Der geschützte Erdbeeranbau nimmt zu

Erdbeeranbau in Hessen

Die ersten heimischen Früchte sind auf dem Markt. Das ist ein Anlass, einen Blick auf den Erdbeeranbau in Hessen zu werfen. Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Betriebe und macht sich der Klimawandel bereits bemerkbar? Katrin Hetebrügge, Gartenbauberaterin beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) mit Schwerpunkt Beerenobst, hat für das Landwirtschaftliche Wochenblatt die aktuellen Entwicklungen näher betrachtet.

Dammkultur im Freiland, ein erster Schritt den Kontakt zum Boden und somit zu den Pilzsporen zu reduzieren.

Foto: Hetebrügge

Die Erdbeere ist eine der beliebtesten Obstarten in Deutschland. Sie ist gesund und reich an Vitamin C. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei etwa 3,5 kg. In Hessen ist der Erdbeer­anbau ein wichtiger Bestandteil des Sonderkulturanbaus. Die Konsumenten legen Wert auf heimische Ware und das kommt auch der hessischen Erdbeerproduktion zugute. Etwa 150 Betriebe bauen auf einer Fläche von insgesamt 1 147 ha Erdbeeren an. Zum Vergleich: Im gesamten Bundesgebiet beträgt die Anbaufläche 14 480 ha.

Deutlich höhere Erträge unter Folie

Von den 1 147 ha in Hessen werden Erdbeeren auf einer Fläche von 716 ha im Freiland angebaut, 203 ha im geschützten Anbau. Der Rest befindet sich nicht im Ertrag, das heißt es handelt sich um Bestände, die für die Ernte im Folgejahr gepflanzt wurden, teilte das Statistische Bundesamt mit (Stand 2020). Unter geschütztem Anbau versteht man die Erzeugung im befahrbaren Folientunnel, der Anbau unter Glas spielt keine nennenswerte Rolle.

Die Anbaufläche in Hessen ist in den letzten Jahren stabil geblieben, verändert hat sich aber die Verteilung der verschiedenen Anbausysteme. Es wird zunehmend mehr im geschützten Anbau produziert, der Freilandanteil sinkt. Dadurch steigen die Intensität und damit verbunden die Erträge an: Je nach Anbausystem liegen sie durchschnittlich bis zu 50 Prozent über denen aus dem Freilandanbau.

Etwa zwei Drittel der Erdbeeranbaufläche liegt in Südhessen. Ein Großteil des geschützten Anbaus findet hier statt. Grund sind die klimatischen Rahmenbedingungen, die Vermarktungswege sowie die vorhandenen Bewässerungsmöglichkeiten.

Zudem ist Südhessen ein Frühanbaugebiet. Die Ernte beginnt im geschützten Anbau bereits ab dem 20. April. Häufig werden Spargel und Erdbeeren in Kombination in einem Betrieb angebaut. Die Vermarktungsstrukturen des Spargels können so für die Erdbeeren mitgenutzt werden. Im Ballungsgebiet Rhein-Main ist der Direktabsatz über saisonale Stände sowie Hofläden eine etablierte Vermarktungsform. Dazu kommen Großmärkte und Genossenschaften, die große Mengen umsetzen. Anteilig nimmt in Hessen die Vermarktung über Direktvermarktungswege zu, die Genossenschafts- und Großmarktanteile sinken tendenziell.

Bewässerungsmöglichkeiten gewinnen an Bedeutung

In Südhessen sind die meisten gartenbaulich genutzten Flächen bewässerungsfähig. In Abhängigkeit von den Bodenbedingungen ist eine Zusatzbewässerung wegen der veränderten Niederschlagsverteilung aufgrund des Klimawandels fast unabdingbar geworden. Flachanbau findet man zunehmend weniger, viele Bestände werden auf Foliendämmen angebaut. Der Verfrühungseffekt wird hauptsächlich in Folientunneln genutzt. Flache Vliesauflagen dienen in erster Linie dem Frostschutz im Winter.

Erdbeeranbau im Folienhaus auf Stellagen – hier werden auch remontierende Sorten angebaut. Die Pflückleistung lässt sich deutlich steigern.

Foto: Hetebrügge

Doch die Zunahme des geschützten Anbaus erklärt sich nicht nur durch den Verfrühungseffekt, sondern dient auch dem reinen Kulturschutz. Durch den Wegfall der natürlichen Niederschläge spielen Pilzerkrankungen eine geringere Rolle und Fungizidmaßnahmen können reduziert werden. Die Fruchtqualität ist generell besser als im Freiland. Die pflückenden Arbeitskräfte sind vor Witterungseinflüssen geschützt. Zudem ist im geschützten Anbau der Einsatz von Nützlingen zur Kontrolle von Schaderregern möglich.

In Mittel- und Nordhessen dominiert der klassische Freilandanbau, häufig wird noch ohne Damm direkt im Boden angebaut. Aber auch hier nimmt die Bedeutung einer Zusatzbewässerung zu. Je nach Betriebsstruktur findet man ebenso Folientunnel oder Vlies kombiniert mit Folienauflagen für die Verfrühung.

Direktvermarktung weiter im Aufwind

Im frühen Erntebereich dominiert die Sorte Clery, eine Züchtung aus Italien. Sie ist die Hauptsorte im geschützten Anbau, lässt sich gut verfrühen und ist für Handel wie Direktvermarktung gleichermaßen gut geeignet. Während Clery im Süden Hessens gute Erträge erzielt, lassen diese Richtung Norden nach. Hier findet man die Sorte Rumba im frühen Bereich. Im mittleren und späteren Erntebereich gibt es zurzeit keine dominierende Sorte, etwa zehn bis 15 Sorten teilen sich im Erwerbsanbau die Fläche.

Die Kundschaft wünscht häufig helle Früchte, da mit sehr dunkelroten Erdbeeren teils Überreife verbunden wird. Haltbarkeit und guter Geschmack sind wichtige Kundenansprüche, aber auch Nachhaltigkeitsaspekte gewinnen immer mehr an Bedeutung. Die regionale Produktion bietet hier den großen Vorteil: Die Transportwege sind kurz und somit kann bereits am Erntetag gekauft werden.

Viele Kunden schätzen die Möglichkeit, direkt beim erzeugenden Betrieb einzukaufen und zugleich noch die Produktion vor Ort kennenzulernen. Neben den bereits genannten Vermarktungsformen über saisonale Stände, Hofläden und Großmärkte spielt auch die Selbsternte eine nicht zu unterschätzende Rolle im Erdbeerabsatz. Insbesondere im Corona-Jahr 2020 erlebten viele Betriebe großen Zulauf in der Selbstpflücke.

Generell dauert die Erdbeersaison in Deutschland viel länger als früher. Mittlerweile geht die Haupterntezeit von Ende April bis in den Sommer hinein. In Hessen beenden die meisten Betriebe auch die Erdbeersaison mit Ende der Spargelzeit.

Mit immertragenden Sorten ist eine Ernte sogar bis Oktober möglich. Die sogenannten remontierenden Erdbeersorten blühen und bilden Früchte zur gleichen Zeit und über einen langen Zeitraum bis zu den ersten Frösten aus. Diese Produktionsweise spielt aber im hessischen Anbau nur eine untergeordnete Rolle.

Corona hinterlässt Spuren im Erdbeerfeld

Das letzte Jahr brachte pandemie-bedingt für die Betriebe viele Herausforderungen mit sich. Zentral war die unklare und sich häufig ändernde Situation, was die Verfügbarkeit von ausländischen Saisonarbeitskräften anging. Letztendlich gab es kaum Probleme, Verkaufspersonal oder Mitarbeitende für die Logistik zu finden. Viele Betriebe griffen ergänzend auf inländische Mitarbeiter zurück, die sonst im Bereich der Gastronomie arbeiten. Doch generell ist die gesamte Organisation mit einem hohen und auch finanziellen Mehraufwand verbunden, auch in dieser Erdbeersaison. Zwar dürfen Saisonarbeitskräfte einreisen, es müssen aber viele Regularien hinsichtlich Testung, Unterbringung, Quarantänemöglichkeiten, Abstandsregelungen und mehr eingehalten werden.

Die klimatischen Veränderungen bringen auch Herausforderungen für den Erdbeeranbau mit sich. Eine Zusatzbewässerung wird zunehmend wichtiger werden, sowohl für die Erntephase als auch für die Pflanzzeit. Die Möglichkeit von Frostschutzberegnung gewinnt an Bedeutung, da der frühere Vegetationsbeginn häufig mit Spätfrösten kollidiert. Schaderreger wie die Kirschessigfliege können im Bereich der Spätsorten für große Schäden sorgen.

Zudem muss davon ausgegangen werden, dass die Verfügbarkeit von Arbeitskräften abnimmt, was in einer arbeitsintensiven Kultur wie der Erdbeerkultur ein limitierender Faktor sein kann. Der Erdbeeranbau hat sich in den letzten Jahren sehr vielfältig entwickelt. Vom klassischen Freilandanbau über Verfrühung bis zum Substratanbau im geschützten Anbau findet man viele Produktionssysteme vor. In Südhessen gibt es seit 2007 den Arbeitskreis Erdbeeranbau, der mittlerweile zum LLH gehört. Das Team der Gartenbauberatung steht den Betrieben bei den bestehenden und zukünftigen Herausforderungen zur Seite.

 – LW 20/2021