In den Landessortenversuchen (LSV) können die Sorten zeigen, wie sie mit den spezifischen Bedingungen im Einzeljahr fertig werden, und es offenbaren sich auch die Schwachstellen. Alle wünschenswerten Eigenschaften kommen selten in einer Sorte zusammen, aber über die mehrjährige Versuchsauswertung lassen sich letztlich alle Sorten recht sicher einordnen. Gabriele Käufler vom LLH Landwirtschaftszentrum Eichhof stellt die diesjährigen Ergebnisse vor.
Aus der Flut der in Deutschland zugelassenen und der zusätzlichen über eine EU-Zulassung hier vertriebsfähigen Sorten müssen letztlich diejenigen herausgefiltert werden, die für unsere Region anbauwürdig sind. Daher werden in einem bundesweiten Prüfsystem neue Sorten nach der Zulassung in den LSV geprüft, um für die jeweilige Region geeignete Sorten ausfindig zu machen. In diesem Prüfnetz sind alle Anbaugebiete Deutschlands mit jeweils mehreren Standorten repräsentiert, sodass über mehrortige und mehrjährige Auswertungen die Standorteignung und Ertragssicherheit einer Sorte gut beschrieben werden kann. Für Berater und auch für jeden Praktiker liefern diese Versuche eine von wirtschaftlichen Interessen unabhängige Datengrundlage für die Auswahl von Sorten.
Sehr nasser Herbst und sehr trockenes Frühjahr
Das Anbaujahr 2014/15 wartete wieder mit einigen Besonderheiten auf, die den Sorten manches abverlangten. Bedingt durch den sehr nassen Sommer und Herbst waren viele Flächen in Nord- und Mittelhessen schon aus der Ernte mit erheblichen Verdichtungen belastet. Immerhin hatte der Juli 2014 über 315 Prozent der langjährig mittleren Regenmenge gebracht und auch der August (115 Prozent), September (150 Prozent) und Oktober (140 Prozent) erlaubten keine Abtrocknung der Böden. Somit erfolgte die Weizenaussaat teilweise unter suboptimalen Bedingungen, oder sie konnte erst deutlich verspätet durchgeführt werden.
Bodenstrukturprobleme führen immer zu Problemen bei der Wurzelentwicklung der Keimlinge. Vernässte und wenig durchlüftete Böden machen es den Keimwurzeln schwer, sich gut zu verzweigen und schnell in tiefere Bodenzonen vorzudringen. Die Nährstoffaufnahme ist, nachdem die Vorräte aus dem Korn aufgebraucht sind, dann oft unzureichend, und die Jungpflanzen bleiben in der Entwicklung verhalten. Hier haben vitale Sorten mit schneller Wurzelentwicklung Vorteile, das konnte auch in den Versuchen beobachtet werden.
Der milde Winter ermöglichte den Pflanzen eine kontinuierliche Weiterentwicklung sodass im Frühjahr überwiegend ein standortspezifisch normaler Entwicklungsstand erreicht wurde. Bereits im Spätherbst waren allerdings erste Gelbrostinfektionen in den Beständen zu sehen. Dieser Erreger wird erst bei Temperaturen unter minus 10 Grad abgetötet, was im vergangenen Winter nicht der Fall war. Somit konnten sich die Infektionen in anfälligen Sorten erneut ausbreiten, verliefen aber im Frühjahr witterungsbedingt nicht ganz so dynamisch wie im Jahr 2014. Mit Beginn der Frühjahrsvegetation wurden regional auch Pflanzen durch eine deutlich rote Blattfärbung auffällig. Hier handelte es sich um nesterweisen Befall mit Verzwergungsvirosen (Gelbverzwergungsvirus und/oder Weizenverzwergungsvirus), die bereits im Herbst durch saugende Insekten (Blattläuse, Zikaden) übertragen worden waren.
Insbesondere Frühsaaten sind gefährdet, weil die Insekten bei wärmer Witterung aktiver sind. Für die bevorstehende Herbstaussaat heißt es daher, möglichst auf frühe Aussaaten zu verzichten, denn Insektizide liefern nur kurzzeitig Schutz. Gleichzeitig steigt mit jeder Insektizidanwendung die Gefahr der Resistenzbildung bei den Blattläusen. Darüber hinaus muss die „grüne Brücke“ rechtzeitig beseitigt werden: Ausfallgetreide und auch Gräser in Zwischenfruchtbeständen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit virusbelastet. Die Blattläuse können sich hier wieder mit Viruspartikeln aufladen und dann die Herbstsaaten infizieren.
Die Frühjahrs- und Frühsommerwitterung war geprägt durch geringe Niederschläge, hohe Sonneneinstrahlung, niedrige Luftfeuchtigkeit und Wind. Unter diesen Bedingungen verdunsten die Pflanzen täglich bis zu 10 Liter Wasser pro Quadratmeter, die der Boden nachliefern muss. Auf schwächeren und nicht weizenfähigen Standorten sind die Bodenwasservorräte schnell erschöpft, und Trockenstress setzt ein. Böden mit Strukturschäden wurden in diesem Frühsommer ebenfalls deutlich sichtbar, denn hier konnten die Pflanzen kein optimales Wurzelsystem entwickeln und daher das Wasser in tieferen Bodenschichten nicht erreichen. Teilweise war auf solchen Flächen nur noch Totalausfall festzustellen.
Die beste Vorsorge für Trockenjahre ist eine gute Bodenpflege. Böden, die gut mit Humus versorgt sind und ein aktives Bodenleben aufweisen, bieten den Pflanzen bessere Durchwurzelungsmöglichkeiten und können mehr Wasser speichern.
Außer Gelbrost konnten sich kaum Pilzkrankheiten entwickeln
Die trockene Witterung hatte durchaus auch ihre Vorteile. Mit Ausnahme von Gelbrost konnten sich Pilzkrankheiten kaum entwickeln. Relativ spät trat regional noch etwas Braunrost in Erscheinung und in Nordhessen war in den Versuchen auch Mehltau zu bonitieren. Fusariumbefall trat nicht auf, sodass die DON-Gehalte insgesamt unter der Nachweisgrenze liegen. Die Niederschläge in der zweiten Junihälfte konnten auf den besseren Standorten von den Weizenbeständen noch genutzt und in Ertrag umgesetzt werden.
Die Erträge überraschten in den Versuchen wie auch in der Praxis auf Flächen besserer Bonität sehr positiv und lagen auf überwiegend hohem bis sehr hohem Niveau. Das bestätigt auch der Blick auf die vorläufigen Ergebnisse der Weizenernte, die vom Statistischen Landesamt veröffentlicht wurden. Im Vergleich zum Vorjahr ist das Ernteergebnis im Landesschnitt nur um rund 5 dt/ha geringer ausgefallen und liegt mit 79,9 dt/ha über dem mehrjährigen Mittel.
Landessortenversuche 2014/15 und mehrjährige Auswertung
Insgesamt wurden in diesem Anbaujahr 22 Winterweizensorten an den sechs hessischen LSV-Standorten in jeweils zwei Intensitätsstufen (Stufe 1= ohne Fungizide, reduzierter Wachstumsreglereinsatz, Stufe 2 = standortangepasst optimaler fungizid- und Wachstumsreglereinsatz) geprüft. Es standen fünf Neuzulassungen und eine EU-Sorte erstmals im Versuch. Hinzu kommt an vier Standorten das OS-Sortiment, in dem weitere praxisrelevante Sorten geprüft werden.
Insgesamt konnte im Versuchsdurchschnitt ein erstaunlich hohes Ertragsniveau von im Mittel fast 102 dt/ha erzeilt werden. Nur am Standort Griesheim brachen ohne Beregnung die Erträge auf 55,7 dt/ha ein (siehe Tabelle 1). Dieser Versuch war auch mit hoher Grenzdifferenz behaftet. Dieser Wert gibt an, ab welcher Ertragsdifferenz der Unterschied zwischen Sorten statistisch abgesichert ist. Einige Sorten streuten sehr stark, diese sind markiert.
In diesem Jahr nur geringe Mehrerträge durch Behandlung
Die Mehrerträge durch die Pflanzenschutzbehandlungen beliefen sich in diesem Jahr nur auf durchschnittlich 4,5 dt/ha (Vorjahr 14,8 dt/ha). Nur in den gelbrostanfälligen Sorten waren wirtschaftliche Mehrerträge durch den Fungizideinsatz zu verzeichnen. Die Ertragsdifferenz zwischen Stufe 1 und Stufe 2 lag beispielsweise für KWS Loft und Sarmund bei 18,2 und 15,5 dt/ha. Bei JB Asano, der nur noch im Orientierungssortiment geprüft wird, waren es 23,9 dt/ha. Hier zeigt sich, dass die Wahl einer gesunden Sorte eine Entscheidung ist, die wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg des Weizenanbaues beiträgt.
Der Blick auf die Qualitätsdaten (siehe Tabelle 3) zeigt ein überraschend positives Bild: Trotz der sehr hohen Erträge und der trockenheitsbedingt unzureichenden Stickstoffnachlieferung liegen die Rohproteingehalte im Versuchsdurchschnitt auf dem Niveau des Vorjahrs. Die Fallzahlen sind aufgrund der trockenen Abreife und der zügigen Ernte mit über 400 Sekunden sehr hoch, die Sedimentationswerte liegen ebenfalls auf sehr gutem Niveau. Nur das TKG fällt in diesem Jahr etwas ab und liegt mit 44,6 Gramm durchschnittlich rund 4 Gramm unter dem Wert des Vorjahrs.
Die zum Anbau empfohlenen sowie einige neuere Sorten sollen hier kurz diskutiert werden, die mehrjährigen Ergebnisse der Prüfsorten sind in Tabelle 2 dargestellt. In der Gruppe der E-Weizen muss die Sortenentscheidung immer in Absprache mit den Verarbeitern oder der aufnehmenden Hand fallen. Neben den beiden bisherigen Empfehlungssorten Akteur und Kerubino zeichnet sich bis dato noch kein nachhaltiger Sortenwechsel ab. Die beiden genannten Sorten erbrachten im OS-Sortiment Erträge am und für Akteur deutlich unter dem Versuchsdurchschnitt. Auffällig war erneut der sehr starke Gelbrostbefall in Akteur, während Kerubino etwas weniger belastet war. Der recht robuste Kerubino zeigt eine etwas frühere Abreife und eignet sich auch als Stoppelweizen, sollte aber aufgrund seiner eher knappen Backeigenschaften eher als guter A-Weizen angesprochen werden.
Im A-Bereich kann der frühreife JB Asano wegen der deutlichen Mängel in der Winterhärte und in der Pflanzengesundheit sowie den unter schwierigeren Bedingungen nachlassenden Fallzahlen nur noch mit Einschränkungen empfohlen werden. Er zeigt sich bei Einsatz der unterstützenden Pflanzenschutzmaßnahmen auch unter widrigen Bedingungen als ertragstreue Sorte. Die Vermehrungsflächen von Asano sind rückläufig.
Julius liefert hohe, sehr stabile Fallzahlen und eine gute Backqualität. Seine gute Blattgesundheit ist in Jahren mit hohem Befallsdruck von Vorteil. Die Erträge liegen in beiden Intensitätsstufen knapp unter dem Durchschnitt. Der sehr winterharte Julius zeigt eine verhaltene Herbst- und Frühjahrsentwicklung, ist standfest, aber etwas später in der Abreife. Die Reifeverzögerung im Stroh kann die Druschleistung beeinträchtigen. Als Stoppelweizen passt er nur bedingt. Er eignet sich jedoch auch für schwierigere Standorte und frühere Saattermine.
Patras zeigt eine zögerliche Vorwinter- und Frühjahrsentwicklung, mittlere Reife und gute Standfestigkeit. Er ist sehr winterhart und zeichnet sich durch eine gute Kornausbildung aus, konnte ertraglich in der Stufe 2 aber nicht ganz überzeugen. Die Fallzahl ist hoch, aber nicht ganz stabil. Pionier liefert etwas streuende und leicht unterdurchschnittliche Erträge. Er ist standfest, ausreichend winterhart, recht blattgesund (Ausnahme Braunrost) und liefert hohe, stabile Fallzahlen. Zu beachten ist die höhere Anfälligkeit gegen Halmbruch.
Rebell konnte dreijährig mit ausgewogen überdurchschnittlichen Erträgen in der Stufe 1 aufwarten. Rebell ist nicht ganz winterhart, reift mittelfrüh ab und bildet ein knapp durchschnittliches TKG. Auf DTR und Blattseptoria sollte geachtet werden. Rebell besitzt eine Resistenz gegen bodenbürtige Viren.
Von den beiden zweijährig geprüften Sorten Dichter und RGT Reform konnte letztere durch konstant überdurchschnittliche Erträge in Stufe 1 und leicht durchschnittliche Erträge in Stufe 2 überzeugen. Reform ist eine kurze standfeste und sehr winterharte Sorte mit ausgewogenen Resistenzeigenschaften und guter Ährengesundheit. Während der Rohproteingehalt etwas knapp ausfallen kann, sind die Fallzahlen hoch und stabil.
Dichter ist ebenfalls standfest und winterhart mit sehr guten Resistenzeigenschaften. Er bildet ein recht kleines aber fallzahlstabiles Korn und zeigt nach zwei Prüfjahren in der behandelten Stufe knapp unterdurchschnittliche Erträge. In der Gruppe der A-Sorten gab es keine Neuzulassungen des Bundessortenamtes.
Bei den B-Weizensorten zeigt sich Colonia nach mehrjähriger Prüfung recht blattgesund, standfest und ertragsstabil. In der Stufe 2 liegt sie auf knapp durchschnittlichem Niveau, während sie ohne Fungizidschutz mehrjährig überdurchschnittlich erntet. Die Winterhärte ist ausreichend, und bei mittlerer Abreife ist die Anfälligkeit für Ährenfusariosen geringer eingestuft.
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