Fronhausen soll ein Dorf ohne Stallgeruch sein
Gemeinde unterliegt ein zweites Mal vor Gericht
Fronhausen liegt zwischen Marburg und Gießen und ist ein beschaulicher Ort mit schönen Fachwerkhäusern. Die Gemeinde ist nach wie vor landwirtschaftlich geprägt. Im Hauptort gibt es noch fünf Vollerwerbs- und mehrere Nebenerwerbsbetriebe. Aber vor allem der Bürgermeister der Gemeinde scheint ein Problem damit zu haben.

Foto: Mohr
Landwirt Ulrich Zick ist erleichtert. Er will im Außenbereich, wo er bereits einen SchweiÂneÂmaststall mit 720 Plätzen bewirtschaftet, zwei weitere Ställe, einen für 880 Mastschweine sowie einen für 28 Rinder und 20 Kälber, bauen.
Bei jeder Offenlegung eine Stellungnahme abgegeben
Die Erweiterung hatte der Vollerwerbslandwirt und ehemalige Landjugendvorsitzende schon lange im Sinn. Und wie sich jetzt zeigte, war es gut, dass er die Planungen der Gemeinde aufmerksam verfolgte. Bereits im Jahr 2004 wollte Fronhausen den Flächennutzungsplan in der NäÂhe des bestehenden Stallgebäudes ändern und ein Gewerbegebiet unter anderem zur AnÂsiedlung von Lebensmittel-Handelsunternehmen ausweisen. Zick gab nach der Offenlegung gleich eine Stellungnahme ab und wies darauf hin, dass er eine Erweiterung der bestehenden Stallanlage plane und die Nähe zu Konflikten führen könne. Dennoch wurde ein Bebauungsplan aufgestellt. Auch hier hatte Zick nach jeder Offenlegung eine Stellungnahme abgegeben.
Ungeachtet dessen wollte die Gemeinde schon ein Bauschild auf dem Gelände aufstellen. Als Zick in Absprache mit dem Eigentümer klarmachte, dass eine im geplanten Gebiet befindliche Pachtfläche nicht zur Verfügung stehe, musste die Gemeinde umplanen und die Lebensmittelmärkte weiter entfernt ansiedeln. Dass er immer fristgerecht Einwände erhoben hatte, die von der Gemeinde beziehungsweise dem beauftragten Planungsbüro ignoriert wurden, spielte beim Verwaltungsgericht eine große Rolle. Zick: „Das wurde der Gemeinde vom Gericht um die Ohren gehauen.“
Gemeinde stolpert über eigene Planangaben
Die Gemeinde hat dann im Jahr 2010 bei der Festsetzung des späteren Sondergebiets aber auch Planangaben gemacht, die ihr bei Gericht „auf die Füße fielen“: Wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof vergangene Woche in seiner Urteilsbegründung ausführte, hat die Gemeinde darin selbst festgestellt, dass von dem genehmigten Vorhaben des Landwirts keine unzumutbare Beeinträchtigung für das Gebiet ausgehe. Deshalb könne sie sich bei der Klage nicht mehr darauf berufen. Darüber hinaus könne sich die Gemeinde auch nicht auf unzumutbare Auswirkungen für einen weiter südlich gelegenen Teil ihres Gemeindegebietes berufen. Denn das Gebiet sei nicht als allgemeines Wohngebiet, sondern als Dorfgebiet einzustufen, in dem eine stärkere Geruchsbelästigung zulässig sei.
Landwirt bereit, Zugeständnisse zu machen
Eine Richterin des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes war selbst vor Ort, um sich ein Bild der Gegebenheiten zu machen. Die Gegenseite war bei diesem Termin nicht anwaltlich vertreten. Gleichwohl zeigte sich Zick wie schon zuvor bereit, Zugeständnisse zu machen, obwohl die Genehmigung vor Gericht nicht zu beanstanden war. „Ich habe vorgeschlagen, den Schweinestall als Emissionsschwerpunkt 80 Meter weiter nach hinten zu bauen und den GülÂlebehälter nach dem Stand der Technik abzudecken. Das würde nach Ansicht meines Gutachters nochmal Einiges bringen.“
Die Gemeinde forderte unterdessen den Einbau einer Abluftwaschanlage, wie sie in NiedersaÂchsen und NordÂrhein-Westfalen verlangt werden. Doch dort gilt das für Ställe ab 2 000 Plätze. Eine solche Anlage kostet nach Schätzung von Zick 50 000 Euro und würde erhebliche Folgekosten nach sich ziehen. Das sei erstens zu teuer und wäre zweitens ein Präzedenzfall für Hessen. „Da kommen auch andere Gemeinden auf die Idee, eine Anlage einzufordern. Das geht nicht.“ Auch die Richterin vom Verwaltungsgerichtshof in Kassel, die sich laut Zick sehr gut informiert gezeigt habe, sah den zu großen und unverhältnismäßigen Aufwand.
Gemeinde lässt Gutachten anfertigen
Eine Revision gegen das Urteil hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen. Laut Bericht der Oberhessischen Presse wird sich Bürgermeister Reinhold Weber mit den Gemeindevorstandsmitgliedern jedoch besprechen, ob die Gemeinde dagegen vor dem BunÂdesverwaltungsgericht in Leipzig Beschwerde einlegen wird. Weber spricht laut Zeitungsbericht von dauernden Beschwerden, die an ihn wegen Geruchsbelästigungen herangetragen würden. Das Gutachten, das Grundlage der Genehmigung durch das RP war, sei nur eine Simulation, nicht aber von den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort ausgegangen.
So lässt die Gemeinde derzeit nach eigenen Angaben sehr teure Untersuchungen vom TÜV Süd durchführen. Es soll bis August bewiesen werden, dass die Geruchsbelästigung im Ort auf Jahresstunden umgerechnet bereits jetzt zu hoch sei. Zick dazu: „Der Gutachter hatte für die Verhandlung bereits eine Neuberechnung für den angebotenen Standorttausch durchgeführt. Damit konnten wir nochmals den Nachweis erbringen, dass die möglichen Zusatzbelastungen durch die Erweiterung irrelevant sind.
Keine Bürgerinitiative – und niemand hat sich beschwert
Außerdem sagt der Landwirt: „Zu mir ist nie jemand gekommen, um wegen des Stallneubaus seine Bedenken zu äußern.“ Immerhin befindet sich die bestehende und künftige Anlage in einer Entfernung von 420 Metern zum ersten Wohnhaus im Ort, und zwar im Norden. Bei den vorherrschenden Ost- oder Westwinden sind also nahezu keine Auswirkungen zu befürchten.
Zick hat unterdessen viel Zeit verloren. Was die Bauverzögerung monetär bedeutet, hat er noch nicht ausgerechnet. Mental hat er die Hängepartie bislang gut weggesteckt. Dass sich im Ort keine Bürgerinitiative wie in vielen anderen Fällen gebildet hatte, spielt dabei auch eine Rolle. Geholfen haben auch die gute Vertretung durch die L&F RechtsÂanwaltsgesellschaft mbH in Friedrichsdorf, der Hessische Bauernverband und der Jurist und ehemalige Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Marburg-Biedenkopf, Karl Heinz Hamenstädt.
Seinen Berufskollegen gibt Zick den Hinweis, die Veröffentlichungen der Kommunen über planerische Maßnahmen unbedingt und immer zu lesen, um gegebenenfalls fristgerecht Stellung nehmen zu können. Ihm habe dies sehr geholfen.
CM – LW 15/2014