Hat die Eiche noch eine Chance?

Engerling-Wurzelfraß an Viernheimer Eichen

Tausende gepflanzte Eichen fallen momentan der Larve des Maikäfers – dem Engerling – zum Opfer. Der Viernheimer Forst-Revierleiter, Gerold Ritz, entdeckt täglich mehr abgestorbene im Frühjahr gepflanzte Laubbäume.

Kein schöner Anblick erleben derzeit die Mitarbeiter des Forstamts Hessisches Ried in Lampertheim: Engerlinglarven fressen die Wurzeln frisch gepflanzter Eichen ab, die dann absterben.

Foto: Gerold Ritz

Im Hessischen Ried findet der Waldmaikäfer und seine Larve, der Engerling, optimale Bedingungen: sandiger Boden mit viel Sonneneinstrahlung und ausreichend, aber nicht zu viel Feuchtigkeit. Alle 30 bis 40 Jahre gibt es Massenvermehrungen der Waldmaikäfer. Zwischen diesem Populationsaufbau entwickeln sich die Käfer in einem Zyklus von vier Jahren. Die ersten drei Jahre verbringt die Larve fressend im Boden, bevor im vierten Jahr der Käfer fertig entwickelt ist. „Im Moment befinden wir uns im dritten Entwicklungsjahr des Engerlings. In diesem Stadium – kurz vor der Verpuppung zum ausgewachsenen Käfer – ist die Maikäferlarve am größten und benötigt deshalb sehr viel Energie“, weiß Ritz. Dabei frisst sie die Grob- und Feinwurzeln junger Bäume ab. Bei einer hohen Engerlingsdichte, der sogenannten kritischen Dichte von ein bis zwei Engerlingen pro Quadratmeter, sterben dabei die Bäume ab. „Wir rechnen in 2018 im Maikäfer-Flugjahr mit massiven Fraßschäden an allen Laubbäumen im Ried,“ erklärt Forstamtsleiter Ralf Schepp.

Dieser Wurzelfraß ist auch oberirdisch erkennbar: Blätter, Nadeln und Triebe der befressenen Pflanzen welken und verfärben sich rötlich-braun. Durch die nun fehlenden Feinwurzeln lassen sich die jungen Bäumchen leicht aus dem Boden ziehen.

Große Anstrengungen, um Eichen zu etablieren

Wenn der Baum den dreijährigen Wurzelfraß überlebt, kommt im vierten Jahr, das nächste Maikäfer-Flugjahr. Befressen werden dann fast alle Laubbäume, besonders beliebt sind aber Eichen- und Ahornarten. Dies ist eine massive Schwächung der Bäume. Eichen können daraufhin im Juni noch einmal austreiben. Doch die Bäume im Ried sind durch die Grundwasserabsenkung, den Klimawandel und die Schadstoffeinträge bereits geschwächt, dass der Wurzelfraß der Engerlinge, der anschließende Blattfraß der Käfer und die Schwächung durch Folgeschädlinge massive Ausfälle zur Folge haben. „Diese Rückschläge zu verkraften fällt auch den Forstmitarbeitern nicht leicht“, offenbart der Viernheimer Revierleiter.

Sie sind ganz einfach rauszuziehen, die jungen Eichen im Viernheimer Wald.

Foto: Stephanie Dober

Die letzten zwei Maikäfer-Flugjahre 2010 und 2014 zeigten schon einen deutlichen Rückgang der Engerlingsdichte, was auch Probegrabungen der Nordwestdeutschen Versuchsanstalt bestätigten. Dies ermutigte das Forstamt mehr Laubholz im Viernheimer Wald anzupflanzen. Wie sich jetzt herausstellt, ist der Engerlingsbesatz lokal doch so hoch, dass es zu diesen massiven Absterbeerscheinungen führt.

„Der Wunsch der Naturschutz-Verbände mehr Laubholz im Hessischen Ried zu pflanzen deckt sich im Wesentlichen mit den Zielen des Forstamtes. Jedoch ist es aufgrund der genannten schwierigen Bedingungen vor Ort sehr aufwändig und kostenintensiv die gepflanzten Laubbäume gesund aus der kritischen Phase der ersten Jahre zu bekommen“, so Gerold Ritz. Pflanzung und Pflege von einem Hektar Eichenfläche mit rund 6 000 Bäumen kostet circa 12 000 Euro/ha – ohne Schutzzaun. Die Flächen für die Pflanzung müssen aufwändig geräumt werden, damit die Pflanzen von Hand in den Boden eingebracht, und gleichzeitig gegen Wildverbiss (Zaun oder einzelne Schutzhüllen) geschützt werden können. Ãœber einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren müssen diese Flächen dann aufgrund der starken Konkurrenzvegetation von Gräsern, Traubenkirsche, Brombeeren und anderen, jährlich ein- bis zweimal gemäht werden.

„Die Kiefernsetzlinge dagegen wirken vital und robust. Sowohl der Engerling, als auch der Käfer verschonen weitgehend die Kiefer und fressen lieber an den Laubbäumen“, so die Erfahrungen von Ritz. Von Karlsruhe bis Frankfurt ziehen sich die sandigen Böden, die Grundwasserabsenkung und damit das Problem der Eichenetablierung. Die Eiche ist in diesen Wäldern ein Relikt aus Zeiten vor der Grundwasserabsenkung, viele sterben langsam ab. Doch Ritz gibt nicht so schnell auf: „2018 werden wir wieder Eichen pflanzen, dann überwintern die Käfer im Boden und legen im Frühjahr die Eier, die Larven sind dann noch klein, vielleicht schaffen wir den Spagat auf diese Weise, wenn nichts dazwischenkommt.“

FoA – LW 32/2016