Minimalschnittanlagen gesund halten

Besonderheiten beim Rebschutz beachten

Für die immer beliebter werdenden Minimalschnittsysteme müssen beim Pflanzenschutz besondere Regeln beachtet werden. Grundsätzlich werden Minimalschnittanlagen einen höheren Fungizidaufwand/ha benötigen, als Anlagen im Rutenschnitt mit vergleichbarer Zeilenbreite. Eine erstklassige Applikationstechnik mit beidseitiger Behandlung ist unabdingbar.

Ein gewisser Peronosporabefall an den Trauben kann in Minimalschnittanlagen durchaus toleriert werden.

Foto: Hill

Im vergangenen Jahr hatten viele Winzer in Minimalschnittanlagen Probleme mit Oidium und Peronospora, während Parzellen im Rutenschnitt bei gleicher Spritzfolge gesunde Trauben aufwiesen. Bei exten­siver Erziehung sind frühe Laub­wand­­­­­ver­­dich­­tung und verzögerte Trau­benentwicklung zu berücksichtigen. Während die Bekämpfung mancher tierischer Schäd­­linge entfällt, brauchen Pilzkrankheiten besondere Sorgfalt.

Erfahrungen mit Minimal­schnitt­­erziehung liegen aus deutschen Anbaugebieten seit 1996 vor. Seit 2008 ist ein verstärktes Interesse an der Mini­mal­­schnitt­erziehung im Spalier bei Zeilenbreiten von 2,0 bis 2,20 Meter feststellbar. In vielen Gemarkungen in Rheinhessen und der Pfalz trifft man vor kurzem umge­stellte Parzellen. Meist erfolgte die Pflanzenschutz­behandlung betriebsüblich hinsichtlich Applikationstechnik, Spritztermine und Mittelwahl wie in Normalanlagen. Minimalschnittanlagen kompensieren durch die hohe Zahl von 40 bis 90 Trauben je Stock selbst größere Traubenverluste, durch Peronospora, Traubenwickler oder Hagelschlag, manchmal sogar Spätfrost. Die wirtschaftliche Schadschwelle liegt im Minimalsystem relativ hoch, was im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes ist. Die verbleibenden Gescheine oder Trauben entwickeln sich besser, sodass 40 bis 50 Prozent Ausfälle im Frühsommer oft oh­ne Einfluss auf den Ertrag bleiben.

Rebschutz beim Minimalschnitt

Unter phytopathologischen Gesichtspunkten weisen Minimalschnittanlagen zahlreiche Vorteile auf. Die hohe Kompensationsrate bei Traubenverlusten bedingt eine relativ hohe wirtschaftliche Schadschwelle. Dies ermöglicht weitgehenden Verzicht auf Insektizide. Die Umstellung scheint einen deutlichen Schutz gegen Esca zu bringen.

Bedingt durch die hohe Laubwand bereits kurz nach dem Austrieb sind Minimalschnittanlagen eher mit Kernobstanlagen vergleichbar und benötigen bereits vor der Rebblüte höhere Fungizid­mengen, die aber derzeit noch nicht zulässig sind. Mit der Umstellung der Dosierung auf Laubwandflächenbezug dürfte sich dieses Problem demnächst lösen. Grundsätzlich benötigen Minimalschnittanlagen einen höheren Fungizidaufwand/ha als Rutenschnitt mit vergleichbarer Zeilenbreite. Je nach Laubwanddichte ist eine erstklassige Appli­kations­tech­nik mit beid­seitiger Behandlung unabdingbar.

Ein Schwachpunkt ist die Oidium­bekämpfung. Zu Blütebeginn sollten die Laubwände befallsfrei sein, da anschließend die Applikation problematisch wird und Befallsherde nicht zu tilgen sind. Aufgrund der verzögerten Reife bleiben im Minimalschnitt die Trauben länger anfällig gegen Oidium, was einen längeren Einsatz hochwirksamer Fungizide verlangt. Der Pluspunkt des Systems ist für frühreife Lagen die durch Reifeverzögerung und lockere Trauben bedingte gute Gesundheit bis Oktober.

Dr. Georg K. Hill, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück

Peronospora – Blattverluste vermeiden

Anders sieht es beim Mostgewicht aus, wenn ein Teil der Blattfläche vernichtet wurde. Hier sind Mostgewichtsverluste um 20 °Oe keine Seltenheit. Während dies für Betriebe mit Mengenoptimierungsstrategie für das Basisweinsegment kaum eine Rolle spielt, müssen Flaschenweinvermarkter besonders auf die Gesunderhaltung der Blattfläche achten. Hier zeigt sich rasch, dass Minimalschnitt nicht gleich Minimalschnitt ist. Bei enger Zeilung läuft zwar der Blattflächenzuwachs bis zur Blüte ähnlich rasch, wie bei dem klassischen, weiter gezeilten australischen System, danach folgt aber ein scharfes Trimmen der Laubwand durch den Laubschneider, um die Befahrbarkeit zu gewährleisten. Bei dieser Maßnahme verliert der Stock oft mehr als ein Drittel der Blattmasse und es kommt in wüchsigen Anlagen zu einer intensiven Bildung von Geiztrieben. Dies erfordert einen exzellenten Schutz gegen Peronospora. Ökobe­triebe, die nur mit Kupfer arbeiten, können bei hohem Infektionsdruck den Neuzuwachs oft nicht schützen.

Konventionelle Betriebe haben teilsystemische Fungizide zur Verfügung, die sicher schützen, wenn sie rechtzeitig zum Einsatz kommen. Anlagen im Rutenschnitt sind zum gleichen Entwicklungsstadium oft schon mit Kontaktfungiziden gesund zu halten. Für den integrierten Rebschutz bietet der australische Minimalschnitt mit breiterer Zeilung ohne Laubschnitt im Sommer Vorteile: Der Blattzuwachs ist kurz nach der Blüte abgeschlossen. Danach wird die Blattfläche mehrfach mit Kontaktfungiziden abgedeckt, was für Ökobetriebe eine erhöhte Sicherheit bietet für die Erhaltung der Assimilation und eine optimale Beerenausreife. Spätere Verluste von Trauben durch Peronospora können toleriert werden, weil dies ausdünnt und die Qualität erhöht.

Bei allen Minimalschnittsystemen führt die Stocküberlastung zu einer langsameren Reife der Trauben. Während dies in warmen Lagen erwünscht sein kann, um die Reife in die aroma­fördernde Kühle des Frühherbstes zu verschieben, kommen spätreife Lagen in kühleren Jahren wie 2010 an die Grenzen des QbA-Bereichs, wenn keine Ertragsregulierung erfolgt. In allen Jahren führt die langsamere Reife zu einer längeren Anfälligkeit gegenüber Oidium, wobei dies bei spätreifen Sorten gravierender zu Buche schlägt.

Sorgfalt gefragt, um Oidium zu verhindern

Im Mini­malschnitt muss der Ertrag reguliert werden. Aufgrund des ungünstigen Blatt-Frucht-Verhältnisses verläuft die Traubenentwicklung verzögert, was sich in verringertem Botrytisbefallund einer längeren Oidiumanfälligkeit bemerkbar macht. Meist tragen die Winzer dieser Situation bei der Fungizidwahl nicht Rechnung. Oft wird der Minimalschnitt eine Spritzung zu früh auf die preisgünstigen, aber wirkungsschwächeren Azole umgestellt. Tabelle 1 zeigt einen Versuch bei Riesling in Oppenheim, bei dem Rutenschnitt und Minimalschnitt im Spalier gleich behandelt wurden. Während die Variante Rutenschnitt nur Einzelbeerenbefall zeigte, wies der Minimalschnitt trotz laubwandhöhenbezogener, erhöhter Dosierung der Fungizide eine Befallsstärke an den Trauben von 8,5 Prozent auf, es waren ganze Trau­ben betroffen. Zehn Tage nach der Blüte, am 28. Juni, wurde Laub geschnitten, die Trauben hingen relativ frei.

Eine Gefahr aller Systeme mit geringem Rückschnitt des alten Holzes ist die Überwinterung von Pilzerregern, die beim Rebschnitt entfernt werden. Es können von Peronospora befallene Traubenstie­le sein, die Oosporen enthalten. Bei Oidium sind die Kleistothecien, welche sich im Spätsommer auf den Blättern bilden, eine Gefahr. Bis zum Laubfall spült jeder Regen von befallenen Blättern Kleistothecien ab. Ein Teil dieser Wintersporen wird am alten Holz der Stämme und der Rinde des mehrjährigen Holzes zurückgehalten. Dieser Anteil ist beim Minimalschnitt 20-mal höher als beim Rutenschnitt. Diese Oidium-Wintersporen am Holz schleudern im nächsten Jahr ab Mitte April Ascosporen aus, die am Austrieb erste Mehltauinfektionen auslösen. Der Minimalschnitt ist schon im Mai gefährdet, was intensive Spritzungen ab dem 3-Blatt-Stadium verlangt. Gegenüber dem Rutenschnitt ist eine zusätzliche Frühspritzung erforderlich.

Befürchtungen, die in Minimalschnitt mehr Oidium-Zeigertriebe prognostiziert haben, trafen nicht zu. Angesichts der zehnfachen Zahl an Winteraugen, die pro Stock austreiben, wäre dies nicht verwunderlich gewesen. Zwar findet man im Umstellungsjahr oft mehr Zeigertriebe, aber es kommt in den Folgejahren nicht mehr zur Knospeninfektion. Möglicherweise ist dies eine Folge des verringerten Wachstums in den insgesamt stark überlasteten Stöcken. Auch an alten Rebstöcken findet man nur selten Zeigertriebe.

Dr. Georg K. Hill, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück – LW 24/2013