Öko-Weizen: Die Sortenwahl nach der Verwertung richten
LSV und Sortenempfehlung Öko-Winterweizen
Öko-Ackerbauern brauchen Sortenempfehlungen, die unter ökologischem Anbau erarbeitet wurden, denn: Die Einschätzung der Leistungsfähigkeit von Sorten, wie sie der Beschreibenden Sortenliste des Bundessortenamtes (BSA) zu entnehmen sind, basieren auf Versuchen, die zum Beispiel beim Pflanzenschutz und/oder der Düngung der konventionellen Praxis entsprechen. Dr. Thorsten Haase vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen fasst die Ergebnisse der drei hessischen Öko-Landessortenversuche zu Winterweizen aus den letzten drei Jahren zusammen.
Die Wahl der Sorte bestimmt im Ökolandbau in erheblichem Maße, ob der Stickstoff vorrangig in Rohprotein und damit Qualität (Backfähigkeit), oder in Kornertrag umgesetzt wird. Der Landwirt stellt somit bei der Sortenwahl die Weichen für Back- oder Futterweizen. Neben der Sortenwahl beeinflussen aber auch Standort, Fruchtfolge, Düngung und die Witterung das Qualitätsniveau. Die Sortenergebnisse der letzten Jahre zeigen immer wieder, dass meist nur mit Sorten aus der Qualitätsgruppe E Backqualität erreicht wird. Aber selbst aus diesem Qualitätssegment gibt es Sorten, die nur unter sehr guten Wachstumsbedingungen Rohproteingehalte von 11 Prozent und Feuchtkleberwerte von 26 Prozent oder darüber erzielen.Belastbare Zahlen aus drei Jahren von drei Standorten
Neben den bereits langjährigen Versuchsstandorten in Alsfeld-Liederbach (AL) und der Hessischen Staatsdomäne Frankenhausen (FH) nördlich von Kassel, steht mittlerweile im sechsten Jahr mit dem Gladbacherhof (GH), dem Öko-Versuchsbetrieb der Universität Gießen, ein dritter Standort für den Landessortenversuch (LSV) Winterweizen zur Verfügung. Die allgemeinen Standortdaten zu den drei Versuchsstandorten sind Tabelle 1 zu entnehmen. Auf den drei Standorten wurde 2018 ein Sortiment von 23 Sorten geprüft (12 E-, 3 A-, 6 B- und 2 C-Weizen). Von diesen wurden allein elf (6 E-, 1 A-, 2 B- und 2 C-Sorten über die letzten drei Jahre (2016 bis 2018) auf allen drei Standorten geprüft. Im dreijährigen Durchschnitt wurden bei diesen elf Sorten gute Erträge von 52 dt/ha erzielt. Wenn man für dieses Sortiment den dreijährigen Mittelwert von Kornertrag und Rohproteingehalt gemittelt über die drei Standorte gegenüberstellt (Grafik 1), so wird deutlich, dass ein Rohproteingehalt von mindestens 11 Prozent zulasten des Kornertrages geht. Im Mittel der drei Jahre erreichten lediglich die E-Weizensorten das für Backweizen I erforderliche Niveau. Der aus konventioneller Züchtung stammende E-Weizen Ponticus wies den höchsten Ertrag innerhalb des E-Sortimentes und gleichzeitig den geringsten Rohproteingehalt auf. Die Öko-Züchtung Graziaro, als E-Weizen gezüchtet, aufgrund ihrer Probleme bei der Fallzahl jedoch als B-Weizen eingestuft, hatte als einzige Sorte einen überdurchschnittlichen Rohproteingehalt bei gleichzeitig durchschnittlichem Ertragsniveau. Signifikant höhere Kornerträge konnten mit C- und B-Weizensorten erzielt werden.
Öko-Sorten werden auf hohe Qualität selektiert
Eine vergleichbare Darstellung von Daten aus Alsfeld-Liederbach (Grafik 2), wo über die letzten drei Jahre stets das größte Sortiment (LSV + Anhang) geprüft wurde, sichert den beschriebenen Zusammenhang ab. Deutlich wird darüber hinaus, dass vor allem die auf hohe Qualität selektierten Sorten aus Öko-Züchtung verlässlich den kritischen Rohproteingehalt erreichen. Der Cluster im linken oberen Quadranten lässt erkennen, dass sich Sorten mit vergleichbarem Ertragspotenzial signifikant im Rohproteingehalt unterscheiden können, aber auch, dass einzelne Ökozüchtungen beim Kornertrag mit konventionellen E-Weizen mithalten können. Im Segment der A-Weizen finden sich Sorten (hier: Pionier), die sowohl beim Qualitätsmerkmal Rohprotein als auch beim Kornertrag punkten. Das mittlere Ertragsniveau des 2018 auf allen drei Standorten geprüften Sortiments (23 Sorten) lag im Durchschnitt der drei Standorte bei 41 dt/ha (Tabelle 2). Am Standort Frankenhausen wurden die höchsten Kornerträge gedroschen, in Alsfeld-Liederbach die geringsten. Die höchsten Rohproteingehalte und damit Feuchtkleberwerte hatte das Sortiment auf dem Gladbacherhof.
Die geprüften Sorten im Kurzporträt
E-Weizen
Aristaro ist eine steinbrandresistente Sorte aus biologisch-dynamischer Züchtung. Der begrannte Typ ist wie die meisten Sorten aus ökologischer Züchtung sehr lang und kann bei entsprechender N-Versorgung unter Umständen ins Lager gehen. Aristaro erzielte im Mittel der drei Prüfjahre Erträge, die deutlich unter dem Versuchsmittel lagen (relativ 95 Prozent) dafür aber hohe Rp-Gehalte (105 Prozent). Die Jugendentwicklung und die Bodenbedeckung in Kombination mit der Pflanzenlänge lassen eine gute Unkrautunterdrückung erwarten. Aristaro kann für den Anbau empfohlen werden Butaro stammt ebenfalls aus biologisch-dynamischer Züchtung. Butaro kann seine Vorzüge in Jahren ausspielen, in denen es auf Winterhärte und Blattgesundheit ankommt. Auf Standorten mit guter N-Nachlieferung oder bei vorhergegangener organischer Düngung sollte die Lagergefahr nicht unterschätzt werden. Er überzeugt durch seine überdurchschnittlich hohen Rohprotein- und Feuchtkleberwerte. Die Anfälligkeit gegenüber Gelb- und Braunrost ist gering. Zudem ist Butaro widerstandfähig gegenüber Steinbrand. Tobias ist ein sehr langstrohiger Grannenweizen. Die Sorte weist im Mittel der Jahre und Standorte unterdurchschnittliche Erträge auf. Die Rohprotein- und Klebergehalte sind überdurchschnittlich gut und zählen zu den höchsten im Sortiment. Tobias zeigt eine sehr zügige Jugendentwicklung mit viel Blattmassebildung. Bei Flächen mit guter N-Versorgung beziehungsweise -Nachlieferung besteht Lagergefahr. Empfehlenswerte Sorte, wenn es um Qualitätsweizenanbau auf leichten bis mittleren Standorten ohne zu hohen Stickstoffinput geht. Genius ist keine ganz neue Sorte mehr (Zulassung 2010), wurde bereits in den Jahren 2011 bis 2013 in Hessen geprüft und 2016 wieder ins Sortiment aufgenommen. Unter den geprüften Eliteweizen ist die Sorte die ertragsstärkste. Genius zählt, ähnlich wie die Futterweizensorten, zu den kürzeren Sorten im Sortiment, ist winterhart und fallzahlstabil. Die Jugendentwicklung und die frühe Bodenbedeckung sind eher verhalten und damit das Unkrautunterdrückungsvermögen relativ gering. Helmond ist eine sehr lange Sorte und zeigt im Mittel der drei hessischen Standorte nach drei Jahren ein unterdurchschnittliches Ertragsniveau (92 Prozent). Die Qualität ist vergleichbar mit Butaro und Aristaro. Sie neigt ebenfalls zum Lagern, ist jedoch sehr blattgesund. Ponticus erzielte im dreijährigen Mittel leicht überdurchschnittliche Erträge. Der Rohproteingehalt lag knapp unter dem Durchschnitt. Die Sorte ist kurzstrohig, standfest und zeigt nur einen sehr geringen Gelbrostbefall. Trebelir ist eine biologisch-dynaÂmische Züchtung der Getreidezüchtungsforschung Darzau. Sie wurde noch nicht auf allen drei Standorten dreijährig geprüft. Der Ertrag lag 2018 bei 96 Prozent, im Rohproteingehalt schnitt die Sorte zwischen Genius und Butaro ab. Moschus wurde bisher zwei Jahre geprüft. Sie ist eine sehr blattgesunde Sorte, die 2018 beim Ertrag und auch beim Rohproteingehalt jedoch noch nicht überzeugte. Ein drittes Jahr bleibt abzuwarten. Royal stammt von der Getreidezüchtung Peter Kunz. Die Sorte zeigt eine rasche Jugendentwicklung sowie gute Blatt- und Ährengesundheit. Sie ist laut Züchter sehr N-effizient. Im Vergleich zu Wiwa (ebenfalls Peter Kunz) sei ihr Ertragspotenzial höher, mit leicht vermindertem Proteingehalt, die Backqualität jedoch vergleichbar. Royal ist etwas kürzer und eignet sich deshalb für intensivere Betriebe. Weitere Prüfjahre bleiben abzuwarten.
Alessio ist ein Neuzugang und wird vom Züchter für den Ökolandbau empfohlen. Der begrannte E-Weizen drosch 2018 leicht unter dem Versuchsdurchschnitt, hatte aber vergleichsweise hohe Rohproteingehalte. Arminus ist begrannt und lang im Wuchs. Laut Züchter sind Wüchsigkeit und Bestockung sowie Bodenbedeckungsgrad sehr ausgeprägt, wodurch Beikräuter früh unterdrückt werden könnten. Die Sorte ist widerstandsfähig gegen Mehltau, Braunrost und Gelbrost, aber auch gegen Ährenfusarium. Im ersten Prüfjahr schnitt Arminius sowohl beim Ertrag als auch beim Rohprotein erfreulich gut ab. Tiliko vereinbart laut Getreidezüchtungsforschung Darzau Flugbrand-, Stinkbrand- und Zwergsteinbrandresistenz mit hoher Backqualität. Weitere Prüfjahre bleiben abzuwarten.
Informationen über die Verfügbarkeit und Anbieter von Saatgut von Weizen in Öko-Qualität sind auf der Internetseite www.organicxseeds.de erhältlich.
– LW 38/2018