Der Hainsimsen-Buchenwald

Ein häufiger Waldlebensraumtyp nach Natura 2000

Der Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-Fagetum) wird auch als bodensaurer Buchenwald bezeichnet. Er kommt in Mitteleuropa großflächig auf allen geologischen Ausgangsgesteinen vor, die nährstoffarme Böden bilden, wie auf Tonschiefer, Grauwacke, und Buntsandstein.

Wird der Hainsimsen-Buchenwald etwas aufgelichtet, dann stellt sich schnell eine Naturverjüngung mit Buchen ein. Ist das Kronendach der Buchen geschlossen, ist kaum Vegetation auf dem Waldboden zu finden, außer der Hainsimse.

Foto: Ullrich

Die genannten Gesteine überwiegen in den deutschen Mittelgebirgen und die Baumart Buche ist auf diesen Böden unter mittleren Bedingungen absolut vorherrschend. Daher bildet der Hainsimsen-Buchenwald den flächenmäßig mit Abstand am häufigsten verbreiteten Waldlebensraumtyp nach der Natura 2000 Richtlinie.

Da Rotbuchenwälder nur in Europa vorkommen und einen Schwerpunkt in den süd- und westdeutschen Mittelgebirgslandschaften bilden, haben die betroffenen Bundesländer eine besondere Verantwortung für den Schutz und Erhalt dieser Waldgesellschaft mit seiner typischen Artenzusammensetzung.

In den Nationalparks Eifel, Hunsrück-Hochwald und Kellerwald-Edersee ist der Hainsimsen-Buchenwald auf größeren Flächen geschützt. Wegen seiner typischen Ausprägung und dem hohen Anteil älterer Waldentwicklungsstadien wurde ein Teil des Nationalparks Kellerwald-Edersee 2012 zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt.

Vermeintlich artenarm scheinen die Hainsimsen-Buchenwälder

Hainsimsen-Buchenwälder werden auch als artenarme Buchenwälder bezeichnet. Auf den ersten Blick scheint das zutreffend zu sein, denn lenkt man den Blick auf die Bodenvegetation, so erscheint diese im Vergleich zum nährstoffreichen Buchenwald (Waldmeister-Buchenwald) sehr spärlich ausgeprägt. Hier bedecken die Charakterart, die Weiße Hainsimse sowie der Dornfarn, die Drahtschmiele, die Pillensegge und einige Moosarten den ansonsten vegetationslosen Waldboden unter dem Kronendach der Buche.

Noch artenärmer ist die Baumartenzusammensetzung. Meist ist die Buche so dominant, dass keine andere Baum­art mithalten kann. Nur an besonders feuchten oder trockenen Standorten treten Eiche oder Hainbuche hinzu, durch Auflichtungen können Pioniergehölze wie Birke vorübergehend aufkommen. Ein besonders gutes Beispiel für die Dominanz der Buche ist der mehr als 4 000 ha große Buchenurwald am Semenic in Rumänien. Hier, in der osteuropäischen Ausprägung des Hainsimsen-Buchenwaldes, können Sie stundenlang durch den Wald wandern, ohne eine andere Baumart als die Buche zu sehen.

Im Hinblick auf die Fauna muss der Begriff „artenarmer Buchenwald“ allerdings stark relativiert werden. Lässt man Buchenwälder über die sogenannte Optimalphase der Waldentwicklung hinaus in die Alters- und Zerfallsphasen hineinwachsen, so bilden sich in den mächtigen Kronen und an den Stämmen durch Alterungs- und Absterbeerscheinungen sehr viele Kleinstrukturen, die Lebensraum für eine reich ausgeprägte Tierwelt bieten. Die Alterungsphase in unseren Buchenwäldern beginnt etwa ab dem Alter 160 Jahre.

Aber auch der bewirtschaftete Buchenwald ist artenreicher als man denkt. Zoologische Untersuchungen in hessischen Naturwaldreservaten zeigten, dass in einem typischen, rund 30 ha großen, 140 Jahre alten Hainsimsen-Buchenwald bei Fulda, etwa 5 000 verschiedene Tierarten, überwiegend Insektenarten, vorkommen. Dies ist bei weitem mehr, als man bis dahin dachte. Und dieser Wald hat die Alterungs- und Zerfallsphase noch gar nicht erreicht.

Die Hainsimse ist die Charakterart des nährstoffarmen Buchenwaldes.

Foto: Ullrich

Wie Hainsimsen-Buchenwälder in FFH-Gebieten bewirtschaften?

Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU (kurz FFH-Richtlinie) schließt die Bewirtschaftung der Buchenwälder nicht aus – im Gegenteil: Durch naturnahe Waldbehandlung wurden die Buchenwälder über Jahrhunderte erhalten und vor Zerstörung bewährt. Diese Wirtschaftsweise soll weitergeführt werden.

Allerdings möchte man durch die FFH-Gebietsausweisung sicherstellen, dass der Erhaltungszustand der Buchenwälder in einem günstigen Bereich bleibt. Dazu gibt es Kriterien, die in Absprache der Vertreter von Naturschutz und Forstwirtschaft formuliert wurden. Diese betreffen das Alter und die Schichtung der Wälder, die Baum­artenzusammensetzung, die Beeinträchtigung durch Störungen, die Bodenvegetation und den Totholzanteil.

Zusammenfassend wurden drei Erhaltungszustände definiert, die von A = hervorragende Ausprägung, B = gute Ausprägung, C = mittlere bis schlechte Ausprägung reichen. Angestrebt wird mindestens der Erhaltungszustand B. Allerdings gibt es für die Waldbesitzer keine Verpflichtung eine Verbesserung des Erhaltungszustands herbeizuführen. Jedoch darf der aktuelle Erhaltungszustand nicht schlechter werden. Es gilt das sogenannte Verschlechterungsverbot. Die Länder sind verpflichtet darauf zu achten, dass in allen FFH-Gebieten des jeweiligen Bundeslandes keine Verschlechterung eintritt. Dazu berichten alle EU-Länder alle sechs Jahre nach Brüssel über den aktuellen Erhaltungszustand von Lebensraumtypen und Arten. Der letzte Bericht wurde 2013 verfasst.

Die naturnahe Bewirtschaftung von Buchenwäldern wird in der Regel nicht zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands von FFH-Gebieten führen. Bei großflächigen Hauptnutzungsmaßnahmen und beim Einbringen von Nadelbäumen in die Buchenwälder sind allerdings Grenzen zu beachten. In diesen Fällen sollte der Kontakt mit der zuständigen Forst- oder Naturschutzbehörde gesucht werden.

Dr. Jürgen Willig – LW 18/2016