Der Lohn der Nachhaltigkeit

57 Prozent Vogelschutzgebiet

Es ist Herbst, es regnet, die Blätter fallen von den Bäumen, bereiten einen gelb-rot leuchtenden Teppich auf den Straßen und Wegen im Odenwald. Das Ziel ist Beerfelden, die Gräflich Erbach-Fürstenauische Forstverwaltung im Mümlingtal. Louis Graf zu Erbach-Fürstenau zeigt die Wälder seines Vaters Raimund Graf zu Erbach-Fürstenau: Rund 4 200 ha Wald, von denen die Familie seit 1270 nachhaltig lebt.

Blick in das Tal, in dem die Familie Erbach-Fürstenau das Rotwild mit Wildobstpflanzungen aus dem Wald locken möchte, um so die Schälschäden geringer zu halten.

Foto: Setzepfand

Vorbei an der über 300-jährigen „Tante Jenny Eiche“ geht es in ein kleines Tälchen, in dem einst ein Forsthaus stand, heute nur noch eine kleine Hütte. Das Tal mit dem kleinen Bachlauf wurde vor rund acht Jahren von Fichten befreit und ökologisch mit Laubbaumpflanzungen aufgewertet. „Hier stellen wir Ökopunkte bereit“, erklärt Louis Graf zu Erbach-Fürstenau, die leider bisher noch nicht gebraucht wurden, da weder im Odenwaldkreis noch im Spessart große Baumaßnahmen in den letzten Jahren anstanden. Es gebe daher nicht wirklich einen Markt für die Ökopunkte. „Man würde weiterkommen, wenn die Kompensation nicht im gleichen Naturraum, hier Hessisch-Fränkisches Bergland, vergeben werden müsste“, bemerkte Louis Graf zu Erbach-Fürstenau. Auf dem Weg ins Nachbartälchen geht es vorbei an historischen Resten der Niederwaldwirtschaft, die im Odenwald eine wichtige Rolle gespielt hat. Um 1800 gab es rund 650 ha Niederwald, davon 470 ha Eichenschälwald, in den Erbach-Fürstenauischen Waldungen, dies schreibt Roger Hörr in seiner Diplomarbeit „Wald- und Holznutzungen im Hessischen Buntsandstein-Odenwald zwischen 1700 und 1850“. Die Niederwälder wurden alle 15 Jahre auf den Stock gesetzt.

Einst war ein Großteil Niederwald

Ein schöner Mischwald. Die Baumartenverteilung des gesamten Betriebes sieht 35 Prozent Fichte vor, 20 Prozent Kiefer, 21 Prozent Buche, 11 Prozent Douglasie, 5 Prozent Eiche, 2 Prozent Strobe und 2 Prozent Lärche.

Foto: Setzepfand

Sie boten den Menschen damals viele Vorteile. Sie lieferten Brot, Brennholz, Stroh für das Vieh sowie Bargeld durch den Rinden- und Holzkohleverkauf. „Die Niederwälder sind inzwischen auch bei uns umgewandelt in Altersklassenwälder, doch so mancher Rest blieb“, weiß Louis Graf zu Erbach-Fürstenau. Im anderen Tal wird der Bachlauf durch weidende Rinder offengehalten.

Es sieht idyllisch, ja romantisch aus. Die kräftigen Farben der nassen Blätter, umgestürzte Bäume über dem Bachlauf, obwohl die Rinder bereits abgetrieben wurden, ist klar, dieses offene Tälchen ist ein Kleinod.

Weiter geht es im Forstauto mit Allrad, vorbei an einem Fichtenbestand, doch was war das. „Der Schwarzspecht“, antwortet Louis Graf zu Erbach-Fürstenau. Zu fasziniert, zu spät, um den Schwarzspecht zu fotografieren, gut war die rote Kopfdeckung zu sehen. Zu 70 Prozent bestehen die Wälder der Erbach-Fürstenauischen Forstverwaltung heute aus Nadelholz, 30 Prozent sind Laubholz. Das war nicht immer so, zeigen die Unterlagen der Familie. Die erste Forstrechnung über Kiefernsamen stammt aus dem Jahr 1750. Die ersten Stroben, Pinus strobus, wurden 1798 gepflanzt. Fichten-, Lärchen- und Weißtannensamen wurde aus dem Harz 1777 bezogen. Die Erbach-Fürstenauische Forstverwaltung hatte eine eigene Pflanzschule betrieben, um die Sämereien aufzuziehen. So kommt es, dass heute auf 39 Prozent der Fläche Nadelholz älter als 60 Jahre steht. Auf 18 Prozent der Fläche stehen Laubhölzer, die älter als 80 Jahre sind.

Der Forstbetrieb der Grafen zu Erbach-Fürstenau hat über viele Generationen achtsam gewirtschaftet. So konnte der Vorrat von 67 Efm/ha im Jahr 1882 sukzessive auf 261 Efm/ha im Jahr 2007 erhöht werden. „Ich sehe das ganz pragmatisch“, sagt Raimund Graf zu Erbach-Fürstenau, der derzeitige Waldbesitzer. „Zwar wirtschafte ich in diesem Wald, doch gehören tut er mir nicht, ich habe ihn nur geborgt für meine Lebenszeit, daher werden wir diesen auch in bestem Zustand an unsere nächsten Generationen übergeben. Und ich gebe zu, dass ich hier auch ab und an Schrebergartenförsterei betreibe, wenn ich versuche eine neue Baum­art in einen Bestand zu bringen durch Pflanzungen.“

Graf Raimund zu Erbach-Fürstenau liebt seinen Wald und moderne Kunst.

Foto: Setzepfand

Der Betrieb ist sehr interessant für den Naturschutz

Die meisten Waldflächen liegen im Mittleren Buntsandstein und somit auf armen Böden. Der laufende Zuwachs beträgt 8,6 Efm/ha/a. „Wir ernten jedoch nur rund 6 Efm/ha/a. Wenn die Holzpreise höher sind so wie derzeit, dann ernten wir auch mal mehr im Jahr“, weiß Louis Graf zu Erbach-Fürstenau. Seinem Vater tue das dann weh, auch wenn alle försterlichen Grundsätze und die Nachhaltigkeit erfüllt werden.

„Es ist die Altersklassenverteilung, die unseren Forstbetrieb interessant für den Naturschutz macht“, bemerkt der 37-jährige Diplom-Forstwissenschaftler, Louis Graf zu Erbach-Fürstenau, der ebenso wie sein Vater an der Universität Freiburg Forstwissenschaften studiert hat. Es seien hier im Odenwald gerade die Nadelwälder, die unter besonderen Schutz gestellt werden, da dort der Sperlings- und der Rauhfusskauz vorkomme. Angeblich, ergänzt Graf zu Erbach-Fürstenau, denn den Rauhfusskauz habe er seit Jahren nicht mehr gesehen. Auch Wanderfalke, Rotmilan, Schwarzspecht, Grauspecht und Mittelspecht seien hier anzutreffen sowie angeblich der Schwarzstorch, den Graf Erbach-Fürstenau nur in Bad-Württemberg gesehen hat.

Im Juni 2004 meldete das Land mehr als die Hälfte der Waldflächen der Familie Erbach-Fürstenau im Rahmen der Natura 2000 als Vogelschutzgebiet nach, gefragt habe niemand. Auf 50 Prozent der Waldflächen ist zudem die Funktion Bodenschutz und auf 29 Prozent die Funktion des Wasserschutzes aufgelegt. Zu 100 Prozent liegen die familieneigenen Flächen im Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald. Dies bedeutet zwar keine Nutzungseinschränkung, sondern eher eine verstärkte Achtsamkeit auf Erholungssuchende im Wald.

Louis Graf zu Erbach-Fürstenau ist ein ruhiger besonnener Zeitgenosse, der sich in vielen Gremien engagiert. So im PEFC-Zertifizierungsrat, im Landesnaturschutzbeirat Hessen, in der Stiftung Hessischer Naturschutz und im erweiterten Vorstand des Hessischen Waldbesitzerverbandes. „Wir hatten schon viele Naturschützer hier in unserem Wald. Alle bewundern dessen Schönheit. Wenn ich dann erkläre, dass diese Schönheit entstand aus der nachhaltigen Wirtschaftsweise vieler Generationen und eben nicht politischer oder wirtschaftlicher Interessen wie dies im Staatswald der Fall ist, dann sehen dies zwar viele ein, doch leider ändert dies nicht deren Verhalten in politischen Debatten“, bemerkt Louis Graf zu Erbach-Fürstenau. zep – LW 51/2014