Zunehmende Unzufriedenheit über Erlössituation

Vermehrer brauchen höhere Vergütungen

Auf seiner Jahresmitgliederversammlung hat sich der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger intensiv mit der wirtschaftlichen Situation der Vermehrer in Deutschland befasst. Aktuelle Berechnungen machen nach Angaben des Verbandes deutlich, dass bei der gegenwärtigen Vergütungs-Situation oft nicht einmal die Kosten für die zusätzlichen Investitionen, Arbeitsgänge, Zertifizierungen und Dokumentationspflichten in der Saatguterzeugung abgedeckt sind.

An Vermehrungsflächen werden hohe Anforderungen gestellt

Foto: landpixel

Die Jahresmitgliederversammlung des Bundesverbandes Deutscher Saatguterzeuger (BDS) fand in diesem Jahr Ende Mai auf Einladung des Saatbauverbandes Thüringen im Heilbad Heiligenstadt statt. Zentrales Thema des internen Teils der Mitgliederversammlung 2013 war eine Auseinandersetzung mit der wirtschaftlichen Situation insbesondere der Getreidevermehrer in Deutschland.

Engpässe bei Vermehrungsflächen befürchtet

Zunehmende Unzufriedenheit unter den Vermehrern, die ihren zusätzlichen Aufwand für die Saatgut-Erzeugung nicht mehr angemessen entlohnt sehen, haben die Delegierten aus allen Bundesländern veranlasst, deutlich höhere Vergütungen für die Vermehrungsleistung zu fordern. Regional werden Engpässe bei der Bereitstellung von Vermehrungsflächen befürchtet, so der BDS in einer Pressemitteilung. Er wendet sich deshalb an alle Saatgutvermehrer in Deutschland, um ihnen über Kalkulationshilfen eine Möglichkeit zur Abschätzung ihrer eigenen Kostensituation zu bieten. Hiermit sollen sie gestärkt in die individuellen Verhandlungen über die Vermehrer-Vergütungen mit ihren VO-Firmen gehen können.

Ein Rückblick auf die Entwicklung der Vergütungen für die Vermehrer von Getreidesaatgut zeigt, dass für die landwirtschaftlichen Aufbereiter von fertiger Saatware seit 20 Jahren völliger Stillstand herrscht und auch diejenigen Saatguterzeuger, die ihre Rohware zur Aufbereitung an eine VO-Firma abliefern, haben in dieser Zeit nur geringfügige Steigerungen für die Entlohnung ihres Aufwandes erhalten. Im gleichen Zeitraum haben sich die Kosten für das Basissaatgut nahezu verdoppelt, und die Züchterlizenzen sind stetig angestiegen.

Basissaatgut-Preis verdoppelt, Vermehrer gehen leer aus

Grundsätzlich erfordere die Saatguterzeugung einen überdurchschnittlich engagierten Ackerbau. Zwingend vorgeschriebene Anbaupausen dienten der Sortenreinheit, oft seien auch arbeitsaufwändige Bestandsbereinigungen erforderlich, ein exaktes Management der Unkrautbekämpfung schütze vor Besatz mit fremden Arten, schonender Mähdrusch und behutsame Trocknung erhielten die Keimfähigkeit des Saatgutes. So sei schon die Saatgut-Rohwarenerzeugung mit deutlich höheren Kosten belastet als die Erzeugung von Konsumware.

„Der selbstaufbereitende Vermehrer ist zudem mit dem Absatzrisiko belastet. Weil er hochwertige fertige Saatware anbieten will, muss er sich den immer höheren Qualitätsanforderungen durch zusätzliche Investitionen in seine Aufbereitungs- und Beizanlagen stellen“, so der BDS. Sehr unterschiedlich nach Leistungsfähigkeit und Durchsatz der technischen Anlagen seien die Arbeitserledigungskosten, entsprechend differenziert die Stückkosten. Hinzu kämen Aufwendungen für geforderte Zertifizierungen, und der Zeitaufwand für die vorgeschriebenen Dokumentationen nehme ständig zu.

Vermehrervergütungen oft nicht mehr kostendeckend

Der BDS-Vorsitzende Dr. Gerhard Schilling, Monsheim/Rheinland-Pfalz, zeigte sich vor diesem Hintergrund überzeugt, dass die seit Jahren unveränderten Vergütungen für Vermehrungs-Betriebe in sehr vielen Fällen nicht mehr kostendeckend sind. Über die Landesver­bände soll den Saatgutvermehrern in Deutschland deshalb eine Kalkulati­onshilfe zur Abschätzung ihrer betriebsindividuellen Kostensituation an die Hand gegeben werden, um sie für ihre Verhandlungen über die Vermehrer-Vergütungen mit ihren VO-Firmen zu stärken. Es wird dringend empfohlen, diese Verhandlungen vor der Anlage neuer Vermehrungen zu führen.

Vermehrern, die ihr produziertes Saatgut selbst aufbereiten, rät der Bundesverbandes der Saatguterzeuger, mit den VO-Firmen Kontrakte über abzuliefernde Saatgutmengen abzuschließen; damit würde dem Vermehrer das Absatzrisiko abgenommen. Auf der anderen Seite wäre die VO-Firma davor geschützt, bei sehr günstiger Saatgutausbeute unerwartet große Saatgutmengen im Markt platzieren zu müssen. Für beide Seiten werde die Saatguterzeugung somit besser kalkulierbar. Nach der Ernte könne bei erzeugten Übermengen einvernehmlich geprüft werden, ob deren Vermarktung als Saatgut noch gelingen kann.

Technischer Fortschritt zwingt zu Investitionen

„Der allgemeine Strukturwandel in der Landwirtschaft macht natürlich auch vor der Saatguterzeugung nicht halt. Es ist ein deutlicher Trend in Richtung Rohwarenerzeugung festzustellen. Für den selbst aufbereitenden Vermehrer stellt sich deshalb die Frage, ob er mit laufender Instandhaltung und Modernisierung seiner Anlage den immer deutlicher geforderten Qualitätsansprüchen an das Z-Saatgut gewachsen bleiben will, oder ob er sich dafür entscheidet, diesen Betriebszweig auslaufen zu lassen“, heißt es in der Pressemeldung weiter.

Sehr oft gelinge es erfahrenen Saatgut-Selbstaufbereitern, auch mit solchen Anlagen, die nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik sind, herausragende Saatgutqualitäten zu produzieren. Bezüglich der zukünftigen Anforderungen an die Beizqualität werde aber ein Schritthalten mit dem geforderten Stand der Technik ohne Investitionen und ohne spezielle Zertifizierungen nicht mehr lange möglich sein.

Die Zusammenstellung in Tabelle 1 vermittelt einen Überblick über die zusätzlichen Aufwendungen der Vermehrung gegenüber dem Anbau von Konsumware derselben Art. Die Aufteilung in fixe und variable Kosten, sowie Kosten der Arbeitserledigung macht deutlich, welche Investitionen, Betriebs- und Lohnkosten letztlich die Stückkosten je erzeugter Einheit Saatware beeinflussen.

Dr. Schilling verdeutlichte anhand einer Modellrechnung, wie eine Kalkulation der Vermehrungskosten für den eigenen Betrieb aufgebaut werden kann. Wenn beispielsweise ein Ertrag von 70 dt/ha aspirierter Rohware und eine Größe des Vermehrungsvorhabens von 20 ha unterstellt wird, und wenn eine Marge für den Vermehrer von 0,50 Euro/dt Saatgut erwartet wird, ergibt sich, dass die Rohwarenproduktion mit 3 Euro je/dt abgelieferter Rohware vergütet werden müsste. Kommt eine Zwischenlagerung durch den Vermehrer zur Anwendung, müssten durch den zusätzlichen Aufwand für Ein- und Auslagerung sowie Transport 4,50 Euro/dt an Vergütung gezahlt werden. Für die Erzeugung fertiger, loser, gebeizter Saatware sollte die Vermehrer-Vergütung mindestens 10,50 Euro/dt betragen. „Diese Vergütung bezieht sich nur auf die vom Vermehrer erbrachten Leistungen, sie beinhaltet nicht die Kosten für das Beizmittel und für Verpackungsmaterial“ so der BDS-Vorsitzende.

Landesverbände helfen, spezifische Kosten zu ermitteln

Den Landesverbänden der Saatguterzeuger liegt das komplette Berechnungsmodell für die Kosten der Saatguterzeugung vor. Sie können helfen, unter Zugrundelegung des betriebsindividuellen Ertragsniveaus und der durchschnittlichen Vermehrungsflächengröße die spezifischen Kosten des eigenen Betriebes zu ermitteln.

Weiterhin empfiehlt der BDS für die Grundpreisfindung der betreffenden Getreideart die bewährte Ableitung von den Matif-Kursen, wie sie die Saatbauverbände in den vergangenen Jahren vermittelt haben, auch in Zukunft als Grundlage der individuellen Verhandlung mit der VO-Firma anzuwenden.

BDS/LW – LW 25/2013