Der Anbauumfang ist nochmals gesunken
Braugerstenanbauer tagten in Emmelshausen
Die Braugerste benötigt vergleichsweise wenig Stickstoff und kann auch deshalb ein Baustein zur Erfüllung von Vorgaben sein, die im Zuge der neuen Düngeverordnung den Einsatz N-haltiger Düngemittel weiter reglementieren. Mit diesem und weiteren Beispielen zu den Vorzügen des Bierrohstoffes machten die Referenten am Braugerstentag der Fördergemeinschaft Braugerste Rheinland-Pfalz Werbung für die „Gesundungsfrucht“, deren Anbauumfang im Land weiter rückläufig ist. Vertreter der Fördergemeinschaft, des Ministeriums und der Kammer ehrten die Sieger des Braugerstenwettbewerbes.

Foto: Becker
16,5 Prozent weniger Fläche in Rheinland-Pfalz
Zum Anbauumfang sagte Stettner, dass bundesweit rund 340 000 ha Braugerste angebaut werden, in Rheinland-Pfalz seien es 35 000, das sind 8,5 Prozent der Ackerflächen im Bundesland. Insgesamt sei in Deutschland der Anbau um 8 Prozent, in Rheinland-Pfalz sogar um 16,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr abgesunken. Gutes Wetter zur Aussaat der Winterungen im Herbst 2015 und der vermehrte Anbau von Leguminosen seien Gründe dafür. Die Braugerstenerzeuger in Rheinland-Pfalz hätten in der abgelaufenen Saison 174 000 t und damit im Schnitt 50 dt/ ha eingefahren, das sind rund 10 Prozent weniger als im Vorjahr. Qualitätsmäßig liege die Ernte mit 10,5 Prozent Protein und 90,5 Prozent Vollgerstenanteil im mittleren Bereich. Der Verbands-Vize rief dazu auf, vor allem die empfohlenen Sorten anzubauen. Sagte aber auch: „Die Erzeuger halten sich nicht sklavisch an die Empfehlungen und legen immer wieder auch eigene Praxisversuche an. Davon können alle Beteiligten profitieren.“ Am Ende müsse der Landwirt die Sortenentscheidung treffen.
Fragen zur Nachhaltigkeit von Importware
Staatssekretär Andy Becht warnte auch insofern vor einem weiteren Rückgang der heimischen Anbaufläche, dass Importware oft deutlich höher mit Pflanzenschutzmittelrückständen belastet sei. Gerade die Funde von Glyphosat im Bier der jüngsten Vergangenheit dürften auf diesen Umstand zurückzuführen sein. Er wies auf die Vorteile der Sommergerstenerzeugung für den Ackerbau hin: „Die Braugerste braucht wenig Stickstoff und kann so innerhalb der Fruchtfolge die N-Bilanzen verbessern; das ist auch im Hinblick auf die neue Düngeverordnung ein nicht zu vernachlässigender Aspekt“, so Becht. Außerdem sei auch der notwendige Pflanzenschutzmitteleinsatz relativ gering und die Nutzung der Sommerform ein weiterer Punkt, der die Braugerste zu einer „Gesundungsfrucht“ mache.
Positives Image durch die Nutzung sozialer Netzwerke
Walter König, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Braugersten-Gemeinschaften e.V., warf die Frage auf, wie man die Anliegen der landwirtschaftlichen Erzeuger besser in der Öffentlichkeit darstellen und die immer wieder erfolgenden Angriffe von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) erfolgreicher abwehren kann. „Zum 500. Jubiläum des Reinheitsgebotes bieten sich Chancen, durch eine aktiv gestaltete positive Berichterstattung das Image der Landwirtschaft zu verbessern.“ Dieses sei durch die fragwürdigen Kampagnen selbsternannter Verbraucherschützer immer wieder beschädigt worden; zuletzt durch die völlig überzogenen Berichte zu Glyphosatrückständen im Bier. „Moderne Analyseverfahren machen es heute möglich, quasi jeden Stoff überall in Spuren nachzuweisen. In anschaulichen Größenordnungen dargestellt hieße das zum Beipiel, ein Roggenkorn in einem 20 000 km langen Güterzug voller Weizen zu finden“, machte er deutlich. Als eine Möglichkeit sehe er, schon im Vorfeld von möglichen Skandalisierungs-Aktionen ein Produkt wie das Bier als fest in der Bevölkerung verankertes Kulturgut darzustellen – das mache Angriffe darauf deutlich schwerer. Zu solch einer Strategie gehöre eine gut funktionierende Wissensvermittlung, beispielsweise durch bewegte Bilder direkt vom Mähdrescher in sozialen Netzwerken. Denn: „nur was ich kenne, kann ich auch wertschätzen. Eine Veranstaltung wie die heutige Prämierung gehört natürlich auch in diesen Kontext“, so König.
Foto: Becker
Züchtung erhöht auch die Umweltverträglichkeit
Ebenfalls ein Jubiläum gab Dr. Markus Herz von der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft Anlass, über die Züchtungserfolge, auch in der Braugerste, zu sprechen. „Vor 150 Jahren hat Gregor Mendel seine Gesetze zur Vererbung veröffentlicht. Diese gelten heute noch, aber wir haben auch weitere Möglichkeiten über diese klassische Züchtung hinaus, vor allem den Zeitrahmen für Innovationen zu verringern. So sei es heute stand der Technik, beispielsweise durch die Nutzung von Antheren- und Microsporenkulturen innerhalb einer (anstatt fünf) Generation reinerbige Pflanzen für die Entwicklung neuer Hybridsorten zu erhalten. Ebenso verkürzten molekulare Marker oder die automatisierte Phänotypisierung die Entwicklungszeiten neuer Sorten erheblich. „Der Ertragsfortschritt bei der Gerste ist da, fällt aber bei der Braugerste wegen der sehr hohen Qualitätsanforderungen geringer als bei anderen Getreidesorten aus“, stellte Dr. Herz fest. Seit 1981 habe er bei Braugerste nicht nur einen deutlichen Ertragszuwachs, sondern auch eine beachtliche Verbesserung der Nährstoffeffizienz festgestellt.
Weitere Konzentration führt zu Chancen in der Nische
Michael Fleischer von der RWZ Köln analysierte die globalen Märkte für Agrarprodukte mit besonderem Augenmerk auf die Braugerste. Er zeigte zunächst, wie viele Faktoren neben Angebot und Nachfrage auf die Preisbildung einwirken, und das durch die globale Vernetzung Preisschwankungen immer kurzfristiger erfolgen. Zwar habe es weltweit einige Rekordernten in Folge gegeben, aber aufgrund der weiter wachsenden Bevölkerung vor allem in Asien und Afrika könne schon ein einziger Einbruch bei den Erntemengen schnell die Preise hochtreiben. Zur Braugerste bemerkte er, dass „die Preissituation seit Juni relativ ruhig und komfortabel ist“. Das werde voraussichtlich bis März so bleiben, dann aber dürfte die Volatilität zunehmen. Vor allem dänische und britische Ware werde auf den Markt drängen, erstere wegen einer qualitativ guten Ernte, letztere wegen des gesunkenen Kurses für das britische Pfund. Da in Deutschland mit weiterhin sinkenden Anbauflächen zu rechnen sei, empfahl Fleischer, noch freie Flächen im Frühjahr mit Braugerste zu bestellen. „Hinsichtlich der starken Konzentrationensprozesse bei den Brauereien und den Mälzern bieten sich heute vermehrt Chancen in der Nische“, sagte der Marktexperte. Diese gelte es vor dem Hintergrund des Trends zur Regionalität zu nutzen.
Hohe Leistungsdichte in den Landesversuchen
Ferdinand Hoffmann vom DLR in Bad Kreuznach stellte die aktuellen LSV-Ergebnisse vor. „Die heutigen Sorten sind alle top; wir diskutieren hier über minimale Unterschiede“, schickte er seinen Ausführungen voraus. Den größten Einfluss auf den Ertrag hätten folglich mit rund 80 Prozent Umwelteinflüsse wie Witterung, Krankheitsgeschehen und Bodeneigenschaften. Wie Hoffmann erläuterte, sind im sehr kleinen Sortiment von sieben Sorten drei Verrechnungssorten (VRS) enthalten, die mit 62,7 dt/ha sehr hohe Erträge und damit sehr hohe Vergleichswerte (=100 %) für die Relativ-Erträge setzten. Deutlich am besten Schnitt die VRS-Sorte Planet ab, die aber nicht empfohlen wird; hier war es in den Brau-Versuchen im Rahmen des Berliner Programms vereinzelt zu unerklärlichen Problemen bei der Läuterung gekommen. Von den empfohlenen Sorten liegt Avalon deutlich vorne; in den Höhenlagen wird zusätzlich Catamaran empfohlen, obwohl auch hier Avalon noch immmer leicht die Nase vorn hat. „Man sollte aber keinesfalls nur auf eine Sorte setzen, denn das beinhaltet immer auch ein gewisses Risiko“, machte Hoffmann deutlich.
KB – LW 49/2016