Zweiter digitaler Landfrauentag – ein toller Erfolg
Den Hebel für das eigene Glück umlegen
Dass der Landfrauentag des Landfrauenverbandes (LFV) Hessen auf dem diesjährigen Hessentag in Fulda aufgrund der Pandemie nicht wie gewohnt stattfinden konnte, wurde von allen Beteiligten bedauert, insbesondere von dem Gastgebenden Bezirksverein (BV) Fulda, der die Landfrauen aus allen Regionen Hessens gerne dazu sowie zu „Natur auf der Spur“ live vor Ort begrüßt hätte. Bei der Alternative, dem zweiten digitalen Landfrauentag unter dem Motto „Landfrauentag@home“, verfolgten rund 600 Landfrauen und Gäste aus Hessen und über die Landesgrenze hinaus an etwa 555 Geräten per Zoomtreffen den abwechslungsreichen digitalen Abend – ein toller Erfolg.
„Das Leben ist kein Wartezimmer. Die Pandemie fordert uns heraus, nicht stehen zu bleiben und zu verharren, sondern unser Leitbild „lebenslanges Lernen“ umzusetzen. Und das tun wir Landfrauen“, sagte Landfrauenpräsidentin Hildegard Schuster in ihrer Ansprache. Sie begrüßte die Landfrauen und zahlreichen Ehrengäste aus Politik, Verwaltung und befreundeten Verbänden vorvergangenen Mittwochabend zu dem digitalen Landfrauentag 2021, darunter das Hessentagspaar und der Oberbürgermeister aus Fulda, Vera Vogt, Max Dudyka und Dr. Heiko Wingenfeld, die Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes Petra Bentkämper, die Milch- und Rapsblütenköniginnen Anne Schmauch und Theresa Schmidt, der Generalsekretär des Hessischen Bauernverbandes Hans-Georg Paulus, Ute Göpel von der Landwirtschaftlichen Familienberatung, Andreas Sandhäger, Direktor des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen, Jürgen Dexheimer, Vorsitzender vom Verein für landwirtschaftliche Fortbildung Hessen, Sigrid Isser vom Landesfrauenrat sowie einige Mitglieder des hessischen Landtags.Schuster informierte: „Mit unseren digitalen Zoom-Angeboten haben wir während der Corona-Pandemie neue spannende Erfahrungen zu den unterschiedlichsten Themen miteinander erleben können. Es wurde informiert und diskutiert beispielsweise über frauenpolitische Themen wie Altersarmut und Gewalt gegen Frauen, daÂrüber, wie mehr Frauen in Gremien und Ämter kommen, es ging um Ernährung, Bewegung, die Vereinsarbeit und unser Klima. Sogar Wahlen und Stammtische konnten digital durchgeführt werden. Wir werden weiterhin viele verschiedene digitale Veranstaltungen anbieten. Machen Sie gerne mit!“, forderte Schuster die Landfrauen auf. Die Botschaft hinter allen Angeboten laute: „Gemeinsam statt einsam!“ Linktipp: www.landfrauen-bildung.de/termine. Ãœber 3 000 Kinder in Ernährungskursen Besonders hob sie das Projekt klimabewusste Ernährungsbildung hervor. „Damit lenken wir den Blick auf eine klimabewusste Ernährung. Schließlich liegt uns Landfrauen von jeher viel daran, die Umwelt zu schützen und zu erhalten, damit auch noch unsere Kinder und Enkel gesund leben können.“ Carola Biaesch, Geschäftsführerin des LFV Hessen, informierte über das Projekt: „Mit Kindern kochen, kulinarisch und klimabewusst, unter diesem Motto begeisterten seit Juli 2019 über 130 Multiplikatoren knapp 3 000 Kinder in über 350 Kursen für gesunde und nachhaltige Ernährung und die Essenszubereitung“, sagte sie. Das Projekt klimabewusste Ernährungsbildung umfasse drei Bildungsmaßnahmen: Kinderkochkurse, durchgeführt in den Ortsvereinen des LFV Hessen, den Ernährungsführerschein, der in hessischen Grundkursen erworben werden kann, und die Werkstatt Ernährung, durchgeführt in den weiterführenden Schulen. „Seit Januar 2021 finden die Kinderkochkurse als digitale Familienkochtreffen statt. Landfrauen kochen live mit den Familien im digitalen Raum. Diese Kurse erfreuen sich größter Beliebtheit. Der Umfang der digitalen Familienkochkurse hat den Umfang der Kinderkochkurse vor Corona überholt. Ein voller Erfolg!“, so Biaesch. Projekt-Webseite: www.klimaschutz-anpacken.de.
Forderungen zum Erhalt von Ackerflächen
Präsidentin Schuster berichtete, dass der LFV Hessen von vielen Seiten dazu aufgefordert worden sei, sich in den entsprechenden Gremien für ein Gesetz zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen einzusetzen. Sie sagte: „Der Verlust an Ackerflächen, auf denen unsere Lebensmittel angebaut werden, ist beängstigend. Riesige Hallen entstehen auf besten Ackerflächen. Aber auf Beton wachsen keine Nahrungsmittel. Unsere Forderungen habe ich heute Morgen im Landesagrarausschuss vorgetragen. Dieser hat den Forderungen zugestimmt und wird sie an die hessische Landesregierung weiterleiten.“
Wichtig sei auch die Lockerung des Denkmalschutzes zur Nutzung bestehender Gebäude, um mehr bezahlbaren Wohnraum für junge Familien in den Ortskernen zu schaffen. Damit würden die Familien in den Dörfern bleiben und sie beleben. Natürlich gehe es dabei auch um die Erhaltung historischer Bausubstanz.
Schuster erwähnte außerdem, dass der Verband die Pandemie nutzen würde, um auf Schwachstellen der Pandemie aufmerksam zu machen und diese anzugehen. Als Herausforderung für die Zukunft sprach sie Fehlentwicklungen im deutschen Gesundheitswesen an. Dieses werde vorwiegend unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit und Kostendeckung betrieben. Statt Gesundheit und Wohlergehen der Menschen würden Gewinne an erster Stelle stehen. Die Priorität sei anders, so Schuster. „Der Mensch geht vor!“, betonte sie. „Wir Landfrauen fordern eine Neuorientierung im Gesundheitswesen, von den Geburtenstationen, der Hebammenversorgung bis zu den Arbeitsbedingungen und der Bezahlung der Pflegekräfte.“ Dafür seien die Landfrauen das Sprachrohr zu den politisch Verantwortlichen. „Wir bringen unsere Forderungen ein und kämpfen dafür. Und wir werden auch gehört. Wir bringen es voran, weil wir viele sind und deswegen gehört werden. Bitte unterstützt uns und verstärkt unsere Forderungen! Diskutiert dies in den Vereinen! Gemeinsam müssen wir Frauen auf allen politischen Ebenen lauter werden!“, rief Schuster den Landfrauen zu.
Unterstützen und wachküssen
Außerdem forderte sie die politisch Verantwortlichen dazu auf, die Vereine jetzt bei ihrem Neustart zu unterstützen. „Stellt endlich in ganz Hessen den Vereinen die Nutzung von Vereinsräumen kostenfrei zur Verfügung!“, sagte sie. Auch mit einer digitalen Ausstattung könne man die Vereine unterstützen sowie durch kostenfreie Schulungsmöglichkeiten. „Wir Vereine sind der Kitt der Gesellschaft. Wir leben miteinander unsere demokratischen Werte. Dies gilt es jetzt, in dieser unruhigen Zeit noch mehr zu unterstützen! Wir sind nicht die Besserwisserinnen, wir sind die Bessermacherinnen“, dankte Schuster den Landfrauen für ihren vielfältigen Einsatz in dieser besonderen Zeit. In den nächsten Monaten seien alle Mitglieder gefordert, „die Landfrauenvereine kreativ wachzuküssen. Macht Lust auf ein Miteinander im Verein!“, forderte die Präsidentin zum Mitmachen auf. Es gelte, auch mit den digitalen Medien, die Vereinsarbeit mit seinen über 600 Vereinen zukunftsfähig zu machen.
Videogruß des Ministerpräsidenten
In seinem Videogruß sagte Ministerpräsident Volker Bouffier: „Die Landfrauen sind eine starke Stimme in unserem Land, nicht nur für die Frauen, auch für den ländlichen Raum. Ebenso sind Sie in vielen Städten aktiv. Wir brauchen Sie und Ihr ehrenamtliches Engagement. Wir bleiben beieinander! Soweit wir das können, will ich Sie weiter in Ihrer Arbeit unterstützen.“ Das amtierende Hessentagspaar Vera Vogt und Max Dudyka sowie der Oberbürgermeister Fuldas, Dr. Heiko Wingenfeld, zeigten sich mehr als beeindruckt von der digitalen Veranstaltung. „Es bedarf Mut, so eine große Veranstaltung digital zu organisieren. Das Ergebnis belegt: Sie sind die Bessermacherinnen“, lobte Wingenfeld. Er stellte in Aussicht, dass der Hessentag 2026 erneut nach Fulda vergeben werde. „Dann sehen wir uns hoffentlich vor Ort in unserer schönen Barockstadt Fulda wieder.“
Video-Streifzüge durch den BV Fulda
Der BV Fulda stellte sich mit Video-Streifzügen durch die Region vor. Dabei erfuhren die Teilnehmenden, dass der Landkreis Fulda die meiste landwirtschaftlich genutzte Fläche in Hessen besitzt. Die Bezirksvorsitzende Renate Storch informierte über den BV Fulda: „Wir haben über 700 Mitglieder im Alter von 5 bis 95 Jahren in acht Ortsvereinen. In diesem Jahr blicken wir auf 70 Jahre Vereinsarbeit zurück.“ Nach einem Online-Besuch in einem Wald mit reichhaltigem Bärlauchbestand grüßte Claudia Storch aus der Rhön und sagte: „Bei uns gibt es unterschiedlichstes grünes Glück in der Natur, im Wald, im Garten, saisonal, regional, nachhaltig und lecker. Sammeln Sie nur die Wildkräuter, die Sie kennen!“ Sie verwies auf die Webseite des BV, auf der InteÂressierte Rezepte für „grüne Glücksmomente“ und weitere Infos zum BV Fulda erhalten würden: bezirkslandfrauen-fulda.de. Brigitte Strauss aus Wissels von `Erlesmühler Allerlei´ zeigte per Video, was man alles aus Wildkräutern zubereiten kann. „Kommen Sie unsere abwechslungsreiche Region besuchen“, luden die FuldaÂÂer Landfrauen ein.
Renate Storch und Ulrike Angelstein vom Vorstand des BV Fulda fragten sich gegenseitig: „Was ist für dich Glück?“ Antwort: „Eine Landfrau zu sein, mitreden, mitmachen, miteinander mehr erreichen. Das ist ein tolles Hobby, um unter Gleichgesinnten Glücksmomente zu erleben.“ Glück sei auch, neue Frauen im Verein begrüßen zu können. „Jeder ist willkommen“, so Storch. Glück ließe sich in 1 000 weiteren Dingen erklären. Man müsse nur offen dafür sein. Damit leiteten die beiden Landfrauen zum Vortrag „Von jetzt auf Glück“ von Bestsellerautorin Nicole Staudinger über.
Den Hebel selbst umlegen
„Der Hebel für Glück liegt bei jedem selbst. Man muss ihn nur erkennen und anwenden“, sagte Staudinger. Das habe sie, die vor sieben Jahren an Brustkrebs erkrankt sei, erkannt und versucht, das Beste aus ihrer Erkrankung zu machen. „Brustkrebs und Chemotherapie waren gesetzt, aber was ich daraus machen konnte, das lag bei mir. Mitten in der Chemo habe ich mit dem Schreiben begonnen“, nannte sie einen ihrer Hebel. Für das persönliche Glück sei es außerdem wichtig, das Jetzt zu nutzen. „Natürlich gibt es Sorgen, Ängste, Nöte, gerade auch während Corona, aber das Meiste davon bezieht sich auf das Morgen. Das Morgen ist ungewiss. WaÂrum sich also nicht heute alles erlauben, was das Jetzt schöner macht?“, forderte sie zum Glücklichsein auf. Sie machte den Landfrauen ein Kompliment: „Ihr habt ein Händchen dafür, das Jetzt schöner zu machen. Wisst ihr eigentlich, wie wichtig das ist? Das hat etwas mit Selbstwirksamkeit zu tun. Viele Menschen haben gerade während der Corona-Pandemie diese Selbstwirksamkeit abgenommen bekommen, wie Künstler oder Musiker auf den Bühnen. Die Landfrauen, so habe ich heute erfahren, waren die ganze Zeit mit ihren Händen und ihrem Geist aktiv. Deshalb ist euch das Glück auch in dieser schwierigen Zeit vermutlich nicht abhandengekommen.“Die 39-Jährige gab zu, dass das Glücklichsein manchmal eine „unbequeme Kiste“ sei, aber einen Hebel zum Umlegen würde es immer geben. Nach ihrer Brustoperation habe sie beklagt, dass sie sich schlecht bewegen konnte. „Das gehört dazu. Aber hätte ich danach nicht die empfohlenen Bewegungsübungen gemacht, dann hätte ein weiteres Klagen etwas mit Unmündigkeit zu tun gehabt“, stellte sie fest. „Wenn Sie glauben, etwas ist eingefahren, dann versuchen Sie die Situation mit Abstand oder aus den Augen eines anderen zu betrachten. Ein Perspektivwechsel kann hilfreich sein“, so Staudingers Rat. Sie sagte: „Die einzige Basis, die wir für Glück brauchen, ist die Liebe.“
Hessentag 2022 in Haiger
Zum Abschluss luden die Bezirkslandfrauen Fulda zum Deutschen Landfrauentag 2022 sowie zur Landesgartenschau 2023 nach Fulda ein. Eine weitere Einladung sprach Edeltraud Lemler aus dem VorstandsÂteam des BV Herborn/Dill aus: „Der nächste Hessentag findet 2022 bei uns in Haiger statt. Mit 22 Ortsvereinen und rund 1 000 Mitgliedern freuen wir uns auf das Fest mit Ihnen, das unter dem Motto steht `von Freunden umgeben´.“ „Landfrauen machen alles möglich. Wir hatten Glück, trotz des ausgefallenen Hessentages heute am Landfrauentag teilnehmen zu können“, dankte Ursula Pöhlig, 1. stellvertretende Vorsitzende des LFV Hessen, allen Beteiligten für ihr Engagement, diesen Landfrauenabend organisiert und mitgestaltet zu haben. Mit Musik und einem Video über Fulda klang die Veranstaltung aus. Dabei bekundeten etliche Landfrauen mit vielen Daumen nach oben, wie sehr ihnen der Abend an den Bildschirmen gefallen hatte.
SL – LW 22/2021