In der Bullenmast mit Kreuzungen erfolgreich
Betrieb nutzt den Markt für Ein- und Verkaufstiere
Bei vielen Mastbullenhaltern sind fleischbetonte Fleckviehtiere „die Messlatte“. Aber es geht auch mit anderen Mastbullen, zum Beispiel Einkreuzungen mit Blau-Weißen-Belgiern. Ein Beispiel dafür ist der Betrieb von Gerd Rütten, 54 Jahre, aus Grotenrath im Kreis Heinsberg. Dr. Theo Göbbel, Landwirtschaftskammer NRW, Bonn, berichtet über die Vorteile von BWB-Kreuzungstieren in der Bullenmast.

Foto: Dr. Theo Göbbel
Gute Erfahrung in der Bullenmast
In Grotenrath, nur drei km von der holländischen Grenze bewirtschaftet Familie Rütten einen typischen rheinischen Ackerbaubetrieb mit Silomais, Zuckerrüben, Winterweizen und 150 Mastbullen. Noch kann man mit Ackerbau und Bullen recht gut leben und die Arbeit bringt einen nicht um. Allerdings ist ein Wachsen über die Fläche fast unmöglich geworden. Trotz der Dorflage wurden in den letzten Jahren Möglichkeiten zur Stallerweiterung genutzt, allerdings wurde der „große Schritt einer Aussiedlung“ nicht getan. Das macht die Entscheidung für den Sohn Christoph, mit 23 Jahren zurzeit in der Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister, nicht einfach. Wenn auch er seine Zukunft in der praktischen Landwirtschaft sichern will, müsste er eines Tages einen neuen Bullenstall außerhalb des Dorfes in Angriff nehmen. In der heutigen Zeit mit unsicheren Märkten keine leichte Entscheidung.
Milchkühe raus, Mastbullen rein
Bis zum Jahr 2000 hatte man noch Kühe (20 Stück in Anbindehaltung), nutzte dann aber die letzte Möglichkeit der freien Quotenverpachtung, um die Kühe abzuschaffen. Um die etwa fünf ha Grünland am Dorfrand zu nutzen und weil man nicht völlig ohne Vieh wirtschaften wollte, werden jetzt insgesamt 60 Mutterkühe der Rasse Limousin gehalten. Diese kalben, anders als sonst üblich, das ganze Jahr über und die Kälber (sowohl männliche als auch weibliche) werden als Absetzer mit etwa neun Monaten im eigenen Betrieb gemästet und anschließend an einen „Großmetzger“ verkauft. Etwa fünf bis acht Tiere im Monat. Der Metzger schlachtet die Tiere in einem Schlachthof und verkauft das Fleisch in Teilstücken an einzelne Dorfmetzger weiter. Bereits seit 1977 wurden neben den Milchkühen etwa 50 Bullen gemästet und dafür neben den eigenen Kälbern auch zugekaufte Kälber aufgezogen. Dabei handelt es sich um die damals üblichen, meist schwarz- oder rotbunten Tiere. Jedoch waren die Masteignung und Fleischqualität dieser Tiere damals noch deutlich besser. Als immer mehr HF-Einkreuzungen die Masteignung immer weiter verschlechterte, versuchte man es 1985 mit Kreuzungstieren und startete die ersten Versuche mit Limousin-Kälbern. Dazu wurden nicht nur die eigenen Milchkühe mit Limousin-Sperma besamt, sondern auch weitere Limousin-Kälber zugekauft. Um den Metzgern die gewünschte Qualität zu liefern und einen Aufpreis zu bekommen, wurden schon damals sowohl männliche als auch weibliche Tiere gemästet. Später baute man den ersten Bullenstall auf Vollspaltenboden mit 80 Plätzen. Immer wieder wurde preiswert gebaut mit viel Eigenleistung, so dass sich die Festkosten in Grenzen hielten und man heute ohne Bankschulden den Rücken frei hat. Das ist vor allem dann wichtig, wenn die Preise nicht stimmen. 1984 wurde der Bullenstall um 70 Plätze erweitert, so dass derzeit insgesamt rund 150 Mastplätze zur Verfügung stehen.
Überbetrieblicher Vergleich der Leistungsdaten nötig

Auch die Kälberaufzucht von BWB-Kreuzungstieren ist keine Hexerei. Anders als Fleckviehkälber sind sie relativ einfach zu händeln: Sie saufen gut, sind sogar lebhafter als Limousin und auch gesundheitlich nicht besonders empfindlich. Alle zugekauften Kälber werden vorsorglich über die Nase geimpft und nach sechs Wochen nochmal über den Nacken, so dass mögliche Krankheiten besser überstanden werden. Ein Problem sind mitunter und je nach Witterung, die Atemwegserkrankungen, wohingegen Durchfallerkrankungen selten zu Verlusten führen.
Färsen für die Mast sind gesucht
Neben den BWB-Kreuzungsbullen werden auch die eigenen Limousin-Absetzer (sowohl die männlichen als auch die weiblichen) gemästet, nachdem sie etwa im Alter von zehn Monaten mit etwa 350 kg LG von den Kühen abgesetzt wurden. Hier bringen die Bullen mit 22 Monaten sogar 800 kg LG und bei stolzen 63 Prozent Ausschlachtung sogar 500 kg SG, meist in der Handelsklasse U und besser.
Große Unterschiede beim Einzeltier
Die weiblichen Absetzer werden auch nach 22 Monaten verkauft und erreichen etwa 320 bis 350 kg SG. Die Limousin-Masttiere werden einmal pro Monat in einer Gruppe von fünf bis sechs Tieren an einen Großmetzger verkauft, der die Qualität zu schätzen weiß und bereit ist, einen Aufpreis zu bezahlen. Allerdings kauft der Metzger nur ausgewählte, hochwertige Tiere, deren Teilstücke er zu attraktiven Preisen an die Dorfmetzger weiterverkaufen kann. Immer gesucht sind vollfleischige Färsen. Gute Erfahrungen hat man auch mit dem Verkauf der Limousin-Altkühe gemacht. Bei 440 kg SG werden nicht selten 1 600 Euro erlöst. Dafür aber müssen die Kühe etwa sechs Wochen länger gehalten und „gemästet“ werden. Geschlachtet werden die Tiere in einem Schlachthof bei Viersen, da der Schlachthof in Eschweiler geschlossen worden ist. Hier hatten die umliegenden Landwirte gute Erfahrungen gemacht, denn auf dem Schlachthof gab es etwa zu 80 Prozent Einzelboxen, so dass stets Ruhe im SchlachtbeÂtrieb herrschte und die Tiere ohne Stress geschlachtet wurden. So ist die Fleischqualität auch von einer möglichst „schonenden Schlachtung“ stark abhängig.Händlern fällt es schwer, jederzeit die gewünschten Top-Kreuzungskälber zu liefern, obwohl selbst heute noch Preise in der Spitze von um die 350 Euro gezahlt werden. Gesucht sind Kälber mit kurzem Hals und kurzem Kopf, guter Bemuskelung, breiten Schultern und breitem Becken. Dabei bringt ein großer Rahmen das besondere Gewicht bis zu 460 kg SG, statt der sonst nur üblichen 420 kg.
Um das ganze Jahr über kontinuierlich Masttiere verkaufen zu können, werden, je nach Angebot, alle zwei Wochen fünf bis sechs neue Kälber eingestallt und aufgezogen. Auch wenn der Platz einmal knapp ist, muss man die guten Kälber nehmen, wenn sie angeboten werden, denn die Qualitäten passen nicht immer. Da kann es auch schon einmal passieren, dass man von 30 begutachteten Kälbern lediglich fünf oder sechs für gut befindet und im eigenen Betrieb aufzieht. Denn obwohl das Angebot an BWB-Kreuzungen deutlich zugenommen hat, ist es nach wie vor schwierig, die richtigen Qualitäten zu bekommen. Zu unterschiedlich sind die Einflüsse der Mutter- und Vaterlinien und nicht immer stimmt die Aufzucht auf den Milchviehbetrieben.
So ist es eine Ausnahme, wenn ein Milchviehbetrieb mit Engagement und Sorgfalt seine Kälber lieber eine Woche länger aufzieht und wohlgenährt mit 60 kg verkauft, anstatt, wie heute üblich, versucht die „lästigen Kälber“ so schnell wie möglich los zu werden. Bei Rütten gilt die Devise: Ein sehr gutes Kalb ist sogar 50 Euro mehr wert, denn bei einer errechneten Tageszunahme von 1 150 bis 1 200 g liegt das Endgewicht nach 22 Monaten 20 kg höher und über die bessere Handelsklasse lassen sich weitere 10 Cent pro kg mehr erlösen. Speziell die blau-weißen Bullen brauchen in den letzten sechs Wochen eine intensive Kraftfuttergabe als „finishing“, um ihr Wachstumspotenzial zu nutzen. Fazit: Alles in allem ist Familie Rütten mit ihrer Rindfleischproduktion recht zufrieden. Die Kosten halten sich in Grenzen und der Absatz stimmt, so dass auch ausreichende Gewinne erwirtschaftet werden.
Dr. Göbbel – LW 31/2016