Rinderembryonen außerhalb des Mutterleibes erzeugen

Universität Gießen bietet Landwirten praxistaugliches Verfahren an

Das klassische Verfahren zur Embryonengewinnung bei Rindern ist die Superovulation. Dabei wird ein hormonell behandeltes Rind besamt, die entstandenen Embryonen ausgespült und dann einzeln einem Empfängertier eingepflanzt. Die Universität Gießen bietet jetzt ein Verfahren an, das sich ebenfalls bewährt hat und für Zuchtbetriebe interessant ist – die In-vitro-Produktion von Embryonen mit vorhergehender transvaginaler Follikelpunktion. Hier werden Eizellen von der Kuh gewonnen, diese im Labor mit Sperma befruchtet und die sich entwickelnden Embryonen ebenfalls einzeln einem Empfängertier eingesetzt. Prof. Christine Wrenzycki informiert im Folgenden darüber.

Rinderembryonen können auch außerhalb des Mutterleibes erzeugt werden. Im Bild ist eine Follikelpunktion zu sehen. Dabei werden Eizellen von der Kuh gewonnen und danach im Labor mit Sperma befruchtet. Die sich entwickelnden Embryonen setzt man einzeln einem Empfängertier ein.

Foto: Wrenzycki

Bei der In-vitro-Produktion werden Embryonen außerhalb des mütterlichen Organismus erzeugt (Schritte siehe Grafik). 1982 wurde das erste nach dieser Methode produzierte Kalb geboren. Seitdem wurden enorme Fortschritte erzielt und die Technik wird vielfach in der Praxis angewendet. Sie ist heute die Voraussetzung für den Einsatz weiterer Reproduktionsbiotechniken wie der Eizellgewinnung vom lebenden Tier durch transvaginale Follikelpunktion. Hierbei wird ein Ultraschallkopf in die Scheide des Rindes geschoben und mit einer Kanüle, deren Kanal im Sondenträger integriert ist, ein Follikel punktiert und die Eizelle entnommen. Die Tiere erhalten eine leichte Betäubung. Auch aus den Eierstöcken toter, wertvoller Zuchttiere können Eizellen gewonnen werden.

Drei Schritte im Labor

Die In-vitro-Produktion setzt sich aus drei Schritten zusammen. Der erste ist die In-vitro-Reifung der Eizellen, die etwa 24 Stunden dauert. Danach wird die In-vitro-Befruchtung durchgeführt, wofür zuvor tiefgefrorenes, aufgetautes Sperma verwendet wird. Nach einer Kultivierung der gereiften Eizellen mit den aufbereiteten Spermien für 19 Stunden werden Befruchtungsraten von 70 bis 90 Prozent erreicht. Den letzten Schritt stellt die Kultivierung der befruchteten Eizellen dar. Hierfür werden diese in ein Kultivierungsmedium gegeben, in dem sie mindestens sieben Tage bleiben, bis sie das passende Entwicklungsstadium erreicht haben.

Die transfertauglichen Embryonen können im Anschluss auf Empfängertiere, die vor acht Tagen in Brunst gewesen sind, übertragen werden. Wichtig bei der Empfängertier-Auswahl ist das Vorhandensein eines funktionstüchtigen Gelbkörpers. Es können Tiere genutzt werden, die eine natürliche Brunst hatten oder es kann hormonell eine Brunstsynchronisation durchgeführt werden. Stehen nicht genügend Empfängertiere zur Verfügung, werden die Embryonen tiefgefroren.

Eizellen von Kälbern bereits vor der Pubertät gewinnen?

In drei Schritten läuft die In-Vitro-Produktion von Embryonen ab.

Neben der Verwendung bei nichttragenden, erwachsenen Tieren bietet die transvaginale Follikelpunktion die Möglichkeit, Eizellen von Kälbern noch vor Eintritt der Pubertät zu gewinnen, was zu einer Verkürzung des Generationsintervalls und damit Beschleunigung des züchterischen Fortschritts führt. Auch bei frühtragenden Tieren ist die Methode erfolgreich angewendet worden. Der mögliche Verzicht auf eine Hormonbehandlung des Spendertieres stellt einen weiteren Vorteil gegenüber der traditionellen Embryonengewinnung mittels Super­ovulation dar. Außerdem kann hierbei auch Sperma unterschiedlicher Herkunft, zum Beispiel gesext, eingesetzt werden. In den letzten Jahren haben solche Techniken in der Rinderzucht eine starke Verbreitung erfahren. Der Anteil an Kälbern aus der In-vitro-Produktion erhöhte sich nach der Praxiseinführung der transvaginalen Follikelproduktion, denn durch die Kombination der Techniken ist es möglich, auch den weiblichen Keimzellenpool verstärkt zu nutzen. Laut der International Embryo Technology Society wurden 2017 fast eine Million IVP-Embryonen und nur die Hälfte nach Superovulation gewonnen. Dies zeigt, dass die Methode der transvaginalen Follikelpunktion mit anschließender In-vitro-Produktion als zuverlässige und kosteneffektive Technik für die Rinderzucht angesehen wird.

Angeboten wird das Verfahren jetzt auch von der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere mit Tierärztlicher Ambulanz, Professur für Molekulare Reproduktionsmedizin der Universität Gießen. Interessierte Rinderhalter können sich an Prof. Christine Wrenzycki, Dr. Andres Gonzalez und Franziska Kotarski wenden, 0641/ 9938-770, -742, -776, E-Mail: Christine. Wrenzycki@vetmed.uni-giessen.de.

 – LW 11/2019