Landwirte sind auch Insektenschützer

Pflanzenschutztag an der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen

Ein breites Themenspektrum von der guten fachlichen Praxis über Auswirkungen eines Glyphosat-Ausstieges bis zu den Ursachen des Insektenrückgangs hatten die Organisatoren des 6. Pflanzenschutztages Ackerbau Südhessen den zahlreichen Besuchern zu bieten. Auch diese Veranstaltung konnte zum Erwerb der notwendigen Sachkunde im Pflanzenschutz genutzt werden.

Die Kosten für einen Glyphosat-Aus­stieg beziffert Dr. Marco Schneider vom LLH Alsfeld auf etwa 58 Euro pro Hektar.

Foto: Becker

Im ersten Vortrag umriss Thomas Bickhardt vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) Griesheim die rechtlichen Rahmenbedingungen im Pflanzenschutz. „Nach wie vor stellt trotz aller Änderungen die gute fachliche Praxis die Grundlage allen Handelns dar“, betonte der Referent und erläuterte zunächst die aktuellen Zulassungsänderungen. So sei der fungizide Wirkstoff Prochloraz künftig in der Gerste nicht mehr möglich. Für das Insektizid Biscaya (Wirkstoff Thiacloprid) endet der Verkauf zum 3.August 2020 und die Aufbrauchfrist am 30 März 2021. „Sollten dann noch Reste vorhanden sein, können diese nur noch in Getreide eingesetzt werden“, so der Berater.

Viele Zulassungen enden 2020

Auch für die Wirkstoffe Desmedipham und Chlortalonil endet die Zulassung; die letzten Anwendungen für Rüben-Mittel wie Belvedere oder Betanal (Desmedipham) ist bis zum 1. Juli möglich, Chlortalonil-haltige Produkte (zum Beispiel Amistar Opti) müssen bis zum 20. Mai aufgebraucht werden. „Beachten Sie immer die Hinweise auf dem Etikett, aber verlassen Sie sich nicht darauf, wenn die Packung nicht mehr ganz neu ist. Die aktuellsten Auflagen sind immer im Internet zu finden, oder fragen Sie Ihren Berater“, empfahl Bickhardt den Pflanzenbauern hinsichtlich Abstandsauflagen, Anwenderschutz und Abdriftminderung.

Zur aktuellen Pflanzenschutz-Situation auf den Feldern sagte Bickhardt: „Gräserbehandlungen sollten im März abgeschlossen werden, wenn es die Witterung zulässt. Behandlungen im April zeigen wegen niedrigerer Luftfeuchte und größeren Schadpflanzen eine deutlich schlechtere Wirkung und das Resistenz-Risiko steigt.“

Ein Glyphosatverzicht bringt keine Vorteile für die Umwelt

Über mögliche Pflanzenschutz-Strategien ohne den Einsatz von Glyphosat referierte Dr. Marco Schneider vom LLH Alsfeld. Er skizzierte zunächst den Einsatz von Glyphosat in verschiedenen Fruchtfolgen und kam zu dem Schluss, dass in viergliedrigen Fruchtfolgen mit Raps weniger eingesetzt wird als in fünfgliedrigen, weil dort weniger gepflügt werde. „Allerdings ist die Klimabilanz im System mit mehr Glyphosat und weniger Pflug besser“, gab er zu bedenken.

Was verschiedene Stoppelbearbeitungsgeräte hinsichtlich der Unkraut- und Ungrasunterdrückung leisten können, hat der LLH in Praxisversuchen überprüft. „Wir wollen im Falle eines Verbotes einen Plan B haben“, betonte er zur Intension, diese Versuche durchzuführen. Es habe sich gezeigt, dass hierbei zum Teil erhebliche Anteile des Unkräuter- und Ungräser-Besatzes weiterhin auf der Fläche verbleiben und so das Problem weiter verschärft werde. „Es hängt ganz stark von der Witterung und dem Einsatzzeitpunkt ab, ob eine solche mechanische Maßnahme zu einer ausreichenden Reduzierung des Besatzes führt oder eben nicht“, stellte Schneider fest. Und: „Diese engen Zeitfenster belasten die Betriebsorganisation, erfordern mehr Schlagkraft und verursachen steigende Kosten.“

Er sieht eine steigende Bedeutung der Unkrautkontrolle auf der Stoppel und weiteren Forschungs- und daraus resultierenden Beratungsbedarf. Die Kosten eines Glyphosat-Ausstieges und den damit verbundenen Umstellungen der Bewirtschaftungsverfahren bezifferte er (durch ein Plus beim Dieselverbrauch, ein Plus bei der Arbeitszeit sowie bei Arbeitserledigungskosten und ein Minus beim chemischen Pflanzenschutz) auf etwa 58 Euro pro Hektar. Und Schneider warnte: „Auf Grenz­standorten wir die Wirtschaftlichkeit stark sinken, bis hin zur Aufgabe des Ackerbaus.“

Gewinner und Verlierer in der Insektenwelt

Zum Thema Landwirtschaft und Insektenschutz – beziehungsweise Insektenrückgang – konnte Michael Lenz vom Pflanzenschutzdienst Hessen Interessantes aus seine langjährigen Erfahrung bei der Schaderreger-Überwachung berichten. Er stelle auch fest, dass sich die Insektenpopulation wandele und in der Anzahl der Individuen reduziert habe. Es gebe auch Gewinner, die einerseits von den Klimaveränderungen und andererseits von veränderten Wirtschaftsweisen in der Landwirtschaft profitierten.

Probleme hätten demnach vor allem spezialisierte Arten, die auf bestimmte Vege­tations- oder Landschaftstypen angewiesen seien; Generalisten dagegen hätten sich in manchen Bereichen deutlich ausgebreitet beziehungsweise neue Gebiete oder Wirtspflanzen besiedelt. „Insekten sind die artenreichste Tiergruppe auf dem Planeten, sie sind zäh, sehr variabel und werden sicher nicht aussterben. Eine andere Frage ist, ob uns die Veränderungen der Populationen gefallen“, so Lenz.

Bei vielen Schädlingen, die in und von unseren Kulturpflanzenbeständen leben, sei kein Rückgang zu verzeichnen – oft ganz im Gegenteil. Als Beispiel führte er die Kleine Schilf-Glasflügelzikade an, die eine neue Rübenkrankheit überträgt. Dieses Insekt habe zuvor meist in Schilfbeständen gelebt, da diese aber immer weniger in den Landschaften zu finden seien, hätten sie sich auch an Rüben angepasst.

Lenz stellte den Insektenrückgang zwar nicht in Frage, wollte den Umfang und die Bedeutung der Zahlen aber durchaus differenziert betrachten. Die berühmt gewordene Krefelder Studie etwa, die einen enormen Rückgang der Insektenbiomasse in einem kleinen Naturschutzgebiet festgestellt hatte, sei beispielsweise zeitlich mit einem starken Rückgang der Tierhaltung in der Region zusammengefallen. „Ohne Tierhaltung fällt eine wichtige nahrungs- und Brutgrundlage für viele Insekten weg“, so der Experte. Man kann also durchaus sagen, dass im Falle der Tierhaltung weniger Landwirtschaft auch weniger Insekten bedeutet.

Rückläufige Tierhaltung schlägt auf die Insektenbiomasse durch

Auch einen weiteren Umstand zur Krefelder Studie merkte Lenz kritisch an: „Das Jahr, in dem die Studie startete, war ein Starkbefallsjahr bei vielen Schadinsekten. Aufgrund günstiger Witterung auch im Vorjahr hatte sich eine enorm hohe Insektenpopulati-

on aufgebaut. Hätte man die Studie in einem anderen Jahr begonnen, wäre der festgestellte Rückgang sicherlich geringer ausgefallen“, ist sich Lenz sicher.

Über die Vorzüge von On-Farm-Versuchen referierte Dr. Dominik Dicke vom Pflanzenschutzdienst. Vor allem bei Versuchen mit Raps seien die breiteren Praxisschläge vorteilhaft, weil weniger Randeffekte auftreten.

Sandra Höbel, LLH Griesheim, stellte verschiedene Striegel und Hacken zur Unkrautkontrolle vor. Hier sei ein Trend zu immer höherer Technisierung zu beobachten, auch weil die Großen Landtechnikhersteller in diesen Bereich nun verstärkt einstiegen.

KB – LW 6/2020