Mit 75 Kühen ebenso gut, wie mit 120 Kühen im Stall

Rindertag in Frankenberg gibt Tipps zur Betriebswirtschaft

Als Trendsetter für fachliche Informationen über die Rinderhaltung hat sich der Rindertag Waldeck-Frankenberg fest etabliert und in Nordhessen und darüber hinaus in der landwirtschaftlichen Fachwelt einen Namen gemacht. Die zwölfte Auflage dieser Veranstaltung fand vorige Woche in Frankenberg-Geismar und Frankenberg-Dörnholzhausen statt.

Ein Betrieb mit 120 Kühen bringt im Vergleich zum leistungsstarken 75-Kuh-Betrieb nur mehr Gewinn, wenn er zum oberen Viertel gehört.

Foto: K.-H. Burkhardt

LLH-Direktor Andreas Sandhäger eröffnet den Rindertag, zu dem über 200 Landwirte kamen und der vom LLH gemeinsam mit dem Landkreis, den Kreisbauernverbänden Frankenberg und Waldeck, dem Rinderzuchtverband und Verein landwirtschaftlicher Fachschulabsolventen getragen wird.

Erst gut werden, dann wachsen

Hans-Udo von Wilpert vom Beratungsnetzwerk Milch Baden-Württemberg Nord sprach zum Veranstaltungsthema: „Erst gut werden, dann wachsen.“ Nach einem Ãœberblick zur Milcherzeugung in Deutschland und ihre regionale Bindung an die Grünlandregionen, leitete von Wilpert an Regionalauswertungen von betriebswirtschaftlichen Ergebnissen ab, dass die Kosten und Erlöse in der Milcherzeugung weniger von der Größe des Milchviehbestandes als vom produktionstechnischen und kaufmännischen Können des Betriebsleiters abhängen. So stellte von Wilpert fest, dass ein Vergleich niedersächsischer Milch­viehbetriebe mit durchschnittlich 120 Kühen mit Betrieben seines Beratungsbezirks Ostalbkreis mit durchschnittlich 75 Kühen im Mittel sowohl bei den 25 Prozent Besten, als auch im Durchschnitt und dem weniger erfolgreichem unteren Viertel ähnliche Ergebnisse liefern. Der Kommentar des Betriebswirts: „Der größere Betrieb mit 120 Kühen bietet im Vergleich zum 75-Kuh-Betrieb eigentlich keine ökonomischen Vorteile, wichtiger ist es, zum oberen Viertel der Betriebe zu gehören.“ Dieses Ziel sei umso wichtiger, als künftig davon auszugehen sei, dass sich die Politik aus Preis­stützung und Mengensteuerung weiter zurückziehen werde, die Milchpreisschwankungen größer werden und nicht die Betriebsgröße, sondern die Kosten pro kg Milch entscheidend sei.

Dennoch sein weiteres Betriebswachstum zur langfristigen Einkommenssicherung wichtig, gleichzeitig aufgrund sozialer, arbeitswirtschaftlicher und finanzieller Gründe zunehmend schwieriger zu realisieren. Somit werde die Betriebsanalyse und das Finanzmanagement erheblich bedeutsamer. Eine Produktionsausweitung sei nicht zu empfehlen, wenn die jährlichen Kraftfutterkosten 1 100 Euro pro Kuh erreichen. Auch ein zehnjähriger Stillstand sei nicht unbedingt ein Rückschritt, wenn in der Zeit Schulden getilgt und Eigenkapital aufgebaut werde.

Betriebliche Strategie erläutert

Und die richtige Strategie für den zukunftsfähigen Milchviehbetrieb? Bei einem notwendigen Gewinn von 60 000 bis 80 000 Euro pro Jahr könne dieser sowohl von 75 Kühen bei 1 100 Euro Gewinnbeitrag pro Kuh als auch von 114 Kühen bei einem Gewinnbeitrag von lediglich 700 Euro pro Kuh erzielt werden. Es müsse auch beachtet werden, dass eine Erhöhung der Kuhzahl neben den erforderli­chen Investitionen auch mehr Arbeit und mehr Risiko bedeute. Sollten zusätzliche Arbeitskräfte notwendig werden, könne dies abhängig von den zusätzlichen Lohnkosten den Gewinn völlig in Frage stellen.

Aus Sicht des Redners müsse der Betrieb vor weiteren Wachstumsschritten so gut sein, dass er die Kosten- und Erlöspotenziale so im Griff hat, um zum erfolgreichen (oberen) Viertel der Betriebe zu gehören. Dazu sei erforderlich, dass der Betriebsleiter die Leistungskraft seines Unternehmens realistisch einschätzen könne und in der Lage sei, aus seinen Buchführungsergebnissen Schwachstellen zeitnah aufzuspüren und abzustellen. An der Stelle, die für ihn die Schlüsselqualifikation für den erfolgrei­chen Landwirt ausmacht, liege bei der Mehrheit der landwirtschaftlichen Unternehmen noch erheblicher Nachholbedarf. Hier entscheide sich auch, ob der Unternehmer eher ein Manager oder Malocher sei. Neben Leistung und Betriebserfolg müsse auch genügend Raum für Familie, Freunde und soziale Kontakte sowie Lebenssinn, Kultur und Hobby bleiben. Häufig sei auch die Betriebsnachfolge gefährdet, wenn trotz positiver Betriebsergebnisse das Leben nur noch aus Arbeit bestehe.

Buchführungsergebnisse

Von Wilpert macht anhand von Ergebnissen aus Testbuchführungen Baden-Württembergischer Betriebe deutlich, wie sich wichtige Einflussfaktoren auf das wirtschaftliche Ergebnis der Milchproduktion auswirken. Am Beispiel eines 60-Kuhbetriebs wieß er nach, das produktionstechnische Verbesserungen wie die verbesserte Milchleistung durch höhere Grundfutteraufnahme (7 000 plus 500 kg), die verringerte Zwischenkalbezeit (410, minus 21 Tage), eine verringerte Bestandsergänzung (35 Prozent minus 10 Prozent) und eine Verringerung des Erstkalbealters (29 minus 2 Monate) das Betriebsergebnis um 300 Euro/Kuh verbessern können. Bezogen auf den Beispielsbetrieb sind dies 17 400 Euro/Jahr oder 4 bis 5 Cent pro kg Milch. Eine nachhaltig erfolgreiche Milcherzeugung im Familienbetrieb sollte nach Angaben des Referenten einen Gewinn von 10 bis 12 Cent/kg Milch erzielen. Nach einer Zukunftsinvestition wie einem Stallbau sollte das langfristig finanzierte Fremdkapital weniger als 50 Cent/kg Milch betragen und die Arbeitsproduktivität bei mehr als 200 kg Milch/Akh beziehungsweise unter 40 Akh/Kuh inklusive Jungvieh liegen. Die Vollkosten pro kg Milch sollten bei 8 Cent Nebenerlösen einschließlich aller Prämien 42 Cent/kg nicht übersteigen. Diese Daten sind durch eine regel­mäßige Betriebszweigauswertung zu erhalten, die ein unbe­dingtes Muss erfolgreicher Milchviehhaltung darstellt.

Kraftfuttereffizienz und Lohn

Als weitere wichtige Kennziffern für „gute“ Milchviehbetrie­be nennt von Wilpert eine Kraftfuttereffizienz von weniger als 260 g pro kg Milch, eine Grundfutterleistung von mehr als 4 000 kg Milch und eine Remontierungsrate, die unter 25 Prozent liegen soll. Als „guter“ Betrieb kann dann auch ein „größer werden“ angepeilt werden.

Bei Investitionen müssen nach von Wilpert folgende Eckpunkte erreicht werden. Ein moderater Milchpreis von 32 Cent (brutto) im Ziel ist realistisch. Allerdings sollten die Kalkulationen auch einen Stresstest mit 26 Cent/kg Milch verkraften. Alle Kalkulationsdaten müssen auf Ergebnisse der eigenen Buchführung zurück zu führen sein. Deckungsbeitragssteigerungen im Ziel sollten nur mit realistischer Begründung berücksichtigt werden.

Dazu zählen auch realistische Arbeitszeitkalkulationen und Lohnkosten für Mitarbeiter. Bei der Investitionsmaßnahme sollte ein Eigenkapitalanteil von über 20 Prozent vorhanden sein. Bei der Fremdkapitalbeschaffung sind mit dem Kreditgeber die Möglichkeit von Sondertilgun­gen zu vereinbaren. Möglichst bald nach Fertigstellung des Stalles muss die Produktion auf das Zielniveau gebracht werden und nach drei bis fünf Jahren sollte eine Jahressumme der AfA auf dem Festgeldkonto liegen um auch nach dem Wachsen „gut“ zu bleiben.

Milchviehstarke Region

Veranstalter und Referenten des Waldeck-Frankenberger Rindertags v.l.: Arndt Schäfers, LLH Korbach; Gastreferent Udo von Wilpert, Baden-Württemberg; Christoph Rohde, LLH Korbach; Thomas Bonsels, LLH Kassel; Axel Friese, Fachbereichs­leiter Landwirtschaft beim Landkreis Waldeck-Frankenberg; Ute Ermentraudt, LLH Korbach; LLH-Direktor Andreas Sandhäger.

Foto: Ernst-August Hildebrandt

Christoph Rohde von der LLH-Beratungsstelle Korbach zeigte im Anschluss zum Thema „Wirtschaftlichkeit, Liquidität und Co, wo geht die Reise hin?“ mit Hilfe von Buchführungsauswertungen in die die Daten der Hälfte aller Betriebe in Waldeck-Frankenberg eingingen, die ökonomische Situation der Landwirtschaft auf. Bedingt durch die geologische Ausgangslage, Topografie und klimatische Bedingun­gen ist die Landwirtschaft durch einen relativ hohen Grünlandanteil und starke Rinderhaltung geprägt. Bei der wirtschaftlichen Situa­tion sieht Rohde im Mittel der Betriebe in den letzten fünf Jahren überwiegend stabile Bedingungen bei der Kapitalausstat­tung und ein günstiges Verhält­nis von Eigenkapital, Vermögen und Fremdkapital. Zur Besorgnis geben allerdings Ergebnisse aus Wirtschaftlichkeitsanalysen Anlass, die bis auf die guten Ergebnisse im Wirtschaftsjahr 2007/08 vor allem ein Schwund an Liquidität zeigen und in den letzten Jahren gleiche Höhen beim betriebli­chen Gewinn und den erhalte­nen Beihilfen aufweisen. Die Haushaltssituation und das Konsumverhalten der landwirtschaftlichen Familien im Vergleich zur übrigen Bevölkerung in Waldeck-Frankenberg zeige, dass das obere Viertel über eine bessere Finanzausstattung als der Durchschnitt aller Haushalte verfügt und sich dies auch im Konsumverhalten widerspiegelt. Im Mittel der landwirtschaftli­chen Haus­halte verfügen die Familien jedoch über eine geringere Mittelausstattung, die für Konsumzwecke verwendbar ist. Im fünfjährigen Trend gleichen sich die Konsumausgaben dem Durch-schnittshaushalt an, während beim unteren Viertel ein deutli­cher Abfall des konsumfähigen Einkommens bei den landwirtschaftlichen Betrieben zu erkennen ist, die nur knapp die Hälfte des Durchschnitteinkommens erreichen. Für ihn ist eine Situationsverbesserung nur dann in Sicht, wenn es den Betrieben gelingt, die eigene Situation rea­listisch zu sehen, ihre Stärken und Schwächen zu erkennen und daraus eine Strategie für künftige Entwicklungen abgeleitet wird.

Milch-Arbeitskreise ausgewertet

Thomas Bonsels von der LLH Fachinformation Tierproduktion erläuterte anhand von Ergebnissen aus Arbeitskreisauswertungen wichtige Differenzen zwischen dem oberen und unteren Viertel der betreuten Betriebe. Umgelegt auf die durchschnittliche Bestandsgröße dieser Arbeitskreisbetriebe von 100 Milchkühen stellt er eine Differenz durch höhere Leistungen, geringeren Betriebsmitteleinsatz und Verbesserung weiterer Produktionsfaktoren von 42 503 Euro zugunsten der Betriebe im oberen Viertel fest.

Für die weniger erfolgreichen Betriebe stellt sich so die Frage, wie statt einer Bestandserhöhung die Potenziale verbessert werden können.

Verhältnis Grobfutter/Saftfutter

Mit dem Einfluss der Grobfutterleistung auf den Kraftfuttereinsatz verdeutlichte er an einem Beispiel, wie durch Verbessern des Verhältnisses von Grobfutter, Saftfutter und Kraftfutter beim oberen Viertel der Arbeitskreisbetriebe die durchschnittliche Milchleistung um gut 1000 kg erhöht und der Kraftfutterverbrauch gleichzeitig um 6 dt/Kuh und Jahr verringert werden konnte. Dadurch wurde im 100 -Kuh-Betrieb der Gewinn um 45 000 Euro erhöht. Hieraus resultierte auch eine Beeinflussung der direktkostenfreien Leistungen, die von 88 Euro/Kuh (bei einer Grobfutterleistung von 1 592 Liter) bis 1 161 Euro/Kuh (bei einer Grobfutterleistung von 4 646 Liter) gesteigert werden konnte.

Die Landwirte Heinz Dersch und Hartmut Ochse aus Frankenberg-Dörnholzhausen stellten ihre Betriebe vor, auf denen außerdem Führungen für die Veranstaltungsgäste stattfanden. Ein weiterer Höhepunkt war die Auszeichnung der Kuh Sena auf Betrieb Hartmut Ochse, die in ihrer achten Laktation die 100 000 kg-Marke überschritten hat (siehe Seite 46). Die Auszeichnung und Ãœberreichung der Urkunde wurde von LLH-Rinderzuchtberaterin Ute Ermentraudt vorgenommen, die den erfolgreichen Züchter auch zu vier weiteren 100 000-Liter -Kühen gratulierte, welche diese Leistung im Frühjahr und Sommer dieses Jahres erzielt hatten.

Zwei weitere Rekordkühe wird der Betrieb voraussichtlich im Frühjahr 2012 vermelden können. Hartmut Ochse sieht die Basis für derartige Erfolge und Leistungen in der Tatsache, dass die ganze Familie mit Begeisterung an einem Strang ziehe und seine Ehefrau Susanne und Sohn Björn ihn bei der Betreuung der 100 Tiere umfassenden Milchviehherde plus Nachzucht unterstütze und zum reibungslosen Ablauf der innerbetrieblichen Arbeiten beitragen. Weil der 14-jährige Björn Ochse schon heute den festen Willen hat, später einmal die Betriebsleitung zu übernehmen, sei für das kommende Jahr ein weiterer Boxenlaufstall mit 120 Liegeplätzen, Strohbox und zwei weiteren Melkrobotern geplant.

Dr. Hildebrandt, LLH Kassel