Schluss mit dem Dauergrübeln

Landfrauen suchten und fanden Wege aus Endlosschleifen

„Grübeln ist eine negative Form des Nachdenkens, es führt in eine Endlosschleife“, informierte Andrea Emig, Coach beim Büro für staatsbürgerliche Frauenarbeit. 16 Landfrauen trafen sich Ende letzen Jahres im Geno Hotel Baunatal, um nach Wegen zu suchen, dieser Denkspirale zu entfliehen und eine Antwort auf die Frage „Wie gehe ich mit meinen Gedanken um, wie denke ich zielorientiert?“ zu finden.

Die Landfrauen beschäftigten sich mit dem Thema Grübeln und wie man Dauergrübeln beseitigt.

Foto: privat

Viele gesellschaftliche Gegebenheiten, aber auch Veränderungen, wie beispielsweise der Wegfall familiärer Strukturen, die Arbeitsmarktsituation, zunehmende Anonymität, beschleunigte Innovation, die eigene Erwartungshaltung an Familie und Beruf, denen „ Frau“ sich immer wieder gegenüber sieht, stellen Frauen immer wieder vor neue Herausforderungen und Probleme, die Dauergrübeln auslösen können. Grübeln, zu dem deutlich mehr Frauen als Männer neigen, hat schwerwiegende Auswirkungen: Es lähmt in allen Bereichen des täglichen Lebens, es beeinträchtigt die Stimmung, die Fähigkeiten, die Motivation, soziale Beziehungen und die Gesundheit. Die Analyse, welche Situationen und Ereignisse, für die es scheinbar keine Lösungen gibt, es sind, die uns belasten, stand am Beginn des Seminars. Jede Frau hat ihre eigene Lebensgeschichte mit eingefahrenen Strukturen, die nicht immer leicht zu ändern sind, beziehungsweise nur durch einen langen Lernprozess veränderbar wären. Besonders betroffen davon sind Frauen, die überkon­trolliert erzogen wurden, sich übermäßig um Familie und Gesundheit sorgen, Frauen, die sich ständig fragen „Was ist, wenn …“ oder sich Gedanken um zukünftige Gefahren machen.

Gemeinsam ist allen Grübelgedanken, dass sie sich immer um das Problem drehen, sich aber nicht damit befasst wird, eine konkrete Lösung zu finden. Dabei spielen die beiden Grundbedürfnisse des Menschen, die (soziale, emotionale und gesellschaftliche) Sicherheit und die Selbstbestimmtheit, eine entscheidende Rolle. Gibt es hier Defizite, wirkt sich das unweigerlich negativ auf die persönliche Sichtweise und so auf die Gedanken aus. Denken wird zum Grübeln.

Darüber hinaus ist jeder Mensch zwei Stressoren, intrinsischen und extrinsischen, ausgesetzt. Zu den intrinsischen Stressoren gehören die Persönlichkeit, die eigene Historie, die Einstellung, Belastbarkeit und Erfahrung sowie die inneren Antreiber. Zu den extrinsischen Stressoren zählt alles, was von „außen“ kommt, Familie, Beruf, Gesellschaft. Die Stressoren selbst lassen sich nicht ändern. Der Versuch, sie zu ändern, kostet viel Kraft und Energie, führt aber nicht zu einer Lösung. Änderungen sind nur bei einem selbst möglich. Im Umgang mit den Stressoren gibt es drei Möglichkeiten, von denen eine immer funktioniert: Vermeiden, Beseitigen oder die Sichtweise ändern. Anschaulich erklärte Andrea Emig das Alternativenrad, das ziel- und lösungsorientiertes Denken ermöglicht. Im ersten Schritt wird ein Kreis geviertelt oder geachtelt. In jedes Feld werden vermeintliche Lösungen – auch unrealistische – eingetragen. Ein Feld bleibt frei. Im zweiten Schritt wird alles gestrichen, was nicht in Frage kommt, um so zur besten Lösung zu kommen, die dann in das freie Feld eingetragen wird.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, um dem Dauergrübeln zu entkommen, ist, sich klar zu machen: Gedanken sind zunächst nur Gedanken, keine Realität. Nur ein Fakt, ein Umstand ist real. Aus dieser Tatsache he­raus wird ein subjektives „Bild“ abgeleitet. Dieses subjektive Bild entsteht aus der eigenen Sichtweise heraus. Es ist nur eine Momentaufnahme und abhängig von Zeit und Stimmung. Hier ist es wichtig, Gedanken als vorübergehendes mentales Ereignis zu betrachten und damit Distanz zu schaffen. Andrea Emig verstand es, den Teilnehmerinnen Fähigkeiten zum Umgang mit Dauergrübeln zu vermitteln, indem sie Wege zu mehr Selbstreflexion, zum Perspektivenwechsel und zu emotionaler Entlastung aufzeigte.

Margrit Kehl – LW 2/2017