Viele rütteln an der Ersten Säule

Der Bestand der Ersten Säule der gemeinsamen Agrarpolitik und damit der Direktzahlungen für die Betriebe ist schon vor dem Ende der EU-Finanzperiode im Jahre 2020 mit Unsicherheiten behaftet. Der Bundesrat hat sich vergangene Woche für eine höhere Umschichtung in die Zweite Säule von derzeit 4,5 auf 6 Prozent ausgesprochen. Entscheidend für eine Erhöhung ist allerdings die Bundesregierung. Sie muss bis August der Europäischen Kommission mitteilen, ob sie mehr Mittel in die Zweite Säule umschichten will. Landwirtschaftsminister Schmidt hat sich deutlich gegen eine Erhöhung ausgesprochen. Wie sich die Regierung einigt, ist dennoch nicht klar, der Koalitionsvertrag sieht lediglich vor, dass die Ressorts ergebnisoffen darüber verhandeln. Nächster Unsicherheitsfaktor für die Erste Säule ist die künftige Bundesregierung, die im Herbst gewählt wird und dann spätestens im nächsten Jahr die Möglichkeit zur Umschichtung hätte.

Wie und wann sich der Brexit auf die Agrarförderung insgesamt auswirken wird, darüber konnte jetzt auch der Agrarrat nur spekulieren. Die Frage ist dabei auch, ob und wie Großbritannien mit der EU verbunden bleibt, etwa mit einem Status, den Norwegen besitzt. Auch dieses Land trägt zum EU-Haushalt bei. Gleichwohl wird das EU-Budget mit dem Austritt des Nettozahlers Großbritannien voraussichtlich schrumpfen. Und bei einem neuen Finanzrahmen, ob er nach 2020 oder schon früher kommt, werden die Forderungen der osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten nach einer Angleichung der Betriebsprämien massiv werden. In Polen liegen beispielsweise die Betriebsprämien bei 197 Euro, rund 100 Euro weniger als hierzulande. Hinzu kommen die Natur- und Umweltverbände, die eine Umwidmung der Gelder verlangen, sowie Politiker, die das Geld lieber für eine europäische Sozial- und Bildungspolitik ausgeben würden. Bislang machen die Direktzahlungen allerdings einen beträchtlichen Teil des Betriebseinkommens aus. Soll weiterhin eine Vielzahl von familiengeführten Betrieben bestehen bleiben, und dieser Wunsch wird vielfach geäußert, so muss sich die Politik zu einer starken Agrarpolitik und starken einkommenswirksamen Ersten Säule bekennen.

Cornelius Mohr – LW 11/2017