Dem Spargel geht die Reserve aus
Spargelernte nach zwei Trockenjahren und milden Wintern
Die Halbzeit ist in der Spargelsaison 2020 vorüber – Zeit sich mit dem Spargelexperten Joachim Ziegler vom DLR Rheinpfalz in Neustadt an der Weinstraße zu unterhalten über die Reaktionen der Spargelpflanzen auf die Trockenjahre, die Reaktionen der Spargelanbauer und die zukünftige Entwicklung des Spargelanbaus.

Foto: Setzepfand
Spargel muss neue Wurzeln bilden, um alle Nährstoffe aufzunehmen
Ziegler führt dies auf den Mangel an Calcium in den Pflanzen zurück. Calcium werde vor allem über neu gebildete Wurzeln aufgenommen, doch die Neubildung von Wurzeln fiel durch die Trockenheit aus. Insgesamt war die Mobilität der Nährstoffe in den Pflanzen reduziert. Während Stickstoff noch an die notwendigen Stellen transportiert wurde, fehlten Calcium und in Sandböden auch Kalium. Besonders auf Sandböden kam es zu mehr Rissen in den Spargelstangen. Dies kann durch frühes Aufdämmen im Herbst bereits verhindert werden. Auch durch Düngemaßnahmen kann diesem Phänomen entgegnet werden. Sinnvoll ist dann eine mehrmalige Mg-Blattdüngung. Magnesium gelangt bei Trockenheit schneller in die Pflanze. Auf alle Fälle musste in den Trockenjahren mit erheblichen Ertragsverlusten gerechnet werden, teils bis zu 50 Prozent auf Sandböden. Für die Betriebe bedeuten solche Trockenjahre eine große Herausforderung und vor allem Extrakosten. Und letztlich haben die nicht beregnungsfähigen Anlagen dennoch einen geringeren Zuwachs.
Mit Bewässerung, die von vielen Betrieben mittlerweile auf Tröpfchenbewässerung umgerüstet wurde, um Wasser zu sparen und gezielter auf der Krone des Damms zu platzieren, kann den Pflanzen die notwendige Wasserzufuhr nach der Ernte zum Austrieb gewährleistet werden. „Diese Anlagen sehen deutlich besser aus als Unberegnete“, so Ziegler. Sie hatten die Gelegenheit, Reservestoffe in die Wurzeln einzulagern und somit auch neue Wurzeln zu bilden. Bleibt ein Phänomen, das wiederum Reservestoffe raubt: „Die milden Winter führen dazu, dass die Pflanzen physiologisch nicht zur Ruhe kommen und über Winter mehr Reservestoffe verbrauchen, das zeigt sich im Ertrag, der auf manchen Flächen enttäuschend ist.“ Auch hier ist zu sehen, dass sich kaum neue Wurzeln bilden.
Unklar ob Direktvermarktung Gastronomieverlust ausgleicht
Aktuell sind die Betriebe mit der Vermarktung der Ernte beschäftigt. An Straßenständen und in Hofläden werden die frischen Spargel gut angenommen – gerade in Corona-Zeiten gehen die Menschen lieber in den Hofladen als in den Lebensmitteleinzelhandel.
Ob die Gastronomieware von den Kunden ersetzt wird, das werde sich am Schluss zeigen. Klar ist, dass die Regionaliät derzeit bewusster gelebt werde. Bis Muttertag waren die Erzeugerpreise für den Spargel der besten Qualität mit 6 Euro/kg gut, nun ist der Erzeugerpreis für beste Qualität mit 5 Euro/kg laut Pfalzmarkt auf normalem Niveau. Wie sich die nächsten Wochen entwickeln, bleibe abzuwarten.
Eine große Hilfe sind den Spargelbetrieben, die Angebote des DLR Rheinpfalz: Der Service Spargeldammtemperatur Prognose und der Spargeltemperatur-Service mit Referenzdaten vom Standort Schifferstadt helfen die Spargelernte durch das Folienmanagement gezielt zu gestalten.
Digitale Hilfe für Ernteprognose von Spargel im Aufbau
„Viele Betriebe ergänzen diese Daten mit Bosch-Sensoren, teils mit Alarmfunktion auf ihr Handy, da wurde viel gelernt in den letzten Jahren“, sagt Ziegler. Derzeit steckt ein weiteres Instrument in der Entwicklung, das webQE. Über die Homepage von www.isip.de ermöglicht webQE ein Qualitäts- und Erntemanagement zahlreicher Flächen. Noch ist webQE in der Betatestphase und wird von einzelnen Betrieben erprobt. Es wird dann keine Punktmessung mehr vorgenommen, sondern eine Flächenmessung, sodass eine durch Wetterprognosen und Bodendaten gestützte Temperaturentwicklung auf den einzelnen Flächen möglich ist. Per App kann der Spargelanbauer die Erntemengenvorhersage für seine Flächen empfangen. Und rechtzeitig reagieren, um Arbeitskräfte zu organisieren.
Auch noch in der Pipeline ist ein neues Prognosemodell für Stemphylium (StemPro). Dieses konnte von den Projektbeteiligten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen nach den vergangenen zwei Trockenjahren nicht abschließend bewertet werden. Wann es für die Praxis einsatzbereit sein wird, ist noch unklar.
Das aktuelle Jahr ordnet Ziegler unter Ausnahme ein. Die mangelnde Verfügbarkeit der Arbeitskräfte hat manche Betriebe dazu gezwungen, Spargelflächen zu verpachten, jüngere Anlagen durchwachsen zu lassen und manche werden wohl früher mit der Ernte aufhören. Dies unter Corona-Bedingungen verlangt viel von den Betrieben.
Dass nun mitten in der Saison die neue Düngeverordnung zum Tragen kommt, das berührt die Betriebe derzeit nicht, weiß Ziegler. Überhaupt sieht er keine Schwierigkeiten für die SpargelÂanbauer, die DÜV einzuhalten. „Denn der Spargel hat kein Nitratproblem. Mit einem Stickstoffbedarfswert von 80 kg N/ha im Vollertrag benötigt die Pflanze nach den ersten Jahren gar nicht mehr viel Stickstoff“, erklärt der Spargelfachmann. Wird bei Bodenproben festgestellt, dass noch 10 oder 20 kg N/ha aufgedüngt werden sollten, dann sparen sich das viele Betriebe. Besser ist dann wieder eine Blattdüngung, diese werde von den Pflanzen gut verwertet.
Gesunde Betriebe mit innovativen Nachfolgern
Mit einer langfristigen Prognose für den Spargelanbau tut sich auch Ziegler schwer. Die Erzeugerpreise, die die Genossenschaften zahlen, könnten natürlich besser sein. In den letzten fünf Jahren wurden im Durchschnitt 4,42 Euro/kg bezahlt. Doch 5 Euro/kg sollten die Erzeuger erzielen, um ihre Kosten zu decken. Das schaffen dann nur Betriebe, die einen gewissen Anteil über die Direktvermarktung absetzen.
Positiv ist im Spargelbereich, dass die Betriebe hier Nachfolger haben, die innovativ und motiviert sind. Dennoch wäre es gut, wenn die Fläche insgesamt etwas reduziert wird, um ein Jahr wie 2018 mit Tiefstpreisen zu verhindern.
Dass sich durch die Züchtung ein deutlich leichterer Anbau verwirklichen lasse, das sieht Ziegler nicht. „Es wird Sorte um Sorte auf den Markt gebracht, alle keine Weltwunder und noch dazu werden kaum Sortenversuche getätigt“, sagt Ziegler.
Er sieht ein ganz anderes Problem auf die Spargelanbauer zukommen: Der weiße Spargel wird vor allem von älteren Kunden gekauft. Die jüngere Kundschaft bevorzugt Grünen Spargel oder die neue Anbauform Tricolore (grün, rot, weiß), die mehr Aufmerksamkeit erregt. „Bleibt die Frage, ob solch eine Attraktion verstetigt werden kann“, gibt Ziegler zu bedenken.
zep – LW 21/2020