Ländliches Aussteuermobiliar

Aufruf: Geschichten hinter antiken Schränken und Truhen

Früher war es üblich, dass die Frau bei der Hochzeit eine Aussteuer mit in die Ehe brachte. Dazu zählten neben Geschirr und Textilien auch Möbelstücke wie Truhen und Kleiderschränke. Häufig wies das Mobiliar typische Besonderheiten der Region auf, in der es für die zukünftige Braut gefertigt wurde. Diese sind heute von kunsthistorischer Bedeutung und können im Rahmen volkskundlicher Sachgutdokumentationen ermittelt werden.

Truhe mit Schnitzereien, Intarsien und Farbbemalung, um 1790, aus Sarnau, Marburger Land.

Foto: Foto aus Helmut Nachtigall: Hessische Bauernmöbel, Gießen 1981

Ländliches Mobiliar entstand in früheren Zeiten überall in Deutschland, allein die Formen und Dekorationen waren regionalgeprägt. Stilistische Einflüsse kamen von den Städten mit Verzögerung auch auf dem Land an. Aufwendigere Möbel bestanden aus massivem Eichenholz, einfachere Stücke aus Nadelholz. Furnierte Schränke und Truhen fertigte man nur in den Städten und für den Adel.

Schnitzereien, Intarsien und Malereien

An ländlichem Mobiliar dienten Schnitzereien, Intarsien und Malereien der Zierde und waren von Region zu Region im Aussehen unterschiedlich. Sie sollten die Möbelstücke wertiger erscheinen lassen. Inschriften verweisen auf die Braut oder auch auf den Bräutigam, auf das Entstehungsdatum und den Herkunftsort der Möbel. Schlösser an Schränken und Truhen waren zumeist rein funktional gestaltet, während Griffe und Knäufe an Türen und Schubladen auch dekorativ sein sollten.

Aufruf: Mobiliar im Raum Marburg-Biedenkopf

Der gebürtige Mittelhesse, Kunsthistoriker Dr. Thomas Dann, hat sich auf die Erforschung und Begutachtung von historischem Mobiliar spezialisiert.

Foto: privat

Für ein Forschungsprojekt startet Kunsthistoriker Dr. Thomas Dann hier einen Aufruf und fragt: „Gibt es in Ihrem Haus typisches ländliches Mobiliar aus dem Raum Marburg-Biedenkopf? Mobiliar, das sich deutlich von dem anderer hessischer Regionen unterscheidet?“ Mit seiner möbelkundlichen Untersuchung verfolgt Dann das Ziel, herauszufinden, wie typisches ländliches Aussteuermobiliar, zum Beispiel Truhe, Schrank oder Bett, zwischen 1600 und 1900 im Raum Marburg-Biedenkopf ausgesehen hat. „Hierfür reicht es nicht aus, in regionale Museen zu gehen, um die dort aufbewahrten Möbelstücke zu untersuchen, da diese Bestände zumeist nur besonders repräsentative, weil schöne Stücke, dokumentieren“, so Dann.

In seiner Sachgutdokumentation hat er vor, eine möglichst große Anzahl von privaten Haushalten im Raum Marburg-Biedenkopf aufzusuchen und die dort erhalten gebliebenen Objekte vom ganz normalen ländlichen Aussteuermobiliar zu dokumentieren (siehe Kasten). „Die zusammengetragenen Ergebnisse sollen in Buchform veröffentlicht werden, sodass jeder Interessierte, und hier vor allem auch die Möbel­eigentümer aus dem Landkreis, nachlesen können, was herausgekommen ist“, informiert der Kunsthistoriker, der eine vergleichbare Untersuchung zu ländlichem Mobiliar schon für den Kreis Lippe abgeschlossen hat.

Dokumentation und Kontakt

Im Rahmen des Forschungsprojektes im Raum Marburg-Biedenkopf wird Kunsthistoriker Dr. Thomas Dann die teilnehmenden Haushalte besuchen, die Möbelstücke eingehend untersuchen, vermessen, beschreiben, fotografieren. „Diese Dokumentation erfolgt anonymisiert. Niemand wird erfahren, wo sich die Möbelstücke befinden. Es geht auch nicht um den Ankauf von Mobiliar. Die Möbel sollen dort verbleiben, wo sie herkommen, nämlich in den privaten Haushalten, für die sie einst geschaffen wurden. Zugleich erfahren die Eigentümer der Möbel während meines Besuches viel Neues über ihre Stücke“, so Dann.

Das Ziel des Kunsthistorikers ist es, für sein Forschungsprojekt mehr als 100 Höfe beziehungsweise Privathaushalte im Raum Marburg-Biedenkopf aufzusuchen, sodass eine geschätzte Anzahl von 400 bis 500 dokumentierten Möbelstücken zusammenkommen könnte. Wer teilnehmen möchte, wendet sich an: Dr. Thomas Dann, Hubertusstraße 6, 32756 Detmold, 0176/99815229 oder 05231/305672, per E-Mail an T.Dann@gmx.de.

Kleiderschrank mit Schnitzereien und Intarsien, von 1802, aus Amönau, Marburger Land.

Foto: Foto aus Helmut Nachtigall: Hessische Bauernmöbel, Gießen 1981

Kleiderschrank mit Schnitzereien und Intarsien, um 1800, aus Bellnhausen, Marburger Land.

Foto: Foto aus Helmut Nachtigall: Hessische Bauernmöbel, Gießen 1981

LW/Dann – LW 26/2024