Was Eltern jetzt über Masern wissen sollten

Eine Seuche droht zurückzukehren

Masern zählen zu den gefährlichsten Infektionskrankheiten. In Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt kam es in den letzten Wochen vermehrt zu Erkrankungen. In Berlin verstarb erst vor Kurzem ein kleiner 18 Monate alter Junge, der an Masern erkrankt war. Weil es noch keine wirkungsvolle Therapie gegen das Virus gibt, fordert Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe alle Eltern ausdrücklich zur Impfung ihrer Kinder auf. Doch es gibt auch Gegenstimmen.

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Foto: imago images/Christian Ohde

Eine Impfpflicht besteht in Deutschland nicht. Eltern können frei entscheiden, ob sie ihre Kinder impfen lassen wollen. Entscheidungshilfe und Orientierung sind die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut in Berlin. „Sie werden in einem sehr aufwendigen Verfahren nach den besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten erarbeitet“, stellt Dr. Jan Leidel, Vorsitzender der STIKO, heraus.

Frühzeitig impfen

Nach der STIKO sollte die Masernimpfung in zwei Schritten erfolgen: Die erste Impfung wird für alle Kinder zwischen dem elften und 14. Lebensmonat empfohlen, die zweite vor Ende des zweiten Lebensjahres. Kinder, die vor dem elften Lebensmonat in die Kita gehen, können bei besonderer Gefährdung bereits nach dem neunten Lebensmonat das erste Mal geimpft werden. Die zweite Impfung kann dann zu Beginn des zweiten Lebensjahres erfolgen. Eine frühzeitige Impfung ist wichtig, ein längerer Abstand oder eine spätere Impfung sind aber auch möglich.

„Die empfohlenen Impfungen sind sicher und werden von der Krankenkasse bezahlt. Wer seinem Kind den Impfschutz verweigert, gefährdet nicht nur das eigene Kind, sondern auch andere. Das kann bis zum Tod führen“, warnt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe.

Dr. Jens Hartwig ist Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Er betreibt seit über 20 Jahren eine Kinderarztpraxis. In dieser Zeit hat der engagierte Pädiater noch keinen Fall von Masern in seiner Sprechstunde gesehen. Er führt dies eindeutig auf den Erfolg der Impfungen zurück.

Weblinks

  • www.impfen-info.de
  • www.rki.de/impfen
  • www.bmg.bund.de

Einsatz eines Kombinationsimpfstoffes

„Hierfür wird ein Kombinationsimpfstoff (MMR) verwendet, der gleichzeitig gegen Mumps und Röteln wirkt. So können wir den Kindern etliche Pikse ersparen“, berichtet er und erläutert die Wirkungsweise der Impfung: „Dabei werden abgeschwächte, lebende Masernviren gespritzt. Sie können die Krankheit nicht auslösen, der Körper bildet jedoch Abwehrstoffe gegen sie, die sogenannten Antikörper. Kommt es später zu einem Kontakt mit „echten“ Masernviren, fangen diese Antikörper die Viren ab und der Geimpfte er­krankt nicht.“ Nach der ersten Impfung bilden etwa neun von zehn Menschen die schützenden Antikörper. Nach der zweiten Imp­fung besitzen so gut wie alle Ge­impften einen wirksamen Schutz.

Manchmal kommt es nach der Impfung zu Nebenwirkungen. „Das können Schmerzen und eine Rötung an der Impfstelle sein oder nach etwa einer Woche Fieber. Gelegentlich treten dabei „Impfmasern“ auf, die aber nicht ansteckend sind. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind nur sehr selten. Ich habe sie in meiner langjährigen Praxis noch nie erlebt“, betont Hartwig. Er empfiehlt allen Eltern, ihre Kinder unbedingt impfen zu lassen. „So werden nicht nur die eigenen Kinder, sondern ebenfalls nichtimpfbare Säuglinge oder Erwachsene ohne ausreichenden Impfschutz geschützt.“

Gefahren der Masern

„Kinderkrankheit“ klingt verharmlosend

Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit, sondern eine hochansteckende meldepflichtige Viruserkrankung, die durch Tröpfchen übertragen wird, zum Beispiel beim Husten, Niesen oder Sprechen. Die Zeit zwischen Infektion und Auftreten der ersten Symptome (Inkubationszeit) beträgt 8 bis 14 Tage.

Masern sind gekennzeichnet durch hohes Fieber, Entzündung der oberen Atemwege und einen typischen Ausschlag. Gefürchtet sind Komplikationen wie Mittelohr,- Lungen- oder Gehirnentzündung. In sehr seltenen Fällen kann noch nach Jahren ein Gehirnzerfall (subakute sklerosierende Panenzephalitis, SSPE) auftreten, der stets tödlich verläuft.

sbk

Kritiker äußern Bedenken

Aber es gibt auch Impfkritiker. Sie geben zu bedenken, dass durch den Lebendimpfstoff ein allergisches Risiko beim Impfling besteht. Einige Impfgegner meinen, dass das Durchmachen einer Masernerkrankung für die kindliche Entwicklung durchaus förderlich sein kann. Andere bezeichnen die Grundlagen für die Impfentscheidungen der STIKO als nicht transparent und stellen sie deshalb infrage. Manche zweifeln die Unabhängigkeit von impfbefürwortenden Ärzten, Apothekern und dem Robert Koch-Institut gegenüber der Pharmaindustrie an. Zudem werde über Auswirkungen von Impfungen zu wenig aufgeklärt.

Die widersprüchlichen Informationen, die besonders im Internet kursieren, können bei Eltern durchaus für Unsicherheit sorgen. „Doch das Impfen der Kinder aus diesem Grund sein zu lassen oder eine Impfentscheidung hinauszuzögern, wäre der falsche Weg“, meint Hartwig. Er rät deshalb: „Eltern sollten sich eingehend über verschiedene Quellen informieren und dann mit dem Kinderarzt oder der Kinderärztin den Nutzen oder Schaden einer Impfung sorgsam abwägen.“

Jugendliche sollten Impfschutz prüfen

Jugendliche, die die MMR-Impfungen bisher versäumt haben, sollten sich möglichst bald impfen lassen. Ebenso empfiehlt die STIKO eine einmalige Impfung gegen Masern für alle nach 1970 Geborenen, die in der Kindheit nicht oder nur einmal geimpft wurden. Auch Eltern und junge Erwachsene, die in Gemeinschafts­einrichtungen oder im Gesundheitswesen beschäftigt sind, sollten ihren Impfschutz überprüfen.

Silke Bromm-Krieger – LW 10/2015