Kritische Themen auf der Tagesordnung
Gesellschaft für Geschichte des Weines tagte in Nierstein
Brisante Themen standen auf dem Programm der Herbsttagung der Gesellschaft für Geschichte des Weines (GGW) in Nierstein. Nicht nur Mitglieder, sondern auch zahlreiche Gäste interessierten sich für eine wenig ruhmreiche Zeit in den 1930er Jahren in der deutschen Weinszene.

Foto: GGW
Das erste Thema, betitelt „Wein und NS-Zeit“, war dem Vorstand der GGW ein wichtiges Anliegen. Kompetente Referenten wie Dr. Pia Nordblom (Johannes-Gutenberg-Universität Mainz), Dr. Sina Fabian (Humboldt-Uni, Berlin), die namhafte Weinhistorikerin Dr. Christina Krämer, der Journalist Dr. Daniel Deckers sowie der Autor und Winzer Dr. Andreas Wagner aus Rheinhessen erinnerten an die NS-Zeit.
Wein und NS-Zeit – Aktionen zur Absatzförderung
Einerseits wurde Alkohol als Gift für den Körper angesehen und Mäßigung propagiert, andererseits wurde 1935 die Deutsche Weinstraße ins Leben gerufen, um den Winzern bei Absatzproblemen zu helfen. Diese waren unter anderem durch schlechte Ernten und das Ausmerzen des damals einflussreichen jüdischen Handels entstanden. Es wurde auf die Ausgrenzung, Verfolgung und schließlich Vernichtung jüdischer Weinhändler und Kommissionäre in ganz Deutschland verwiesen.
Beim Thema „Wein und Klima“ wurde die Klimaentwicklung und ihre Auswirkungen auf den Weinbau analysiert. Daten von 1420 bis 2019 ließen erkennen, dass es immer wieder starke Schwankungen mit „sauren Jahrgängen“ und „Spitzenjahrgängen“ gab und dass die guten bis sehr guten Jahrgänge seit etwa 1990 ein Hinweis auf eine rasch fortschreitende Klimaerwärmung sind. Referent Prof. Dr. Christian Pfister vom Zentrum der Klimaforschung der Uni Bern hielt fest: „Selbst bei einem sofortigen Umsteuern wird die Erwärmung noch einige Jahrzehnte andauern, was die nachfolgenden Generationen besorgt machen sollte.“
Ähnlich klangen die Feststellungen von Prof. Dr. Rüdiger Glaser von der Albert-Ludwigs-ÂUniversität Freiburg. Er verwies auch darauf, dass die Sommer- und Hitzetage zunehmen, dafür aber winterliche Frost- und Eistage abnehmen. Neue kühlere Weinbauregionen dürften auf der Gewinnerseite stehen, die klassischen eher auf der Verliererseite.
„Wie können die Themen Weinkultur und Weingeschichte einem breiteren Publikum kommuniziert werden?“, das war die schwierige Frage im letzten Tagungsteil. Wichtig sei hier neben gedruckten Infos die Bedeutung digitaler Angebote, die barrierefreie Vermittlung weinhistorischer Themen an eine breitere Öffentlichkeit möglich machen. Mitten aus dem Leben kamen die InformaÂtionen, wie in Rheinhessen die Kultur- und Weinbotschafter eine Brücke von Wissenschaft zu Konsumenten bilden.
Junge für Weingeschichte interessieren
Dr. Monika Reule, Geschäftsführerin des Deutschen WeinÂinstitutes, verwies darauf, dass bei der Betonung von Weinkultur die zunehmende gesellschaftliche Diskussion über Alkoholkonsum berücksichtigt werde. Als Erfolg wertet sie, dass auf Antrag der Deutschen Weinakademie (DWA) die „Weinkultur in Deutschland“ 2021 in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde.
Zu den DWI-Aktivitäten im Detail gehören eine App „Deutsche Weine“, die Auszeichnung von Vinotheken, „Höhepunkten der Weinkultur“ und die Wahl der Deutschen Weinkönigin. Letztere passte zur Podiumsdiskussion, bei der festgehalten wurde, es sei besonders wichtig, jüngere Menschen für die Weinkultur und –geschichte zu interessieren.
Ruth Lehnart, GGW – LW 46/2023