Rating bestimmt Kreditkosten

Fachtagung für Agrarsachverständige und Steuerfachleute

In Alsfeld tagten kürzlich Agrarsachverständige und Steuerfachleute aus Hessen. Das Themenspektrum reichte von der Kreditkostenbemessung im Landwirtschaftsbetrieb über die Grundstückswertermittlung sowie An- und Durchschneidungsentschädigungen bis zu aktuellen Steuerfachfragen.

HBV-Präsident Friedhelm Schneider.

Foto: G. Lißmann

Zur Veranstaltung des Hauptver­bandes der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen (HLBS) sowie des Regierungs­präsidiums in Kassel begrüßte Dr. Günther Lißmann, Leiter der Bestellungsbehörde für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, rund 200 Experten. Der Präsident des Hessischen Bauernverbands, Friedhelm Schneider, und der Regierungspräsident des Regierungspräsidiums Kassel, Dr. Walter Lübcke wiesen auf die Bedeutung zuverlässiger Sachverständige für den landwirtschaftlichen Berufsstand hin.

Hans-Werner Nicklaus, Spezialist für Ratingfragen bei der Kasseler Bank, erläuterte das Ratingverfahren und die Abhängigkeit der Kreditkosten vom Ratingergebnis des landwirtschaftlichen Unternehmens. Kreditgeschäfte mit landwirtschaftlichen Betrieben werden zukünftig kaum noch ohne die umfassende Beurteilung der Kreditrisiken abgeschlossen. Mit Hilfe eines speziellen Ratingverfahrens wird die Ratingklasse ermittelt, die Grundlage für die zukünftige Kreditzinshöhe ist. Das Rating findet nicht nur bei der Kreditvergabe statt, sondern wird bei laufenden Krediten auch im jährlichen Turnus zur zeitnahen Risikoeinstufung durchgeführt. Das „VR-Rating Agrar“ der VR Banken stützt sich bei seiner Bonitätsbeurteilung im Wesentlichen auf zwei Datenbereiche: Zum einen sind dies die quantitati­ven, harten Fakten aus der Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung. Optional können Ver­mögen und Verbindlichkeiten aus dem Privatbereich noch hinzukommen. Zum anderen sind es die qualitativen, weichen Fakten wie Daten zu Betrieb und Produktion, Management und Planung, Kontoführung und Zahlungsverkehr sowie Produktionsprogramm und Ertragskennzahlen. Quantitative und qualitative Fakten werden in einem Verhältnis von 70 zu 30 ge­wichtet und mittels eines Computerprogramms verrechnet. Als Bonitätsklassifizierung wird die Ratingklasse ermittelt.

Das Rating­verfahren führt bei der weit überwiegenden Zahl der Kredit nehmenden Landwirte zu einer si­cheren Bonitätsklassifizierung. In speziellen Einzelfällen kann es vorkommen, dass das maschinelle Rating bonitätsrelevante Informationen, wie zusätzliche Haftungssubstanz im Privatvermögen oder zukünftige Risiken, nicht berücksichtigt. In diesen Fällen kann das maschinelle Ergeb­nis, in einer festgelegten Bandbreite auch noch positiv oder negativ verändert werden. Insgesamt ergeben sich bei der Berechnung 15 Ratingklassen und damit 15 Kreditzinsstaffeln. Ein Kredit mit zehnjähriger Laufzeit und einer 50-prozentigen Besicherung, kann beispielsweise einen Kreditzins in der besten Ratingklasse von 3,8 Prozent, in einer mittleren Ratingklasse von 4,5 Prozent und in der schlechtesten Ratingklasse 13,3 Prozent haben. Kunden in der schlechtesten Ratingklasse sind die Ausnahme, das Gros liegt im mittleren Bereich. Bezüglich der Sicherheiten sagte Nicklaus: „Werthaltige Sicherhei­ten können nicht verhin­dern, dass ein Kredit notleidend wird, sie haben aber eine Verlustbegrenzungsfunktion für die Bank.“

Neue Grundstückswertermittlung

Dr. Günther Lißmann.

Foto: HLBS

Dr. Kornelius Gütter bekannter und anerkannter Bewertungsexperte aus Hildesheim, referierte zur neuen Grundstückswertermittlung. Die alte Wertermittlungs-VO kurz WertV genannt, resultierte aus dem Jahre 1988 und bedurfte dringend einer Über­arbeitung. Wiedervereinigung, demographischer und wirtschaftlicher Wandel sowie Internationalisierung der Immobilienwirtschaft zwangen zur Anpassung und Fortentwicklung. Die neue Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) löst nun die alte WertV ab und ist seit 1. Juni 2010 die aktuelle Bewertungsgrundlage. Die ImmoWertV ist für Gutachterausschüsse und für deren Wertermittlungen nach dem Baugesetzbuch, sowie in den Bereichen, in denen ihre Anwendung zwingend vorgeschrieben ist, verbindlich. Für private Sachverständige stellt sie generell die anerkannten Bewertungsregeln zur Ermittlung des Verkehrswerts dar. Anpassungen hat es in vielen Punk­ten gegeben.

So soll bei be­bau­ten und unbebauten Grundstücken, neben der aktuellen Situ­a­tion auch die künftige Ent­­wicklung, bei der Bewertung Berücksichtigung finden. Gedacht wird dabei an absehbare anderweitige Nutzungen, wenn sie mit hinreichender Sicherheit aufgrund konkreter Tatschen zu er­waten sind. Für den landwirtschaftlichen Bereich betrifft dies besonders die zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten von leerstehenden Wirtschaftsgebäuden. Bei den Flächenkategorien „Flächen für die Landwirtschaft“ bis zum „baureifen Land“ im § 5 ImmoWertV ist die frühere Kategorie „begünstigtes Agrarland“ weggefallen. In den §§ 9 bis 14 Im­moWertV wird den Gutachterausschüssen aufgetragen, Bo­den­­richtwerte mit differenzierteren Merkmalen zu Bodenrichtwertzonen, Liegenschaftszinssätzen, Marktanpassungsfaktoren und weiteres zu erfassen und bereitzustellen. Dr. Gütter lobte die neue Verordnung als hilfreiche Weiterentwicklung für die praktische Arbeit der Gutachter.

Über Umweltentschädigungen

Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke.

Foto: G. Lißmann

Dr. Christina Müller von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) berichtete, dass die BImA den Auftrag habe, die Entschädigungsrichtlinie Landwirtschaft (LandR 78) aus dem Jahre 1978 zu überarbeiten. In ihrem Vortrag ging sie besonders auf die in der LandR 78 enthaltene Rege­lung zur An-, Durchschneidungs- und Umwegeentschädigung ein. Diese Regelung bezieht sich auf Entschädigungen, die sich aus An- und Durchschneidungen von Grundstücken (Schlägen) infolge von Straßen- und Bahnlinien­bau sowie Siedlungsflächenauswei­sung und weiteres ergeben. Die daraus resultierenden Bewirtschaf­tungsnachteile und Verkehrswertminderungen beziehen sich auf die Restgrundstücke, die dann oft in Form und Größe Nachteile bei der Bewirtschaftung und beim Ver­kauf aufweisen. Die bisherige Regelung war so, dass die Verkehrswertminderung aus An- und Durch­­­schneidung dem Eigentümer entschädigt wurde. Wenn die betroffenen Flächen verpachtet waren, konnte der Verpächter frei­willig dem Pächter für die Wirtschaftserschwernisse einen Pachtnachlass gewähren. Ein Urteil des BGH vom 13.12.2007 lautet nun dahingehend, dass Eigentümer und Bewirtschafter eine Ent­schädigung erhalten sollen. Dr. Mül­ler fasst es so zusammen: „Dem Eigentümer der Fläche steht die Verkehrswertminderung des Restgrundstücks (Verkleinerung, Formverschlechterung) zu. Hierbei handelt es sich um einen Substanzverlust. Die Ent­­schädigung ist bevorzugt vom Grundstücksmarkt (Analyse der Kaufpreise) abzuleiten. Dem Bewirtschafter der Restflächen (zum Beispiel Pächter) sind die Wirtschaftserschwernisse (Mehraufwendungen und Mindererträge) für die Restpachtzeit zu entschädigen. Es handelt sich dabei um die Entschädigung des Erwerbsverlustes.“ Als Richtlinie liegt diese neue Denkweise noch nicht vor, sie wird in Fachgremi­en noch diskutiert.

Kalkulationsmethodik erläutert

Peter Jäger, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger aus Eppertshausen, behandelte methodische Grundsätze der An- und Durchschneidung sowie Programme, die bei der Kalkulation zum Einsatz kommen. Alle Schadenspositionen haben ihren Ursprung in der Ver­kleinerung und der Formverschlechterung der Schläge. Ein Anstieg der Arbeits- und Maschinenkosten entstehe durch mehr Wendemanöver und damit länge­re Wendezeiten. Minderung der Fahrgeschwindigkei­ten, Erhöhung der Rüstzeiten und Aufwand für Doppelbearbeitung bedinge längere Arbeitszeit­en. Be­triebsmittelmehraufwendun­gen, Mindererträge und größerer Unkrautdruck entstehen durch größere Vorgewende-, Rand- und Dop­pelbearbeitungsanteile. Von den verfügbaren Programmlösun­gen zur Kalkulation der An- und Durchschneidungsschäden hat er Erfahrung mit zahlrei­chen in den vergangenen Jahrzehnten entwickelten Pro­grammen. Sein Urteil: Bei allen Programmen gibt es Verbesserungsbedarf. Die Methode LandR 78 ist in ihren An­sät­zen für Maschinenausstattung, Produktionstechnik sowie Kosten und Erträge nicht mehr zeitgemäß. Nötige individu­elle An­pas­sungen für den Einzelfall sind kaum realisierbar. Das vom HLBS vertriebene Programm Deform-Tax wird den von der Praxis gewünschten Anfor­de­run­gen am ehesten gerecht. Es könn­te aber auch noch, im Hinblick auf die Berücksichtigung von Wege- und Rüstzeiten am Hof, entsprechend erweitert werden, so Jäger.

Zum Jahressteuergesetz 2010

Diplomfinanzwirtin Andrea Köcher und Rechtanwalt Hans Josef Hartmann vom HLBS in St. Augustin sprachen im Folgen­den unter anderem über das vom Bundesfinanz­ministerium in Auf­trag gegebene Gutachten zu den ermäßigten Umsatzsteuersätzen und der Um­satzsteu­er­pauschalierung in der Landwirt­schaft gesprochen.

Kern­aussagen aus dem Gutachten lauten: 1. Nur die Ermäßigung des Umsatzsteuersatzes für Lebensmittel ist gerechtfertigt. 2. Die Steuerermäßigung für land- und forstwirtschaftliche Leistungen sowie die Leistungen des Gartenbaus sollten weitgehend abgeschafft werden. Dies ließe sich nur durch den Zusammenhang mit der Pauschalierung erklären, die ihrerseits selbst nicht mehr zeitgemäß sei. Als Kon­sequenz daraus wird gefordert, dass die Umsatzsteuerpauschalierung abgeschafft werden soll, soweit die Gutachter. Nach Schätzungen wenden etwa 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe die Pauschalierung an. Für diese wären dann regelmäßig Umsatzsteuervoranmeldungen und -erklärungen zu erstellen, die die Fi­nanz­verwaltung mit hohem Arbeitsaufwand bearbeiten müsste. Ob die möglicherweise zu erzielenden Einnahmen die Verwaltungsausgaben des Staates übersteigen, darf bezweifelt werden, so die Experten abschließend. Dr. Günther Lißmann