Ministerin mit Aigner-Meinung gefragt

Bundeslandwirtschaftsminis-terin Ilse Aigner hat jetzt eine breite gesellschaftliche Diskussion angekündigt über die Rolle, die der Landwirtschaft in einer modernen Gesellschaft zukommen soll. Im Ergebnis dieses Konsultationsprozesses werde ihr Haus eine Charta vorlegen, die die Grundlage für die künftige Landwirtschaftspolitik bilden soll. Die Ministerin folgt mit diesem Verfahren einer fragwürdigen Mode. Schon die Europäische Kommission hat sich im Vorfeld ihrer Mitteilungen über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik einer Internetbefragung bedient und so ihre Vorschläge zu untermauern versucht. Dabei gab es gerade ein­mal 6 000 Wortmeldungen von Bürgern und vor allem von Interessengruppen – bei insgesamt rund 500 Mio. EU-Einwohnen.
Die Bürger der EU und die Bundesbürger haben aber Volksvertreter gewählt, die in der repräsentativen Demokratie die Entscheidungen in den jeweiligen Parlamenten treffen sollen. Sie können ihre Beschlüsse in den entsprechenden Ausschüssen vorbereiten und sich dabei Expertenmeinungen einholen. Die Abgeordneten tragen bei ihren Entscheidungen die Verantwortung und werden bei den Wahlen daran gemessen. Im Gegensatz dazu müssen Beteiligte an Umfragen nicht für ihre Abstimmung gerade stehen.
Mit einem Konsultationsverfahren wird die Zuständigkeit der Parlamentarier untergraben. Merkwürdig ist, dass sich anlässlich des Brüsseler Verfahrens kein Europaabgeordneter – zumindest nicht vernehmbar – über das Verfahren beschwert hat.

Und von Ministern darf man erwarten, dass sie eigene Vorschläge vorlegen. Mit Befragungen im Volk kann man leicht als konzeptionslos und opportunistisch erscheinen.

Cornelius Mohr