Wie geht es für die Betriebe nach der Milchquote weiter?

Agrarforum KBV Fulda-Hünfeld und VR-GenoBank Fulda

Die Milchquote, sie war immer umstritten. Sie sollte den Bauern ein auskömmliches Einkommen sichern. Doch den starken Strukturwandel konnte sie nicht mildern. In wenigen Tagen, nach 31 Jahren seit ihrer Einführung, endet am 31. März 2015 die Milchquotenregelung. „Wie geht es weiter nach der Milchquote?“ Das war das Thema eines Agrarforums des Kreisbauernverbandes Fulda-Hünfeld (KBV) mit der VR-Genossenschaftsbank Fulda in Margretenhaun.

Wie geht es für die Betriebe nach dem Ende der Milchquotenregelung ab April 2015 weiter? Wird der Strukturwandel noch stärker? Innerhalb der letzten 25 Jahre schlossen im Landkreis Fulda 80 Prozent der Milchviehbetriebe ihre Stalltüren. Wer Milcherzeuger bleiben wollte, musste rasant wachsen.

Foto: Karl-Heinz Burkhardt

Von rund 40 auf unter 30 Cent je Liter sind seit einem Jahr bis heute die Milchauszahlungspreise der Molkereien an ihre Lieferanten gefallen. Werden die Milchpreise ins Bodenlose fallen, wenn ohne Einschränkungen Milch produziert werden kann?

Betriebe müssen im Auf und Ab der Märkte fortbestehen

Nach fast zwei „guten Jahren“ erlebe die Landwirtschaft derzeit in fast allen Erzeugungsbereichen einen – insbesondere bei Milch, Ferkeln und Schweinen gravierenden – Preisverfall, teilte KBV-Geschäftsführer Dr. Hubert Beier mit. Die Forderung des Bauernverbandes an die Poli­tik bestehe darin, einen Risikoausgleich zu schaffen zwischen einkommensschwachen und – guten Jahren. Den Betrieben riet er, Rücklagen zu bilden und kommende Steuerforderungen der Finanzämter zu berücksichtigen. Ziel der Quoteneinführung bei Milch im Jahr 1984 sei gewesen, den Milchpreis stabil zu halten und Betrieben eine gewisse Einkommenssicherheit zu geben. Doch, der Strukturwandel konnte seiner Meinung nach nicht gestoppt werden.

Im Landkreis Fulda hätten in den letzten 25 Jahren 80 Prozent der Betriebe die Milchproduktion aufgegeben. Zuvor habe die Eu­ropäische Gemeinschaft die Mengen an Milch und Butter, die auf dem freien Markt nicht verkauft werden konnten, zum Garantiepreis aufgekaufte, wodurch es schließlich zu großen Ãœberschüssen und zu vollen Lagerbeständen gekommen sei. Um die Milchproduktion in den Mitgliedstaaten zu beschränken, diente als Grundlage für die Zuteilung der Milchreferenzmenge die Milchanlieferungsmenge des Milchwirtschaftsjahres 1983. Es folgte im Laufe der Jahre ein Quotenhandel, und es kam zu Superabgaben bei Ãœberlieferungen. Wichtig sei in den kommenden Jahren die „politische Agrarwende“ im Auge zu behalten. Nun habe sich die Partei der „Grünen“ mit ihren kritischen Einstellungen der Landwirtschaft zugewandt, um diese nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Andere Parteien würden hier vermutlich nachziehen.

Junglandwirte sollten sich stärker politisch einbringen

Das Verständnis der Bevölkerung für die Landwirtschaft sei nicht mehr so vorhanden, wie vor Jahren, weil es landwirtschaftliche Betrieb in vielen Dörfern so gut wie gar nicht mehr gebe.

„Das bedeutet, wir müssen mehr auf die Verbraucher zugehen“, unterstrich Dr. Beier. Vor allem jungen Landwirten hat er geraten, sich mit ihrem Sachverstand kommunalpolitisch zu beteiligen. Als weiteres Beispiel der Öffentlichkeitsarbeit nannte er die Serie „Unsere Landwirtschaft“, die in der Fuldaer Zeitung erscheint. Auch rief Beier Landwirte auf, auf den Naturschutz zuzugehen und die Artenvielfalt zu erhalten. „Naturschutz geht nicht ohne Landwirtschaft“, so seine Erklärung. Programme wie das „Rotmilanprojekt“ oder das „Life-Projekt Berggrünland“ seien hier gute Möglichkeiten, sich zu beteiligen. Man strebe an eine Sonderregion Fulda für „Ökolandbauoffensive“ zu werden, um Hilfe sowie Fördermöglichkeiten in Anspruch nehmen zu können. Der Landkreis sei mit 15 Prozent aller hessischen Betriebe und 10 Prozent der be­wirt­schafteten Fläche bereits größter Bio-Erzeuger in Hessen. Jedoch müssten hier, wie auch in anderen Bereichen, die hohen Bürokratieauflagen gemildert werden, wie oft seitens der Praxis gefordert werde.

Als Geldinstitut sehe man es als wichtig an, seine Kunden aus der Landwirtschaft über aktuelle Entwicklungen zu informieren, erklärte Vorstand Hubert Röbig. Über 40 Mio. Euro für Investitionen habe die Bank an die hiesige Landwirtschaft ausgeliehen. Auch berate ein zertifizierter Agrarfinanzierer des Hauses diese in ihren Geldangelegenheiten.

Waldeck und Fulda sind Milchregionen Hessens

4,3 Prozent aller Michviehhalter und nur 3,4 Prozent sämtlicher der in Deutschland eingestallten Milchkühe befinden sich in Hessen, führte Dipl.-Ing. agr. Sibylle Möcklinghoff-Wicke vom „Innovations-Team Milch Hessen“ aus. Drei Prozent der deutschen Milch komme aus dem hiesigen Bundesland.

Sie zeigte den Strukturwandel im Bereich Milchwirtschaft hin zu immer größeren Betrieben auf sowie im Zuge des Quotenhandels in der Vergangenheit ein Abwandern des mit 12 Prozent „weißen Goldes“ in norddeutsche Nachbarländer, obwohl Hessen über viel Grünland verfüge. Am geringsten Milch abgeflossen sei aus dem Waldeckischen sowie vor allem auch aus dem Landkreis Fulda an zweiter Stelle.

Die Verarbeitungsstruktur sei in Hessen noch annehmbar. Mit noch mehreren die Milch aufnehmende Molkereien biete sie den Erzeugern alternative Vermarktungsmöglichkeiten. Das Unternehmen Hochwald, das derzeit in Hünfeld ein neues Trockenmilchpulverwerk baue, sei wirtschaftlich gut aufgestellt. Möcklinghoff-Wicke geht von einer sich regional noch stärker verlagernden Milchproduktion in Deutschland und Konzentration auf Gunststandorte aus. Ebenfalls davon, dass die Politik auf die Marktentwicklung weiterhin Einfluss nehmen werde.

Die globale Erzeugung nimmt ihrer Ansicht nach jährlich um zwei Prozent zu. 70 Prozent des Wachstums entfalle auf Entwicklungsländer, davon allein die Hälfte auf China und Indien.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development, OECD) und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization of the United Nations, FAO) schätzen die Aussichten des globalen Milchmarktes positiv ein, wie sie sagte.

Schwankende Milchpreise und Erzeugungskosten

Nicht unberücksichtigt bleiben dürfe aber auch der Klimawandel. Die Welt, wo Landwirtschaft künftig betrieben werden könne, schrumpfe. Auch die Referentin rechnet in Zukunft mit stark schwankenden Milchpreisen, schwankenden Futterkosten, weniger Prämienzahlungen und größeren Auflagen für die Betrie­be, wodurch der Strukturwandel weitere Unterstützung erfahre. Wer in der Produktion bleibe, dessen Betrieb müsse in der Regel wachsen und zwar um jährlich ein bis drei Milchkühe. Viele Betriebe stünden diesbezüglich bereits in den Startlöchern.

Dabei seien Entscheidungen davon abhängig, wie es um die vorhandenen Agrarflächen stehe, wie man Arbeitskräfte bekomme (möglicherweise müsse man ihnen einen Deutsch-Sprachkurs ermöglichen) und wie man die Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber den landwirtschaftlichen Betrieben erhöhen könne.

Wie sieht es aus um den zu erzie­lenden erforderlichen Gewinn, um Rücklagen bilden zu können, sei ein weiterer Aspekt. Ein erfolgreiches Herdenmanagement bedeute zwischen 5 und 10 Cent je Liter mehr Gewinn. Wie die Zukunft in fernen Jahren in der Milchwirtschaft aussehen werde, vermochte sie nicht zu sagen, denn dann könnten Ställe ganz anders aussehen, gänzlich vollautomatisiert, Boxenlaufställe gehörten dann vielleicht der Vergangenheit an. Vor allem sollte man sich auf eines nicht verlassen, nämlich auf die Politik, unterstrich sie.

Steuerliche Aspekte für die Betriebe erläutert

Dörthe Bachmann, Leiterin der LBH Steuerberatungsstelle in Petersberg, befasste sich mit betriebsspezifischen Aspekten im Hinblick auf unterschiedliche Möglichkeiten anrechenbarer Milchquoten, ob sie aus der ursprünglichen Liefermenge oder aus zugekauften Quoten herrühren. Auch eine Milchkuh zähle als bewegliches Wirtschaftsgut. Beispielsweise könnten Investitionsabzüge für Zuchttiere vorweggenommen werden. Um sich auf schwankende Gewinne einzustellen, riet sie den Landwirten, auf Liquidität zu setzten und Reserven zu bilden. Hier war die Rede von zumindest Zwei-Monats-Milchgeld-Rücklagen.

Mechanismen der Marktabsicherung nutzen

Auf die Diesel- sowie Heizölpreise ging Reinhard Kirchner, von der RHV in Eichenzell-Wel­kers, ein. Er riet den Zuhörern Kontraktverträge für Diesel als Teilabsicherung abzuschließen. Das Blatt habe sich gewandelt, so könnte man die Ausführungen von Erhard Mörmel, Außenstellenleiter der Raiffeisen Waren GmbH Hessen-Thüringen für Osthessen, bezeichnen. Eine zuletzt weltweit große Erzeugung von Getreide und Ölfrüchten habe sinkende Preise hervorgerufen, die sich aber infolge politischer sowie durch Veränderungen bei den Wechselkursen stabilisierten. Exporte liefen derzeit so gut wie nie.

Jedoch befänden sich alle, die etwa Sojaschrot einkaufen müssten, auf der anderen Seite der Medaille. Für Backweizen gebe es im Moment 16 bis 17 Euro je dt, für Raps 32 bis 33 Euro je dt. Die Erzeugerpreise zur Ernte 2015 werden seiner Einschätzung nach etwas unter diesen Preisen liegen. Mörmel empfahl daher, das Preisrisiko mittels Teilverkäufen schon jetzt abzumildern.

Burkhardt  – LW 10/2015