und die Weiterentwicklung. „Gottes Schöpfung ist lebendig. Jeder Kreislauf besteht aus Wachsen und Vergehen“, erklärte Dekan Eisenberg. Folglich sei die Biogasanlage ein modernes Gleichnis für den Kreislauf der Natur: Aus Reststoffen wie Gülle und Pflanzenabfällen entsteht neue Energie – Wärme und Strom für die Region.
Faire Rahmenbedingungen sind dringend notwendig
Kreisbauernverbandsvorsitzender Roland Luckhart blickte auf das Erntejahr zurück: Die Aussaat im Herbst 2024 war vielerorts durch anhaltende Niederschläge erschwert. Nach einem milden Winter folgte eine ungewöhnlich frühe und trockene Wärmephase im März. Die Erwartungen waren gedämpft. Umso erfreulicher war die Entwicklung im Sommer: Gute Erträge bei Getreide und Raps, später auch bei Hackfrüchten. Für viele Betriebe ein Grund zur Dankbarkeit – und zur Zuversicht.
Sorgen bereiten Luckhart die aktuellen Getreidepreise. Sie ließen ein kostendeckendes Wirtschaften nicht zu. Steigende Mindestlöhne, fehlende Planungssicherheit und grundsätzlich faire Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft stellten die Betriebe vor große Herausforderungen. „Eine gute Ernte ist nicht selbstverständlich“, mahnte der Vorsitzende. „Es braucht Leidenschaft, Wissen und harte Arbeit. Das bringen unsere Landwirtinnen und Landwirte mit.“ Es sei notwendig, dass die Politik dies anerkenne und die heimische Landwirtschaft entsprechend unterstütze. „Nur Landwirtschaft, Politik und Gesellschaft können gemeinsam eine zukunftsfähige Landwirtschaft aufbauen.“
Energie aus der Region – für die Region
Ernst-Winfried Döhne, Vorsitzender der Biogas Wolfhagen GmbH & Co KG, betonte die Bedeutung regionaler Stoffkreisläufe. Seit der Inbetriebnahme 2011 wurde die Biogasanlage stetig erweitert. Sie erzeugt jährlich etwa 8 Mio. Kilowattstunden (kWh) Strom und 6,5 Mio. kWh Wärme. „Wir brauchen erneuerbare Energien, um die Welt für kommende Generationen sicher, sauber und nachhaltig zu gestalten. Biogas ist ein wichtiger Teil davon“, erklärt Döhne. Dabei kritisiert er auch die fehlende Akzeptanz der Politik. „Es fehlt ein Anschlusskonzept. Viele gut laufende Biogasanlagen geben auf, weil sie keine Zukunftsperspektive haben.“ Bestes Beispiel dafür ist die Biogasanlage selbst: Das bereits bestehende Wärmenetz versorgte zunächst die Walter-Lübcke-Schule samt Sporthalle und das Erlebnisfreibad Wolfhagen. 2025 wurde das Wärmenetz auf zirka 6 km Länge erweitert und um eine Holzhackschnitzelheizung ergänzt. Mit der umweltfreundlichen Biogaswärme werden nun zusätzlich weitere städtische Gebäude wie das Rathaus und die Stadthalle, Gebäude des Landkreises Kassel inklusive Kindergärten sowie mehr als 30 Ein- und Mehrfamilienhäuser beheizt. Rund 2300 Haushalte können mit Strom versorgt werden.
Das Kreiserntedankfest zeigte: Landwirtschaft ist mehr als Produktion – sie ist Teil eines größeren Ganzen. Sie versorgt, verbindet und gestaltet Zukunft. Die Biogasanlage in Wolfhagen steht dafür exemplarisch – als Ort, an dem Erntedank nicht nur gefeiert, sondern gelebt wird.
KBV Kassel – LW 45/2025