Landtagskandidaten stellen sich den Fragen der Landwirte

Podiumsdiskussion im Landkreis Rheingau-Taunus

Landwirte, Winzer und Jäger fühlen sich durch starre Vorschriften und umfängliche, äußerst detaillierte Regelungen eingeschränkt – Regelungen, die unter anderem durch das Land Hessen etabliert wurden. Ob sich die Landtagskandidaten für Veränderungen und Anpassungen einsetzen werden, war ein Schwerpunkt der Podiumsdiskussion. Außerdem ging es darum, die Positionen der Bewerber um die Stimmen der ländlichen Bevölkerung zur Landtagswahl 2023 kennenzulernen. Dazu hatten der Kreisbauernverband Rheingau-Taunus, der Jagdverein Untertaunus und Rheingauer Weinbauverband vorvergangene Woche in das Bürgerhaus nach Taunusstein-Hahn zur Podiumsdiskussion eingeladen.

KBV-Vorsitzender Thomas Kunz (r.) und die Bewerber um ein Landtagsmandat.

Foto: kbv

Als Moderator konnte Thomas Kunz (KBV) Kandidaten aller im Landtag vertretenen Parteien mit Ausnahme der Linken auf dem Podium begrüßen. Zum Einstieg bat Kunz um eine kurze Vorstellungsrunde der Kandidaten, die die Gelegenheit nutzten und ihren persönlichen Bezug zu Landwirtschaft, Jagd oder Weinbau darstellten, bevor mit dem Themenblock Flächenverbrauch ein Kernthema der Landwirtschaft angesprochen wurde. Hier bestand grundlegend Einigkeit zwischen den Parteien über einen schonenden Umgang mit der Ressource Fläche – jedoch mit der Einschränkung, dass Bedarfe für außerlandwirtschaftliche Zwecke in begrenztem Umfang erfüllt werden müssen.

Unterschiedliche Akzente bei Flächenschonung

Die Ansatzpunkte zur Flächenschonung wiesen dann doch größere Unterschiede auf: Während Die Grünen sich für eine konsequentere Innenentwicklung und Förderung der Doppelnutzung bei PV-Anlagen aussprach, zeichneten sich bei SPD, CDU und FDP Ansatzpunkte bei der Kompensation beziehungsweise dem Umweltausgleich und der Förderung von PV auf Dachflächen und anderen bereits versiegelten Standorten ab. Die AfD-Vertreter machten sich für eine Differenzierung nach Standortqualität stark und forderten mit Blick auf PV-Anlagen, dass diese auch ohne Förderungen wirtschaftlich attraktiv und dauerhaft tragfähig sind.

Mit den Schlagworten Wolf, Ausweisung von Schutzgebieten und SUR (sustainable use regulation) leitete Kunz zu gleich mehreren Reizthemen der Landwirtschaft über. Das Vorhaben Biosphärenregion Rheingau-Taunus, Main-Taunus und Wiesbaden ist vielen Landwirten noch sehr präsent und stellt ein mahnendes Beispiel in Bezug auf die Pflanzenschutzreduktionspläne der EU dar. Diese sollen in Deutschland ohne jegliche Prüfung vereinfacht in Schutzgebietskulissen, wie einer Biosphärenregion oder einem Vogelschutzgebiet, umgesetzt werden. Hier waren sich alle Parteien weitgehend einig, dass die Flächennutzung nicht in diesem Umfang erschwert werden darf und eine Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft stattfinden müsse. Diese Kooperation betonten vor allem die Grünen-Vertreter und forderten – ganz im Sinne der Landwirtschaft – Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht. Auch der FDP-Vertreter bemängelte das Grundmisstrauen gegenüber den Landwirten und Winzern, dass sich in überzogenen Maßnahmen von Seiten der Länder, des Bundes und der EU widerspiegele. Es sei an der Zeit, der Landwirtschaft wieder mehr Respekt und Vertrauen entgegenzubringen.

Übereinstimmungen beim Thema Wolf

Überrascht waren die Zuhörer vielfach von der Einheitlichkeit der Positionen aller Parteien zum Thema Wolf, die sich alle für gezielte Entnahmen von Problemwölfen und eine Regulierung im Rahmen des Wolfsmanagements bei einer steigenden Population aussprachen, auch wenn der Fokus besonders bei B90-Die Grünen auf Herdenschutz und Prävention statt auf Abschuss liegen sollte.

Überbordende Bürokratie, umfangreiche Vorschriften und hoher Dokumentationsaufwand fanden in Verlauf der Diskussion mehrfach Eingang in die Statements der Kandidaten. Die von ihnen präsentierten Ansätze reichten von der Aufhebung ordnungsrechtlicher Vorgaben über die Vereinfachung von Prozessen durch Digitalisierung bis hin zu einem benutzerfreundlichen Dienstleistungscharakter der Ämter und Behörden in einer volldigitalisierten Umgebung. Alles in allem blieben die Äußerungen jedoch sehr unkonkret und wage. Lediglich die CDU konnte mit einem konkreten Vorschlag für den Agrarbereich aufwarten. Sie setzt sich für die Einrichtung eines eigenständigen Landwirtschaftsministeriums ein, um zumindest die von Seiten des Landes beeinflussbaren Stellschrauben zur Minderung des bürokratischen Aufwands auf den Betrieben anzupassen. Kunz appellierte an dieser Stelle an die Politiker und forderte sie auf, der Gesellschaft zu vermitteln, dass bestimmte Dinge – gerade im wetterabhängigen Agrarbereich – einfach nicht zu regeln sind.

Begriff Ökomodellregion zu eng gefasst

In puncto Hessische Agrar- und Umweltmaßnahmen (HALM) sowie dem Trend zur Extensivierung in der Landwirtschaft zeigten sich die meisten Podiumsteilnehmer hinsichtlich der Freiwilligkeit der Teilnahme offen, setzten jedoch eine Chancengleichheit für alle Produktionsformen voraus.

Von der AfD wurden die Maßnahmen von HALM und Extensivierung sowie die Ökomodellregion Nassauer Land als ideologiegeprägtes Hemmnis für die Landwirtschaft zurückgewiesen. Der Grundgedanke hinter der Ökomodellregion wurde von SPD, CDU, B90-Die Grünen und FDP begrüßt, doch wurde übereinstimmend festgestellt, dass die Begrifflichkeit „Öko-“ nur einen kleinen Teil der Zielsetzungen erfasst. Regionale Strukturen in Vermarktung und Tourismus fördern, neue Wertschöpfungsketten etablieren und regionale Mehrwerte nach außen tragen, ließe sich nach Ansicht der Podiumsteilnehmer unter einem anderen Label besser vermarkten.

Aus dem Publikum meldeten sich bei der offenen Diskussion vorrangig Landwirte zu Wort und vertieften die Themenbereiche Einschränkungen bei Pflanzenschutz sowie den immensen bürokratischen Aufwand auf den Betrieben. In erster Linie richteten sich die zahlreichen Fragen dabei an die Grünen-Vertreter, die als Nicht-Agrarier bestenfalls oberflächlich antworten konnten. Sie boten einen weiterführenden Dialog auch auf den Betrieben und in Begleitung der zuständigen Fachpolitiker an.

Mit einem Statement zur Unsicherheit bei der Betriebsnachfolge aufgrund von bürokratischen Hemmnissen, fehlender Planungssicherheit und mangelnder Wertschätzung für die Leistung der landwirtschaftlichen Betriebe aus dem Publikum wurde von der Diskussion zu den Schlussstatements der Podiumsteilnehmer übergeleitet. Jeder Kandidat war aufgefordert, hier ein konkretes Vorhaben zu benennen, bei dem er/sie sich für den Abbau bürokratischer Hürden einsetzen wird, wenn er/sie gewählt würde.

Während die AfD sich für eine Abschaffung von Förderprogrammen, wie HALM und der Lockerung von Vorgaben für Forschung und Lehre aussprach, konzentrierte sich die CDU mit den Themen Erhalt der Kulturlandschaft und Versorgungssicherheit auf den landwirtschaftlichen Bereich und betonte als notwendige Basis dafür die Schaffung eines eigenständigen Ministeriums für Landwirtschaft beziehungsweise für den ländlichen Raum. Die Kandidaten von FDP, SPD und Die Grünen orientierten sich allgemeiner in Richtung des ländlichen Raumes und benannten Ansatzpunkte für verschiedene Aspekte des Bau-rechts und Denkmalschutzes sowie der Förderung von Infrastruktur, Digitalisierung und erneuerbarer Energien.

kbv – LW 40/2023