Alternative zu Chemie und Gentechnik vorgestellt

Pflanzenschutztag mit breitem Themenspektrum

Ende März fand am DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Bad Kreuznach ein Pflanzenschutztag statt. Die Veranstaltung, die als Sachkundefortbildung anerkannt war, widmete sich einem breiten Spektrum aktueller Pflanzenschutzthemen bis hin zu wissenschaftlichem Neuland wie RNA-basiertem Pflanzenschutz.

Dr. Aline Koch: „RNA-basierter Pflanzenschutz eröffnet ganz neue Möglichkeiten.“

Foto: Becker

Zu letztgenanntem Thema referiere zu Beginn Dr. Aline Koch von der Uni Regensburg. „RNA-basierter Pflanzenschutz wird unter anderem deshalb so dynamisch verfolgt, weil dringend Alternativen zu chemisch-synthetischen Anwendungen gesucht werden“, so die Wissenschaftlerin vom Lehrstuhl für Zellbiologie und Pflanzenbiochemie. Da diese RNA-Wirkstoffe vom Ziel her quasi maßgeschneidert gedacht würden, verfügten sie über eine hohe Selektivität und könnten vergleichsweise schnell entwickelt werden.

Sie erläuterte die Funktion RNA-basierten Pflanzenschutzes wie folgt: Der RNA-Wirkstoff wird auf die Blattoberfläche gesprüht und beispielsweise von einem Kartoffelkäfer aufgenommen. Dieser bindet im Insekt an die RNA eines bestimmten Zielgens und blockiert so die Synthese eines für den Käfer lebensnotwendigen Proteins und das Tier stirbt. Das könne so zielgerichtet erfolgen, dass andere Organismen hiervon nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, so Dr. Koch.

„Das ist keine Gentechnik“

Bei Kartoffelkäfern funktioniere das schon sehr gut, und mit dem Produkt Calantha sei erstmals in den USA ein RNA-basiertes Pflanzenschutzmittel zugelassen worden. Aber auch gegen Schadpilze seien schon gute Erfolge zu erzielen. Bei Faltern bestehe noch viel Forschungsbedarf, weil die RNA in den Larven sehr schnell abgebaut werde.

Vorteile gegenüber der viel teureren Gentechnik seien unter anderem, dass hier kein Eingriff in das Genom der zu schützenden Pflanze erfolge. „Das ist keine Gentechnik!“, betonte die Referentin. Durch die Applikation mit der Pflanzenschutzspritze könnten diese Wirkstoffe auf jeder Pflanze zur Anwendung kommen und seien nicht auf bestimmte gentechnisch gezüchtete Sorten beschränkt.

Trotz aller Vorteile stehen wir erst am Anfang, der nächste Schritt ist bei uns die Überführung der Versuche mit RNA-Sprays ins Freiland.

Schädling springt von Rüben auf Kartoffeln über

Helen Pfitzner vom Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer stellte die aktuellen Herausforderungen für Rüben- und Kartoffelanbauer durch die Schilfglasflügelzikade dar. Ihren Ausführungen zufolge stellte man 2022 fest, dass die Bakterielle Kartoffelknollenwelke neuerdings auch durch diesen Schädling übertragen wird, was zu einer deutlichen Zunahme der Schäden geführt habe. „In Zuckerrüben können durch SBR 10 bis 15 Prozent Zuckergehalt fehlen; bei Kartoffeln sind Ausfälle bis zu 100 Prozent zu verzeichnen“, mahnte die Referentin.

Eine Bekämpfung der Zikaden sei derzeit nicht möglich und daher ein ganzheitlicher Ansatz zu verfolgen: Kartoffeln und Rüben in der Fruchtfolge seien zu vermeiden und als Folgefrüchte Sommerungen wie Mais oder Soja zu wählen. Um die Jugendentwicklung der Bestände zu stärken, müsse früh gesät beziehungsweise gepflanzt werden und dementsprechend sei eine möglichst frühe Ernte anzustreben; dazu sei auf frühe Sorten zu setzen. Allgemein seien die Sorten durch opti­malen Pflanzenschutz gesund zu halten, und die Lagerperiode solle man zeitlich begrenzen. Ein ausführlicher Bericht zum Thema ist im LW, Ausgabe 11 ab Seite 11, zu finden.

Halmbruch kommt selten allein

Ãœber Untersuchungen zur Reduktion des Halmbruchbefalls informiert Dr. Bernd Rodemann vom Julius-Kühn-Institut Braunschweig. Die Halmbruch-Problematik sei unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass die Krankheit oft mit Fusarium und Rhizoctonia vergesellschaftet auftrete. „Unter Freiland-Bedingungen zeigten Wirkstoffe wie Cyprodinil, Boscalid und Mefentrifluconazol beziehungsweise deren Kombinationen nur Wirkungsgrade von etwa 25 bis 35 Prozent“, gab Rodemann zu bedenken.

In Versuchen habe sich gezeigt, dass vor allem resistente Sorten einen positiven Einfluss auf das Halmbruch-Auftreten haben und daher die Sortenwahl der erste Schritt einer Halmbruch-Minderungsstrategie darstelle. Weite Punkte seien eine Blattvorfrucht, das Stoppelmanagement, eine nicht überzogene Stickstoff-Düngung sowie eine angepasste Bestandesdichte.

Einsatz von Drohnen

Den Einsatz von Drohnen im Bereich Forschung und Entwicklung bei BASF am Limburgerhof stellte Mike Scharner vor. „Vor allem bei Bonituren von Versuchsflächen mit zahlreichen Parzellen leisten Drohnen bei uns einen wichtigen Beitrag, sowohl quantitativ als auch qualitativ“, berichtete er.

Durch die Verwendung unterschiedlicher Kameras, die hochaufgelöste Bilder in verschiedenen Spektralbereichen liefern, könne man unter anderem Auswertungen hinsichtlich der Bedeckung, des Aufblühens, des Versorgungszustandes oder des Krankheitsbefalls umsetzen. „Hierdurch wird der Prozess nicht nur deutlich schneller, sondern die Auswertungen werden auch von subjektiven Unschärfen menschlicher Bonituren befreit.“

Im Bereich der Applikation seien vor allem kleinräumigere Anwendungen wie im Steillagenweinbau oder beim Spot-Spraying in der Praxis umsetzbar. „Begrenzende Faktoren sind auch oft die Zulassung des Fluges vor Ort oder des Mittels in dieser Anwendung, die Batterieladezyklen und Stromversorgung im Feld, die mögliche Abdrift sowie die begrenzte Flächenleistung beim Spot-Spraying“, schränkte Scharner ein.

Innovativer Pflanzenschutz

Ãœber die Anwendung von digitalen Techniken in seinem Praxisbetrieb informierte Dominik Bellaire, Landwirt aus Neuporz. „Man muss dazu nicht gleich teure Neugeräte anschaffen“, betonte er. Oft könne schon die Nachrüstung bestehender Technik wie dem Traktor einiges bewirken. Als Beispiele nannte er nachrüstbare Lenksysteme, die Verwendung von RTK-Signalen oder die Freischaltung von Section-Control.

„Bei uns auf dem Hof kommen viele kleine Lösungen zum Einsatz, die den betrieblichen Alltag deutlich erleichtern können, zum Beispiel durch die Nutzung von Prognosemodellen. Auch haben wir digitale Gelbschale in den Flächen stehen, die das tägliche Anfahren deutlich reduzieren.“

Solche Maßnahmen kämen der Wirtschaftlichkeit und der Biodiversität zugute, betonte er. Hindernisse für die breite Umsetzung solcher Lösungen in der Praxis sieht Bellair bei den oft fehlenden Schnittstellen, Schulungsmöglichkeiten und Beratungsangeboten.

Weidelgräser reduzieren

Über Bekämpfungsstrategien und Lösungsansätze zum verstärkten Auftreten von Weidelgräsern im Ackerbau berichtete Andreas Hommertgen vom DLR. Sowohl das Deutsche als auch das Welsche Weidelgras seien als konkurrenzstarkes Futtergras aggressiver als Ackerfuchsschwanz. Den Weg auf die Äcker finde es über Verschleppungen, Zwischenfrüchte, Futterbau und Stilllegungen.

„Um der Weidelgräser Herr zu werden, sind integrierte Maßnahmen zwingend notwendig“, so der Referent. Das beginne schon im Spätsommer mit einem Walzgang, um die Ungrassamen zum Auflaufen zu bringen. Im Anschluss solle eine frühzeitige und flache Stoppelbearbeitung erfolgen.

„Die Aussaat sollte dann eher spät und tief stattfinden, um mit Boden-herbiziden arbeiten zu können. Auch auf Grundlage eigener Versuche empfahl Hommertgen den Einsatz von Flufenacet oder Chlortoluron. Und zur Nachbehandlung eine „Nikolaus-Spritzung“, wobei auf einen Wirkstoffwechsel zu achten sei. Ein Ausführ-

licher Bericht zum Thema Weidelgräser ist im LW, Ausgabe 9 ab Seite 9, zu finden.

Glyphosat weiter zugelassen, Beschränkungen bleiben bestehn

Zum Abschluss der Veranstaltung behandelte Hommertgen noch das Thema Glyphosat. Trotz der Verlängerung der Zulassung blieben die Beschränkungen für den Einsatz in Deutschland bestehen, betonte er. „Nach Verlängerung der Zulassung für den Wirkstoff stehen nun etliche Verlängerungen einzelner Produkte an“, stellte er fest.

Für neuzugelasse-ne Glyphosat-haltige Mittel gelte nun oft die Anwendungsauflage NT307-90, wonach nur 90 Prozent der zur Behandlung vorgesehenen Fläche mit dem Glyphosat-Produkt behandelt werden dürfen. „Weichen Sie hier besser auf Mittel mit einer älteren Zulassung aus, die diese Auflage noch nicht haben“, empfahl er den anwesenden Praktikern.

Hommertgen wies zum Abschluss noch auf eine Whats-App-Gruppe des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe- Hunsrück hin, der interessierte Landwirte nun beitreten könnten. Unter der Rufnummer 0151 40790693 kann man sich unter Nennung des Namens und des Wohnortes hierzu anmelden. „Wir Ackerbauberater des DLR haben diese Gruppe gegründet, um auf einfachem und schnellem Wege die Landwirte in der Region über aktuelle Themen zu informieren und bei Fragen zu helfen“, so der Pflanzenschutzexperte.

KB – LW 15/2024