Viele Anlagen sind in die Jahre gekommen
Praxistag Reinigen und Sanieren von Biogasanlagen
Der Ausbau der Bioenergie stockt, aber für viele Anlagen steht jetzt und in naher Zukunft eine grundlegende Sanierung beziehungsweise Reinigung bevor. Diese teils nur mit schwerem Spezialgerät auszuführende Arbeit muss durch fachkundige Firmen vorgenommen werden; dennoch hat der Betreiber einiges zu beachten, um im Falle eines Falles auf der sicheren Seite zu sein. Der LLH hat im RahÂmen eines Praxistages seine eigene Anlage einer solchen Revision unterzogen und einen mustergültigen Ablauf anhand von Vorträgen und am Objekt für interessierte Biogas-Bauern dargestellt.
Klaus Wagner, Leiter der „Fachinformation Biorohstoffnutzung“ am Landesbetrieb Landwirtschaft (LLH), Eichhof, erläuterte einleitend die Bedeutung einer vorausschauenden Planung bei der Revision von Biogasanlagen. „Die meisten Unfälle passieren, wenn unvermittelt Schäden auftreten und dann unter Zeitdruck Reparaturen erfolgen müssen“, so der Experte. Explosion- und Personenschutz müssten immer absolute Priorität haben, denn die Arbeiten seien lebensgefährlich, wie immer wieder auftretende Unfälle zeigten.Achtung, Lebensgefahr!
Wie gefährlich das Arbeiten an Biogasanlagen ist, verdeutlichten Dirk Pachurka von der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse und Karlheinz Kappes, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), die über tödliche Unfälle und deren Vermeidung informierten. Dabei wurde deutlich, dass Anlagenbetreiber durch die Beauftragung einer externen Fachfirma nicht automatisch aus dem Schneider sind, wenn ein Unfall passiert. Als wichtigste Unfallursache machten die Referenten das verbleibende Substrat im Fermenter aus, der im Regelfall nicht komplett entleert werden kann und dann von Hand beziehungsweise mit kleinen Radladern und beispielsweise Saugbaggern gereinigt werden muss. Dabei könne weiterhin Biogas entstehen und sich ein explosives Gemisch aufbauen. Die Möglichkeiten, dieses zu entzünden, seien beim Arbeiten im Fermenter vielfältig. Daher müsse immer bei offenem Dach und aktiver Belüftung gearbeitet werden. Wegen Vergiftungs- und Erstickungsgefahr müsse außerdem Atemschutz und ein Gaswarngerät getragen werden. Pachurka und Kappes betonten: „Das gefährliche Arbeitsverfahren darf nur von einem erfahrenen Fachunternehmen durchgeführt werden.“
Wer haftet bei Unfällen?
Das Prinzip der Haftungsablösung bei Arbeitsunfällen überträgt den Haftungsanspruch eines Beschäftigten nach BGB grundsätzlich an die Berufsgenossenschaft beziehungsweise die SVLFG. Allerdings, so führte Dirk Pachurka aus, muss der beauftragende Biogasanlagen-Betreiber einigen Pflichten nachkommen, um nicht wegen Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz belangt zu werden. Diese Pflichten beginnen mit der Auswahl des geeigneten Dienstleisters, das heißt, der Auftraggeber muss sich von der Fachkenntnis der beauftragten Firmen überzeugen (Referenzen, Zertifizierungen). Danach hat eine Einweisung zu erfolgen, die über Explosionsschutz-Zonen, Schutzabstände beim Brandschutz, Rettungseinrichtungen und Absperrmaßnahmen informiert; dem ausführenden Unternehmen sind Explosionsschutzdokumente und das Brandschutzkonzept auszuhändigen.
Der Auftraggeber muss zahlreiche Pflichten erfüllen
Im Rahmen der verpflichtenden Zusammenarbeit muss außerdem im Vorfeld mit dem Dienstleister ein Schutzmaßnahmenkonzept erarbeitet und bei erhöhter gegenseitiger Gefährdung ein Koordinator bestellt werden. „All diese und weitere Pflichten sind unbedingt zu erfüllen und vor allem auch zu dokumentieren“, warnte Karlheinz Kappes. Auf der Internet-Seite des Fachverbandes Biogas gebe es zum Beispiel ein Einweisungsprotokoll zu Download (www.biogas.org –> Fachthemen –> Sicherheit –> Arbeitshilfen –> Einweisungsprotokoll). Auch unter www.svlfg.de seien Handlungshilfen als Download erhältlich (–> Prävention –> Fachinformationen von A bis Z unter „B“ Biogas auswählen).Der Zahn der Zeit nagt an Holz, Beton und Kunststoff
„Vor einem Betriebsausfall durch Verschleiß oder gar einen Unfall hat man jede Menge Zeit“, stellte Josef Ziegler klar. Der Experte der ARGE Biogas Safety First informierte über Schäden durch Korrosion und durch Biogaseinwirkung. Sowohl Holz als auch Beton würden während des Betriebes einer Biogasanlage starken Beanspruchungen ausgesetzt und müssten regelmäßig überprüft werden. Gasspeicherfolien seien zudem UV-Licht und Wind ausgesetzt, was deren Lebensdauer auf maximal 20 Jahre begrenze. „Holzkonstruktionen können schon nach wenigen Jahren deutliche Schäden aufweisen, beispielsweise durch Korrosion der Balkenbefestigungen oder mikrobiellen Holzabbau. Bevor solche Fermenter-Dächer betreten werden, sollten diese unbedingt testweise mit 200 kg pro Person belastet werden. Stellen Sie einfach mit dem Frontlader einen Bigbag oder ein Frontgewicht auf jeden zu begehenden Balken“, riet Ziegler.
Reinigung zum Rundumschlag nutzen
Der Beton sollte vor allem im Bereich der Mauerkrone am Ãœbergang zum Foliendach im Zuge einer Behälterreinigung überprüft werden. Hier können zum Beispiel die Auflagen für Balken brüchig werden und diese dann in den Behälter rutschen lassen – vor allem wenn die Balken sich aufgrund von zu geringer Dimensionierung durchgehängt und somit verkürzt haben. „Wenn das dann auch noch im Bereich des Rührwerkes passiert, sind teure Schäden und Ausfallzeiten vorprogrammiert.“ Bei der Reinigung der Anlage von Sedimenten und Schwefelablagerungen solle man gleich die Rührtechnik warten und eventuell schlecht zugängliche Absperrhähne, Spülanschlüsse und Absperrschieber nachrüsten. „Verschleißerscheinungen können auch Hinweise auf einen nicht optimalen Betrieb der Anlage geben, Lufteintritte fördern beispielsweise die Korrosion und Verkrustungen auf Heizelementen können auf eine zu hohe Vorlauftemperatur hinweisen“, erläuterte Ziegler.
„Man macht eine Blackbox auf“
Ãœber seine Erfahrungen aus 20 Jahren Biogasberatung bei rund 250 Anlagen berichtete Klaus Anduschus vom Maschinenring Kommunalservice in Kassel. Gründe für eine Revision seien festgestellte Schäden beziehungsweise Störungen aller Art oder Ablagerungen im Fermenter. Anduschus riet allerdings dazu, etwa alle sechs Jahre eine Revision vorzunehmen, um den ungehinderten Betrieb sicherzustellen. „Bevor Sie die Anlage öffnen, sind das Ausmaß der Schäden und der notwendige Arbeitsaufwand kaum abzusehen – man öffnet sozusagen eine Blackbox.“ Oft werde schon der Aufwand, den Behälter zu leeren, deutlich unterschätzt. „Wenn sie dann schon einen fixen Termin für die Fachfirma haben, kann die ganze Planung schnell über den Haufen geworfen werden.“ Er riet daher zur Bestellungvon Dienstleistungen und Material unter Vorbehalt und dazu, die Firmen noch einmal etwa eine Woche vor der Revision den Termin bestätigen zu lassen. Um den Aufwand einigermaßen eingrenzen zu können, sollte man vier Wochen vor dem eigentlichen Termin eine Gasleck-Untersuchung durchführen lassen. Der MR biete als Unterstützungsleistung einen Revisionsvertrag für pauschal 2 600 Euro an, der drei Vorort-Termine beinhalte – vor, während und nach der Behälteröffnung. Empfehlenswert sei außerdem, Ersatzmaterialien im Vorfeld bereitzustellen oder deren kurzfristigen Bezug zu klären (wo bekomme ich im Bedarfsfall was?). Außerdem sollte man etwa drei Wochen vor der Räumung die Zufuhr schwieriger Substrate wie Mist, Gras oder GPS einstellen und auf energiereiche Substrate umschwenken.
Firmenpräsentationen zur Revisionstechnik
Nach den Vorträgen stellten Reinigungs- und Sanierungsfirmen ihre Verfahrenstechnik vor, die später an der LLH-Anlage gezeigt werden sollten. Wie Hergen Holsten, Geschäftsführer der BE-SA-TEC, erklärte, setzt das Unternehmen bei der Sanierung von korrosionsgeschädigtem Beton rein silikatische Mörtel ein, die unabhängig von der Säurebelastung des Untergrunds eine sichere Verknüpfung mit dem Altbeton garantieren und drei Funktionen erfüllen: Korrosionsschutz des angegriffenen Betonstahls, Reprofilierung des Betonquerschnitts und säurebeständiger und abdichtender Betonschutz. Hans Hölzl von Hölzl Agrosystem stellte einen Saugbagger zur Restentleerung von Biogasfermentern vor. Der CAP GEO der Firma Cappellotto ist laut Hersteller ein leistungsstarkes Spezialgerät für den Aushub von schwerem Material in schwieÂrigen Arbeitsumfeldern. Das Drehkolbengebläse erreicht ein pneumatisches Vakuum von 65 Prozent bei einer maximalen Saugleistung von 17 000 m³/h. Das patentierte Entleerungssystem kann durch den hochfahrbaren Tank auf alle drei Seiten des Fahrzeugs mit einer Abladehöhe von über 2 m in Container entladen werden.
Carsten Marx stellte die Dienstleistungen der Firma „greentec“ vor, die als Biogas-Service-Partner herstellerunabhängige Serviceleistungen und Spezialkomponenten rund um die Biogas- und Biomethangewinnung anbietet. Im Rahmen des Praxistages stellte er die Handlungsempfehlung H-006 des Fachverbandes Biogas zur Ãœberprüfung von Holzdeckenkonstruktionen in Biogasbehältern vor. Diese sei zwar nicht verpflichtend, aber dringend empfohlen. Bei der Ãœberprüfung der Holzdeckenkonstruktionen sind alle Bestandteile auf ihren Zustand und ihre Tragfähigkeit zu untersuchen. Betreibern wird empfohlen, bei der täglichen Sichtprüfung durch die SchauÂgläser auch die Holzdeckenkonstruktion in Augenschein zu nehmen. Die Gesamtkosten von Revisionsmaßnahmen, wie sie am Eichhof vorgenommen wurden, schätzt Klaus Wagner auf rund 25 000 Euro.
KB – LW 39/2017