Nitrat in Gewässern differenziert betrachten

Wasserschutz-Modell Rheinland-Pfalz

Wasser ist die Grundlage allen Lebens und ohne sauberes Wasser gibt es keinen hohen Lebensstandard. Wasserschutz ist daher ein wichtiges Ziel, auch in der landwirtschaftlichen Beratung. Dr. Friedhelm Fritsch vom DLR in Bad Kreuznach erklärt die Problemlage und den rheinland-pfälzischen Lösungsweg zur Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie.

Mulchsaat bei Zuckerrüben.

Foto: Dr. Fritsch

Die europäische Wasserrahmenrichtlinie fordert den guten chemischen und ökologischen Zustand der Gewässer und sie muss dringend umgesetzt werden. Demnach müssen neben anderen Zielsetzungen, wie etwa der Durchgängigkeit der Gewässer für Fische, Grundwasser und Oberflächengewässer vor den Einträgen von Nitrat und Phosphat sowie von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen geschützt werden.

Auch wenn Hobbygärtner und spießbürgerliche Sauberkeitsfanatiker, die auf Gehwegen Unkraut mit Roundup ertränken wollen, undichte Kanalisationen sowie Kläranlagenabläufe zur Belastung der Gewässer beitragen, so machen diffuse Einträge aus der landwirtschaftlichen Flächennutzung und punktuelle, zum Beispiel aus der unsachgemäßen Reinigung von Pflanzenschutzgeräten doch den größten Teil der Belastung mit Nitrat, Phosphat und Pflanzenschutzmitteln aus.

Wie ernst ist die Lage?

Glaubt man der Sensationspresse, so sind die überwiegenden Grundwasservorkommen in Rheinland-Pfalz mit Nitrat aus der Landwirtschaft geradezu verseucht. Die Realität ist aber eine andere, denn Nitratgehalte in Grundwassermessstellen sind nicht gleichzusetzen mit Nitratbelastungen in Grundwasservorkommen. Insbesondere in den Trockengebieten (Rheinhessen, Pfalz, Untere Nahe) weisen viele Grundwassermessstellen hohe Nitratkonzentrationen auf. In Trockengebieten wird aber wenig Grundwasser gebildet, weil die ohnehin geringen Niederschläge durch Transpiration (Verdunstung der Pflanzen) und Evaporation (Verdunstung der Bodenoberfläche) nochmals reduziert werden. Schon geringe Stickstoffüberschüsse aus der Landwirtschaft können somit hohe Nitratkonzentrationen im Sicker- oder Grundwasser verursachen.

Es sind auch viele Weinanbaugebiete (zum Beispiel Pfalz, Rheinhessen, Nahe, Mosel) und die Gemüsebauregionen (Vorderpfalz), bei denen die „Nitratzeiger“ der Messstellen ausschlagen, daneben Gebiete mit hohen Anteilen landwirtschaftlich genutzter Flächen an der Gesamtfläche. Die typischen Viehhaltungsregionen sind nicht immer betroffen, denn dort liegen teilweise höhere Niederschläge vor, die die Nitratkonzentrationen verdünnen, und es herrscht die weniger auswaschungsträchtige Grünlandnutzung vor, wie etwa im Westerwald.

Niederschläge und Bodenart beeinflussen den Nitratgehalt

Zwischenfrüchte wie Senf sollten dem Standort nur überschüssiges Wasser entziehen...

Foto: Dr. Fritsch

Boden- und Sickerwasser verweilt unterschiedlich lange im Boden, bis es als Grundwasser in unterschiedlichen Tiefen in Erscheinung tritt. Was heute gemessen wird, kann also aus einer hohen N-Düngung vor Jahren oder bei sehr tiefgründigen Böden und langen Fließzeiten auch Jahrzehnten stammen. Und die aktuelle Düngung kann sich gegebenenfalls erst in Jahren im Grundwasser zeigen, als positive oder als negative Entwicklung im Trend der Nitratgehalte. Die Situation muss sehr Ernst genommen werden, denn es mussten vor allem in den Trockengebieten schon Brunnen wegen hoher Nitratbelastungen aufgegeben werden, aber sie ist nicht hoffnungslos.

Wie sieht es in anderen Bundesländern aus? Zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind durch die intensive Tierhaltung ebenfalls viele Grundwassermessstellen belastet. Betrachtet man aber zum Beispiel das Allgäu in Bayern, so fällt auf, dass das Grundwasser beim Nitrat als unbelastet gilt, trotz der hohen Viehdichte. Dort sind die Niederschläge deutlich höher, so dass Stickstoffüberschüsse mit dem Sickerwasser stark verdünnt werden. Außerdem gibt es unter Grünlandnutzung wegen der ständigen Pflanzenbedeckung weniger Probleme mit der Nährstoffauswaschung.

Nitratkonzentrationen oder -frachten

Die einseitig erscheinende Betrachtung der Nitratkonzentrationen im Grundwasser lässt sich mit dem vorsorglichen Grundwasserschutz begründen. Denn Grundwasser ist potenzielles Trinkwasser und soll daher nicht zu hohe Nitratkonzentrationen aufweisen. Eine Karte der N-Mengen beziehungsweise -Frachten, die das Grundwasser erreichen, würde allerdings etwas anders aussehen, als eine Karte der N-Konzentrationen. Regionen intensiver Tierhaltung wären relativ stark hervorzuheben wie auch die des intensiven Gemüseanbaues.

...und nach Winter sicher abfrieren.

Foto: Dr. Fritsch

Nitratmengen, die das Grundwasser erreichen, gelangen früher oder später über Bäche und Flüsse in die Küstengewässer, also aus Rheinland-Pfalz in den Rhein und die Nordsee. Andere Bundesländer „ergießen“ sich auch in die Ostsee oder über die Donau ins Schwarze Meer.

Spätestens dort fördern Nitrate das Algenwachstum, vor allem wenn noch Phosphat dazukommt. Übermäßiges Algenwachstum ist gefährlich, denn wenn die Algen massenhaft absterben, kommt es zu Sauerstoff­mangel in den Küstengewässern mit drastischen Folgen.

Die Entwicklung in der Landwirtschaft

Im Weinbau (in den trockeneren Gebieten) hat die hohe N-Zufuhr früherer Jahrzehnte häufig hohe Nitratgehalte im Grundwasser hinterlassen. Das N-Düngungsniveau ist aber in den letzten Jahren deutlich gesunken, da die Ansprüche an Mengen und Qualitäten sich verändert haben. Begrünungen haben sichtbar zugenommen.

Nicht leicht hat es der sich flächenmäßig ausdehnende Gemüsebau bei der Lösung des Nitratproblems, denn Gemüse wird meist vegetativ geerntet. Blumenkohlköpfe sollen dick und weiß, die Radieschen prall und die Blätter grün sein. Das geht nur mit relativ hoher N-Versorgung, die allerdings genau bemessen werden muss. Neben einer bedarfsgerechten Düngung könnten Fruchtwechsel mit weniger N-bedürftigen Kulturen, verstärkte Begrünungen oder auch neue Vermarktungsformen, bei denen der Markt aber mitspielen muss, zur Problemlösung beitragen.

Im Ackerbau kann der Raps Probleme machen, weil er hohe N-Mengen in den Ernteresten hinterlässt, oder der Weizenanbau, wenn hohe Rohproteingehalte wegen „Qualitätszuschlägen“ mit einer Spätdüngung erzielt werden sollen, und diese nur eine recht geringe N-Ausnutzung zur Folge hat. Kartoffeln hinterlassen nach der Ernte häufig hohe Nmin-Gehalte, während Zuckerrüben und Braugerste eher unproblematisch sind, auch weil sie wegen der Qualitätsanforderungen eher zurückhaltend gedüngt werden.

Viehhaltung oder Biogasanlagen und natürlich der Maisanbau werden oft angeprangert, aber letztlich ist die Bewirtschaftungsintensität im Einzelfall entscheidend, ebenso die sachgerechte Verwertung von Gülle und Gärresten, die von einer ausreichenden Lagerkapazität abhängig ist.

Mais ist eine äußerst leistungsfähige Pflanze, die aber ihrer späten Wachstumszeit entsprechend gedüngt werden muss. Aus den nördlichen Bundesländern wird der Angebotsdruck von Wirtschaftsdüngern vorerst noch ansteigen. Wichtig ist, dass diese nicht zur Unzeit ausgebracht werden, nur weil sie billig sind. Auch hier sind Lagerkapazitäten die Voraussetzung für effektiven Einsatz.

Maßnahmen zur Senkung der Nitratbelastungen

Bedarfsgerechte Düngung reduziert einen überhöhten N-Überschuss beziehungsweise N-Saldo und beinhaltet die richtige Einschätzung der Wirkung organischer Dünger und der N-Nachlieferung aus dem Boden. Daneben kann mit gezielter Begrünung oder Bodenbedeckung und angepasster Bodenbearbeitung der Entstehung hoher Nitratmengen im Herbst, die der Gefahr winterlicher Auswaschung unterliegen, vorgebeugt werden.

Diese Maßnahmen können auch zum Einsparen von Wasser führen, und in der Folge erhöht die Vermeidung unproduktiver Verdunstung die Sickerwasserbildung und senkt damit Nitratkonzentrationen im Sicker- und Grundwasser. Pflanzenbauliche Maßnahmen, die Wasser einsparen, verringern die Nitratkonzentration im Sickerwasser, und sie erhöhen das Ertragspotenzial.

Maßnahmen, die dem Gewässerschutz dienen, ob der Anbau von Zwischenfrüchten, Untersaaten in Mais oder die Intensität der Nachernte-Bodenbearbeitung, müssen standortspezifisch bewertet und gezielt eingesetzt werden, um N-Salden zu verringern, Herbst-Nmin-Werte abzusenken, Wasser einzusparen oder die Nitratkonzentration im Sickerwasser abzusenken.

In der Praxis könnte das zu folgenden Entwicklungen führen, wobei manches erst versuchsmäßig getestet werden muss und einen finanziellen Ausgleich erfordert, während anderes vereinzelt bereits Eingang gefunden hat:

Zwischenfruchtanbau vor Mais, reduzierte Bodenbearbeitung (Streifenbearbeitung) vor der Maissaat, Gülleausbringung im Unterfuß-Verfahren vor oder bei der Aussaat oder zwischen den Reihen nach der Maissaat. Untersaat von Gräsern und angepasste Herbizidstrategien. Keine Bodenbearbeitung im Herbst nach Mais.

Zwischenfruchtanbau vor Zuckerrüben. Mulchsaat der Rüben. Nach der Rübenernte flache Einarbeitung des Rübenblatts erst unmittelbar vor oder zur Winterweizensaat.

Nach der Rapsernte nur flache Bodenbearbeitung und insbesondere auf auswaschungsgefährdeten Standorten sofortige Einsaat abfrierender Zwischenfrüchte in Verbindung mit nachfolgendem Sommerweizenanbau.

Wasserverluste durch Zwischenfrüchte

Wenn eine Zwischenfrucht selbst nicht mit Stickstoff gedüngt und entweder geerntet wird oder in der Folgekultur zu einer Verringerung der N-Düngung führt, verringert sie den

N-Bilanzüberschuss. Da sie im Spätsommer oder Herbst und Winter Stickstoff aufnimmt, trägt sie zur Verringerung der winterlichen Nitratauswaschung bei, auch wenn sie zum „Unterbringen“ von Wirtschaftsdüngern angebaut wird.

Nimmt sie aber viel Wasser auf, könnte dies der Folgekultur fehlen, sofern es im Winter weniger regnet, als der Boden an Wasser speichern kann. An vielen Standorten regnet es aber mehr! Gleichzeitig vermindern Zwischenfrüchte durch Beschattung die unproduktive Evaporation, verbessern das Wasserhaltevermögen eines Bodens und die Infiltrationsraten durch die Erhöhung des Porenvolumens im Boden. Der Wasserverbrauch von Zwischenfrüchten wird daher oft überbewertet.

Welche Zwischenfrucht ist aber geeignet? Die ideale Zwischenfrucht verbraucht wenig Wasser und nimmt ‑ in Trockengebieten mit hohen Nitratkonzentrationen im Grundwasser ‑ als Tiefwurzler viel Nitrat aus tiefen Bodenschichten, oder als Flachwurzler direkt aus der N-Freisetzung im Oberboden auf. Daneben darf sie nicht die Schaderreger der Hauptkulturen (zum Beispiel Kohlhernie, Nematoden) fördern. Sie muss bei Frost sicher abfrieren, damit sie im Frühjahr kein Wasser mehr verbraucht, oder sie soll sicher überwintern und gegebenenfalls einen hohen Futterwert haben. Klar, dass hier Kompromisse bei der Auswahl notwendig sind.

Reduzierung der Phosphat-Einträge

Insbesondere in den Gebieten mit höheren Anteilen landwirtschaftlich genutzter Fläche an der Gesamtfläche, und das sind auch die dichter besiedelten Regionen, ist die Phosphatbelastung der Gewässer höher als im natürlichen Zustand. Phosphat kommt zum einen aus Kläranlagen in die Fließgewässer, trotz hoher P-Ausfällungsraten aus dem Abwasser.

Der größte Teil des Phosphats kommt aber aus „diffusen“ Einträgen und damit aus der Flächennutzung. Sämtliche Maßnahmen, die Bodenerosionen vermeiden, tragen folglich zur Reduzierung des P-Eintrags bei. Einen Beitrag liefert auch die Vermeidung überhöhter P-Gehalte im Boden, eine Maßnahme, die wirklich nichts kostet. Eventuell muss ein Ãœberschuss an Wirtschaftsdüngern auf anderen Flächen als gewohnt verwertet werden.

Pflanzenschutzmittel nur für Sachkundige

Im Grundwasser von Rheinland-Pfalz spielen Pflanzenschutzmittelrückstände keine Rolle, aber in einigen Fließgewässern werden sie, häufig Glyphosat, in auffällig hohen Konzentrationen gemessen. Hauptursachen dieser Einträge, die auch von Kläranlagen nicht abgebaut werden können, sind vermutlich illegale Anwendungen außerhalb landwirtschaftlich genutzter Flächen.

Aber auch die Reinigung von landwirtschaftlichen Pflanzenschutzgeräten in der Weise, dass das belastete Reinigungswasser in die Kanäle und Vorfluter gelangt, ist eine Ursache. Letzteres abzustellen ist Aufgabe der Landwirtschaft, ersteres Sache der Politik. Herbizide gehören nicht in die Hände von Hobbygärtnern und Sauberkeitsfanatikern.

Fünf neue Berater in Rheinland-Pfalz

An den Dienstleistungszentren Ländlicher Raum wird das „Beratungszentrum Gewässerschutz“ seine Arbeit aufnehmen. Dazu werden fünf neue Berater beitragen, die vor allem in den landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen sowie in Wasserschutzgebieten Landwirte, Winzer und Gartenbauer zu gewässerschonenden Maßnahmen informieren und hinleiten. Finanziert wird dies über das Wasserentnahmeentgelt, den „Wassercent“, der für die Entnahme von Wasser für die Trinkwassergewinnung oder Getränkeherstellung in Rheinland-Pfalz seit 2013 zu entrichten ist.

Wasserwerke und Getränkehersteller haben die Möglichkeit, 50 bis 80 Prozent der Kosten von Maßnahmen zum Gewässerschutz in Kooperationen mit Landwirten mit dem zu entrichtenden Wassercent zu verrechnen, was einen Anreiz darstellt. Die Maßnahmen müssen verbindlich in Kooperationsverträgen festgehalten werden, überprüfbar sein und über die gute fachliche Praxis der Düngung oder des Pflanzenschutzes hinausgehen. Landwirte bekommen den damit verbundenen Mehraufwand ersetzt, zum Beispiel die Kosten einer Untersaat oder eines Zwischenfruchtanbaues.

Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz unterstützt die Bildung entsprechender Kooperationen durch die Information und Vermittlung der jeweils betroffenen Landwirte. Bereits bestehende Formen der der Zusammenarbeit zwischen Wasserwerken und Landwirten können nach dem neuen Kooperationsmodell intensiviert werden.

Ab 2015 werden in Rheinland-Pfalz neue gewässerschonende Agrarumweltmaßnahmen angeboten, wie zur Etablierung von Gewässerrandstreifen und zur Winterbegrünung, die ebenfalls mithilfe des Wassercents finanziert werden.

Schuldzuweisungen helfen nicht weiter

Es ist alles nicht so einfach, wie es scheint. Das gilt besonders für die witterungs- und standortabhängige Landwirtschaft. Schuldzuweisungen helfen nicht weiter. Weder ist die Landwirtschaft ein Brunnenvergifter, noch kann eine Gewässerbelastung, die infolge einer hohen Bevölkerungsdichte und einer zwangsläufig intensiven Landnutzung auftritt, von heute auf morgen gänzlich vermieden werden.

Es sind Anstrengungen nötig, um unnötige Belastungen zu vermeiden, sei es durch gezieltere Düngungsmaßnahmen, Begrünungen oder wassersparenden Anbau. Der eine oder andere Landwirt wird sich auf diesem Gebiet auch erst noch an die gute fachliche Praxis herantasten müssen. Ebenso sind Handel und Verbraucher gefordert, die Auswirkungen ihrer Anforderungen an „Qualität“ zu überdenken.

Freiwilligkeit ist bei der Umsetzung des Wasserschutzes besser als Verordnungen, und ausgeprägte Fachkenntnisse und eine gute landwirtschaftliche Beratung sind besser als starre Regeln und Kontrollen. Und gerade in der jetzigen Phase der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie kann die Landwirtschaft ihre Chance nutzen und der Öffentlichkeit verstärkt zeigen, dass sie es ernst meint mit dem Schutz der Gewässer.

 – LW 22/2014