Viele Sorten gut regeneriert
Pflanzenbaurundfahrt im Spätdruschgebiet Nordhessen
Den Saatbauverband Hessen führte seine diesjährige Pflanzenbaurundfahrt zum Hof Lauterbach von Karl Wittmer Eigenbrodt in Vöhl am Edersee. Begutachtet wurde am 28. Juni die Entwicklung der Landessortenversuche des LLH und der Vermehrungsbestände des Betriebes, der seit Jahren pfluglos Getreide und Futtergräser anbaut.
Wie weit die Vegetation in des Höhenlagen Nordhessens im Vergleich zu günstigeren Lagen zurück ist, zeigte schon der Tischschmuck in der Scheune am Hof Lauterbach: Unter anderem waren blühende Holunderdolden in den Vasen zu sehen. LLH-Berater Friedrich Göge wies diesbezüglich darauf hin, dass im Spätdruschgebiet der Fallzahlstabilität der Sorten besonderes Gewicht beigemessen werde. „Ganz späte Weizen-Typen haben es hier schwer“, so Göge.Statt die Vermehrung aufzugeben, wurde in den Betriebszweig investiert
Bei der Vorstellung seines Betriebes machte Karl Wittmer-Eigenbrodt deutÂlich, wie schwierig die Lage der Vermehrer war und ist: „Wir wollten eigentlich schon aussteigen, haben uns dann aber doch entschlossen, in diesen Betriebszweig zu investieren. Durch das neue Chargen-Feuchtbeizgerät können wir nun relativ kleine Mengen kurzfrisÂtig bereitstellen – beispielsweise als die IG Pflanzenzucht 150 kg mit Jockey gebeiztes Saatgut haben wollte.“
Der Betrieb umfasst 217 ha Ackerland, 7,4 ha Grünland und liegt auf 360 bis 410 m Höhe. Es fallen pro Jahr etwa 600 mm Niederschlag und die Durchschnittstemperatur beträgt 7,3 °C; die Bodenzahl liegt im Schnitt bei 43, wobei Flächen von 26 bis 60 Bodenpunkte vorkommen. Die zwei Arbeitskräfte (Betriebsleiter und Fremd-AK) werden bei Bedarf um Familienangehörige ergänzt. Die am Standort vorhandenen Lagersilozellen können 900 t Erntegut aufnehmen. Weiteres Standbein des Betriebes ist eine Kornbrennerei.
Staatliche Beratung nimmt gesellschaftliche Aufgaben wahr
Am Feldrand der Landessortenversuche warnte Gabriele Käufler, Referentin für Marktfruchtbau beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) davor, die Offizialberatung weiter auszudünnen. „Einige Bundesländer wollen weitere Einschnitte vornehmen. Was wir hier machen, ist aber kein SelbstÂzweck, sondern dient neben der Landwirtschaft auch dem Verbraucherschutz, indem wir die gesündesten Sorten am jeweiligen Standort empfehlen können – was unter anderem zu geringerem Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln führt.“
Die Witterung zu Jahresanfang sei für die Landwirtschaft zwar sehr problematisch, für das Versuchswesen allerdings Gold wert gewesen, so Käufler. Denn es seien aussagefähige Bonituren hinsichtlich der Winterhärte möglich gewesen. „Etliche Sorten haben sich erstaunlich gut regeneriert“, sagte sie.
Auswinterung zeigt deutliche Sortendifferenzierung
„Einige neue Sorten wie Patras oder auch Colonia haben den Winter gut überstanden“, stellte Göge bei einem Rundgang über die Versuchsflächen fest. „Manager“ oder „Potenzial“ seien dagegen stark in Mitleidenschaft gezogen worden.
Zum Krankheitsgeschehen berichtete Michael Lenz vom Pflanzenschutzdienst beim Rp Gießen, dass noch keine Unterschiede bei den Behandlungsvarianten zu sehen seien. „Septoria geht jetzt gerade los, und für Fusarien war es hier zu kalt; im Süden dagegen geht es diesbezüglich richtig rund.“
Im Versuch wurden zehn Varianten angelegt, wobei zweimalige Anwendungen in den Stadien 32/37 (15. Mai) und 61/65 (11. Juni) Einmal-Behandlungen am 30. Mai (Stadium 49) gegenüberstehen. „Die einmaligen Anwendungen haben bisher sehr gut abgeschnitten“, so Lenz. Bei Carboxamiden müsse wegen der relativ hohen ResisÂtenzgefahr unbedingt ein Wirkstoffwechsel vorgenommen werden.
Karl Wittmer-Eigenbrodt stellte die Vermehrungsflächen vor, die natürlich auch unter der Witterung zu leiden hatten und sich daher weniger homogen zeigten als üblicherweise. Die Vermehrung von Wiesenrispe und Weidelgras wird als Untersaat in Wintergerste angelegt und mit dem Mähdrescher Ende August geerntet. Vermehrt wird beispielsweise für KWS und Stroetmann.
Die Beizqualität muss stimmen
Thomas Hellmuth von Bayer-Crop-Science stellte in der anschließenden Aussprache Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Saatgutreinigung und Beizqualität vor, die eindeutig zeigten, dass gut gereinigtes Saatgut bessere Beizqualitäten ermöglicht. Entscheidend dafür sei auch die schonende Förderung bestenfalls über Transportbänder; Gebläse stellten hier die schlechteste Variante dar. Auch sei eine Windsichtung vor dem Beizer unerlässlich, um möglichst wenig StaubÂabrieb zu erreichen. Im Ãœbrigen seien auch Haftmittel auf möglichst staubfreie Körner angewiesen.
Ãœber den Stand bei Feldanerkennungen berichtete Uwe Sander von der Saatgutanerkennungsstelle des LLH: „Aufgrund von Auswinterungen wurden 17 Prozent bei Wintergerste und 16 Prozent bei Winterweizen zurückgezogen. Beanstandungen bei besichtigÂten Flächen gab es aber in Hessen keine.“ Sander empfahl, Partien rechtzeitig einzureichen, da die Bearbeitung etwa eine Woche in Anspruch nehme.
Engere Zusammenarbeit der Verbände im Süd-Westen
Vorsitzende Annette Seifert-Ruwe freute sich zwar über die rund 80 Teilnehmer an der Veranstaltung, stellte aber fest, dass auch die Betriebe, die aktiv Vermehrung betreiben, immer weniger würden. Daher werde über Kooperationen mit den Nachbarverbänden Rheinland-Pfalz, Rheinland und Westfalen-Lippe nachgedacht, um Synergieeffekte zu nutzen.
Diesbezüglich waren auch die Vorsitzenden dieser Verbände eingeladen worden, und man traf sich im Anschluss zu einem Gespräch, um über die Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit zu diskutieren.
KB