Die Biobranche zeigt sich bester Laune

Rund 40 000 Fachbesucher kamen zur Biofach und Vivaness nach Nürnberg

Vergangene Woche fanden an vier Tagen die „BioFach“, die Weltleitmesse für Bioprodukte, und die Vivaness, die Leitmesse für Naturkosmetik und Wellness, auf dem Messegelände in Nürnberg statt. Rund 40 000 Fachbesucher aus 130 Ländern kontaktierten die 2 420 Aussteller. Die Veranstalter sprachen von einem gelungenen Jahresauftakt der globalen Bio­branche. Das LW hat mit Ausstellern auf der Biofach über ihre Angebotspalette gesprochen und sich nach Innovationen sowie Entwicklungen erkundigt.

„Wir arbeiten nach dem Motto: Wenn es keine kleinen Metzger mehr gibt, dann gibt es auch keine kleinen Bauern mehr. Wir schlachten und wurs­t­en selbst. Die Tiere kommen von kleinen Höfen aus der näheren Umgebung“, so Carsten Neumeier und Sandra Wolfram von der Landfleischerei Neumeier aus Hessisch Lichtenau-Walburg.

Immer mehr Verbraucher würden beim Einkauf auf Bioprodukte zurückgreifen – laut aktuellem Ökobarometer kaufen rund 76 Prozent der Deutschen ökologische Erzeugnisse. Das sind fünf Prozent mehr als im Jahr 2010. Entsprechend erfreut zeigten sich die Veranstalter der Biofach und Vivaness über das stabile Wachstum der Branche. Erstmals habe die Biofläche in Deutschland die 1-Mio-Hektar-Marke übersprungen. So sei der Umsatz im Jahr 2011 auf annähernd 6,6 Mrd. Euro gestiegen. Das sei ein Plus von neun Prozent, informierte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Laut International Federation of Organic Agriculture Movements (IFOAM) hat der Biobereich 2010 weltweit 59 Mrd. Euro umgesetzt.

Ahle Wurscht vom Landfleischer

Als Schwerpunkt der Biofach 2012 wurde das Thema Nachhaltigkeit in der Biobewegung gewählt. Für Flei­scher­meis­ter Carsten Neumeier aus Hessisch Lichtenau-Walburg ist dies ein selbstverständlicher Aspekt. „Neben Qualität und Geschmack sind uns Tierschutz und Nachhaltigkeit sehr wichtig. Die Tiere, die bei uns geschlachtet werden, kommen von Höfen aus der nahen Umgebung. Lange Transportwege fallen bei uns nicht an. Der sparsame Umgang mit den natürlichen Ressourcen gegenüber unseren Mitmenschen und zukünftigen Generationen nimmt bei uns einen hohen Stellenwert ein.“ Das Fleisch werde schlachtwarm verarbeitet, was den Zusatz von Phosphat, Geschmacksverstärkern, Gluten und Zitrat überflüssig mache. „Wir bieten unsere biozertifizierten Produkte aber nicht nur regional im Geschäft und über unseren Partyservice an, sondern wir haben schon seit zehn Jahren einen Onlineshop, der sehr gut angenommen wird“, so Neumeier. Bei ihm auf dem Hof könne man auch gerne in die sogenannte Wurstescheune schauen. „Besucher interessiert es, wie die Ahle Wurscht darin zum Trocknen aufgehängt wird“, meint er. Zur Biofach brachte Neumeier das umfangreiche Sortiment mit, das nordhessische Spezialitäten von der Ahlen Wurscht über die Ahle Leberwurst, Weckewerk bis zu Hausmacher Wurstspezialitäten im Glas umfasst (www.ahle-wurscht.de).

Ebenfalls am hessischen Gemeinschaftsstand (siehe grauer Kas­ten), informierte Iris Weiland aus Bad Sooden-Allendorf über das Hühnermobil. „Aufgrund mehrjähriger Erfahrung mit Lege­hennen suchten wir nach einem versetzbaren Stall. Das gab es nicht, sodass wir das Hühnermobil selbst entwickelten“, erklärte Weiland. Inzwischen seien bundesweit rund 100 Hühner­mobile im Praxiseinsatz. Auch in die Niederlande, nach Österreich, Italien und Luxemburg sei das Mobil schon verkauft worden. „Es sind oft Direktvermarkter mit einem Hofladen, die das Hühnermobil anspricht. Sie berichten, dass das Mobil die Kunden anziehe. Für diese bodenschonende und artgerechte Tierhaltung sind die Kunden bereit, auch mehr für ein Ei zu bezahlen“, ist Iris Weilands Erfahrung. Ein konventionell produziertes Ei koste 30 Cent, ein Bioei 35 bis 40 Cent. Die Hühnermobile gibt es in drei Größen: für 225, 800 und 1 200 Legehennen. Ein Hühnermobil für Aufzucht und Mast sei in Planung (www.huehnermobil.de).

In insgesamt zehn großen Messehallen konnten sich die Fachbesucher über das nationale und internationale Biosortiment informieren und sogleich Verträge aushandeln.

Das rheinhessische Weingut Manuel Engelhard aus Hillesheim gewann „Gold“ für den 2011er Hillesheimer Sonnheil, Scheurebe Qualitätswein feinherb.

Natascha Wirth und Melanie Dinkel (v. rechts) überzeugten mit ihren natürlichen Fruchtchips „Bisschen“.

Ãœber Biokäse konnten sich die Fachbe­sucher am Stand der Ringgauer Landkäserei aus Ringgau-Grandenborn informieren. Das 2007 gegründete Unternehmen gehört zu den Werraland Werkstätten für behinderte Menschen. „Bei uns werden im Monat 10 000 l Biomilch zu Käse verarbeitet“, sagte Frank Viereck-Jacob aus Eschwege. „Unsere Messehits sind der Haselberger Pfeffer, der Rote Ringelberger und der Altbierkäse“, so der Produktionsleiter, der die Biofach als gute Plattform für die Gewinnung von Neukunden lobte (www.ringgauer-landkaeserei.de).

An einem weiteren Stand informierte Martin Heil von der Kelterei Heil in Laubuscheschbach über neue 4er-Packs des Bioapfelweins Fichtekranz, abgefüllt in Einwegflaschen, die aufgrund der Nachfrage des Handels mit ins Sortiment aufgenommen worden wären (www.fichtekranz.de).

Besuch der Ministerinnen aus Hessen und Rheinland-Pfalz

Die hessische Landwirtschaftsminis­terin Lucia Puttrich besuchte am Eröffnungstag der Biofach den von der Marketinggesellschaft Gutes aus Hessen (MGH) organisierten Gemeinschaftsstand und informierte sich über die ausstellenden hessischen Firmen. Befragt nach ihrem Messeeindruck sagte die Ministerin, die zum ersten Mal auf der Biofach war: „Dies ist eine Messe, die nicht nur groß ist, sondern auch die breite Palette der Bioangebote darstellt und die zudem äußerst kompetent und informativ ist.“ Erfreulich sei, dass auf der Messe gute Verkaufsabschlüsse gemacht und auch Studen­ten für die Universitäten gewonnen würden, so die Minis­terin.

Auch die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken zeigte sich nach ihrem Messebesuch am ersten Tag zufrieden. Sie sagte, Rheinland-Pfalz sei nicht nur das Land mit den meinsten Bioweinbergen, sondern gehöre auch in qualitativer Hinsicht zur Spitze. „Dies zeigen ganz eindrucksvoll auch die Ergebnisse des Inter­nationalen Bioweinpreises Mundus vini Biofach“, so Höfken, die an der Preisverleihung teilnahm. Sie sei sich sicher, dass dieser Wettbewerb dazu beitragen werde, „dass noch mehr Betriebe die Marktchancen mit ökologisch und regional erzeugten Qualitätsprodukten erkennen und nutzen“.

Ministerin Lucia Puttrich im Gespräch mit Chris­tian Vieth (r.) von der Universität Kassel, der über das Thema Hofnachfolge berät, und Peter Klingmann von der MGH (2. v. r.).

„Die Hühnerhaltung in unseren Hühnermobilen ist vorzeigbar, hygienisch, ökologisch und tiergerecht“, ist sich Iris Weiland aus Bad Sooden-Allendorf sicher.

„Die Biofach ist eine gute Plattform, um Kundschaften zu pflegen und neue Kunden zu gewinnen“, sagte Frank Viereck-Jacob von der Ringgauer Landkäserei.

Von den rund 600 eingereichten Bio­weinen wurden 219 mit Medaillen ausge­zeichnet (acht Mal Großes Gold, 101 Mal Gold und 110 Mal Silber). Nach Spanien gingen die meisten Medaillen, insgesamt 50, gefolgt von Deutschland mit 47. Davon gewannen die rheinhessischen Bioweinbetriebe neun Medaillen (fünf Mal Gold, vier Mal Silber) und die fränkischen ebenfalls neun (vier Gold, fünf Silber). In die Pfalz gingen acht Medaillen (vier Gold, vier Silber), an die Mosel sieben Auszeichnungen (fünf Gold, zwei Silber) – weitere Details unter www.mundusvini.de.

Innovationen am Stand des Wirtschaftsministeriums

Am vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Gemeinschaftsstand fielen zwei innovative Produkte besonders auf:

  • Bisschen – 100 Prozent natürliche Fruchtchips:

Kai Grudde informierte über das innovative Produkt „Tau von den Wiesen“. Der Kräuteraufguss wird in Mehrwegflaschen angeboten.

In Bobenheim-Roxheim entstand die Idee von Melanie Dinkel und Natascha Wirth, einen Bio-Fruchtsnack zu entwickeln, „damit unsere Kinder uns nicht mehr die Rosinen und sonstigen Trockenfrüchte aus dem Müsli nehmen“. Sie gründeten die Frips GmbH und stellten ihr innovatives Produkt „Bisschen“ auf der Messe vor. Melanie Dinkel erklärte das Herstellungsverfahren der köstlich schmeckenden Frucht­snacks: „Die Biofrüchte werden bei minus 20 Grad gefriergetrocknet. Dadurch wird den Früchten nahezu komplett das Wasser entzogen. Das Gute ist, dass bei dem Verfahren überwiegend alle Vitalstoffe erhalten bleiben. Wir setzen weder Konservierungsstoffe, noch Zucker, noch künstliche Farb- und Aromastoffe zu.“ Die Fruchtmischungen gibt es in drei Sorten, die je zu 20 g in wieder verschließbaren Dosen abgefüllt sind (www.meine-bisschen.de).

  • Original Marlenes Tau von den Wiesen – Kräuterteeaufguss:

Aus Frankfurt kommt die Tau Flüssiggeschmack GmbH von Kai Grudde und Tobias Rehberger. Die Idee, einen Kräuterteeaufguss in Flaschen abzufüllen, hatten die beiden leidenschaftlichen Teetrinker, „weil es aus unserer Sicht nichts Vergleichbares auf dem Biomarkt gab“, so Kai Grudde. Die Zutaten von Original Marlenes Tau von den Wiesen stammen aus biologischer Wildsammlung und kontrolliert biologischem Anbau. „Wir arbeiten mit der Kelterei Elm in der Rhön zusammen. Dort werden die getrockneten Kräuter und Blüten mit kochendem Wasser aufgegossen. Der Aufguss wird mit Fruchtsaft wie Agavendicksaft oder Direktsäften abgestimmt, zur Haltbarmachung auf 85 Grad erhitzt und sofort heiß in Flaschen abgefüllt, taufrisch eben“, erklärt Grudde. Tau von den Wiesen gibt es als „Lemoncrazy“ mit einer Zitronennote und „Blossomflush“ mit einem fruchtigen Blumengeschmack (www.tauvondenwiesen.de).

Die Bildergalerie zur Biofach finden Sie hier.

Am hessischen Gemeinschaftsstand präsentierten sich der Fachbereich ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel, das Zertifizierungs-Institut Agreco Witzenhausen, das Alsfelder Bio-Fleisch/Hephata, die Ringgauer Landkäserei aus Eschwege, die Landfleischerei Carsten Neumeier aus Hessisch Lichtenau, die Kelterei Heil aus Laubuscheschbach, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Werra-Meißner, das Hühnermobil von Stallbau Iris Weiland aus Bad Sooden-Allendorf und Well-Land Naturseifen aus Witzenhausen, die Naturkosmetik aus Schafsmilch ausstellten.

Aus Rheinland-Pfalz kamen 28 Aussteller. Die meis­ten davon präsentierten Weine, aber auch Anbieter von Naturkost, Snacks und Fruchtsäften sowie Dienstleister und Verbände waren vertreten.

Land des Jahres und Messebesonderheiten

  • Ãœber Indien, das Land des Jahres auf der Biofach 2012, erfuhren die Messebesucher, dass die Zahl der indischen Biobetriebe von rund 400 000 im Jahr 2010 auf rund 1 Mio. gewachsen sei. Die indische Exportfördergesellschaft bezifferte das Biomarktvolumen auf über 1 Mrd. US-Dollar, der Export läge bei 400 Mio. US-Dollar. Klassische Rohstoffe seien Tee, Reis, Gewürze und Baumwolle, aber auch Obst und Gemüse bis hin zu weiterverarbeiteten Produkten, die in den Export gehen. Auf der Messe zeigten 40 Aussteller ihre landestypischen Spezialitäten.
  • Erstmalig wurden Fischspezialitäten in Bioqualität im Rahmen eines „Fish Markets“ präsentiert, ein gemeinsames Projekt der Bio­fach und Naturland. Als weitere Be­sonderheit galten die Olivenölhersteller, die mit Olivenöl-Bar und -Auszeichnung auf sich aufmerksam machten. Ãœber 200 Aussteller aus 26 Ländern boten ihre ökologischen Öle an.

Die besten angemeldeten Neuheiten – Fachbesucher stimmten ab

Die mit dem „Best New Product Award“ prämierten Neuheiten auf einen Blick.

Foto: Messe Nürnberg/Thomas Geiger

Für rund die Hälfte des Fachpublikums zählen laut Messestatistik Informationen über Neuheiten, gefolgt von allgemeiner Marktorientierung, zu den wichtigsten Besuchsgründen der Biofach und Vivaness. Insgesamt zählte die Messe 950 Produktneuheiten, wovon 269 an den Neuheitenständen präsentiert wurden. Der „Best New Product Award“ wurde in sieben Kategorien vergeben. Die Gewinner sind:

  • In der Kategorie Grundnahrungs­mittel: Naturland Fair Eier „ei care“ von der Marktgesellschaft der Naturlandbetriebe. Laut Pressemeldung haben auf Initiative von Terra Naturkost und der Naturland Marktgesellschaft einige Biobetriebe im Berliner Umland ein Pilotprojekt entwickelt: Sie halten eine Zweinutzungs-Rasse französischen Ursprungs, deren Hühner genug Eier legen und deren Hähne genug Fleisch ansetzen, um für den Biomarkt interessant zu sein.
  • In der Kategorie Feinkost und Gewürze: „Würz dich um die Welt – Probier mal!“ von Sonnentor. Zehn neue Gewürzkompositionen, auch als Probierset, das alle zehn neuen Sorten enthält.
  • In der Kategorie Convenience: „Emils naturbelassene Dressings und Dips“ von Emils Feinkost. Das junge Unternehmen stellte zwei neue Sorten vor: Mandel-Pesto sowie Tomate & Rosmarin, beide zusatzstofffrei.
  • In der Kategorie Milch- und Mol­ke­reiprodukte: „WH MM Ofencreme Schinken-Käse“ und „Paprika-Käse“ von der Weißenhorner Molkerei – eine Mischung aus Sahnecreme, geriebenem Käse, Kräutern, Gewürzen und wahlweise Paprika oder Schinken.
  • In der Kategorie Back- und Süßwaren: „Glück am Stiel“ von Mammas & Papas. Drei Sorten Eis am Stiel aus 100 Prozent Frucht ohne Zusatzstoffe.
  • In der Kategorie Getränke: Dwersteg Organic Limoncello Zitronen-Liqueur von L. Dwersteg. Der Likör wird als erfrischender Aperitif mit Sekt oder Weißwein­schorle oder pur als Diges­tif getrunken.
  • In der Kategorie Naturwaren: Aries Samenbomben Bausatz von Aries-Naturprodukte. Der Bausatz reicht für die Herstellung von bis zu 70 Samenbomben, üppigblühende Mischungen von bunten Sommer- oder Mohnblumen.

 
Text und Fotos: Lehmkühler