Alle Vorzeichen stehen auf Verknappung
Michael Horsch Gastredner bei der Vereinigten Hagel
Die Vereinigte Hagel informiert ihre Mitglieder traditionell am Jahresende über den Geschäfts- und Schadenverlauf in der Region sowie deutschland- und unternehmensweit. Die Bezirksdirektion Gießen hatte letzte Woche hierzu den Bezirksverein Limburg nach Idstein geladen. Gastredner war Michael Horsch, Geschäftsführer der Horsch Maschinen GmbH, Schwandorf, der einen fundierten Blick in die Zukunft der Agrar-Branche warf.
Die Versammlung fand in einer Halle der Schlotter GmbH & Co. KG Idstein-Wörsdorf statt. Nach der Begrüßung durch den Hausherrn Dieter Schlotter berichtete Bezirksvereins-Vorsitzender Jochen Heckelmann über die Mitgliederversammlung des Geschäftsjahres 2023 am 14. Mai in Gießen.Bezirksdirektor Jürgen Schuldig-Fritsch zog eine vorläufige Bilanz des Geschäftsjahres 2024, für das insgesamt ein Flächenplus von 2,6 Prozent vermeldet werden konnte; im Kernmarkt Deutschland allerdings ging die versicherte Fläche leicht um 1,2 Prozent zurück. „Das liegt vor allem am nach wie vor hohen Flächenverbrauch durch verschiedenste Inanspruchnahmen – vor allem durch Baumaßnahmen“, so Schuldig-Fritsch. Entsprechend sei auch der Beitrag in Deutschland leicht gesunken (-0,3 Prozent), zusammen mit allen Nachbarländern aber um 5 Prozent gestiegen.
Auch 2024 wieder ein Ãœberschadenjahr
Treiber bei der Beitragsentwicklung sei vor allem die Mehrgefahrenversicherung, die im benachbarten Ausland zu erheblichen Anteilen staatlich gefördert werde. „Eine solche finanzielle Unterstützung brauchen wir in Deutschland auch, bisher werden nur kleine Teilbereiche wie Obst oder Wein in einigen Bundesländern anteilig gefördert“, so der Bezirksdirektor.
Was die zu begleichenden Schäden betraf, so musste Schuldig-Fritsch auch für 2024 von einem Überschadenjahr sprechen. Die Vereinigte Hagel hatte eine Schadenssummen von über 300 Mio. Euro zu erstatten. Insgesamt lag die Schadenquote bei 91 Prozent, wobei für Deutschland 94 und im Ausland 89 Prozent zu verzeichnen waren.
„Bei den entstandenen Schadensereignissen macht sich auch der Klimawandel bemerkbar, der neben Dürreschäden und Ãœberflutungen auch zu vermehrten Frostschäden führen kann, da die Minustemperaturen im Frühjahr auf schon weit entwickelte Bestände einwirken. Das wurde in diesem Jahr deutlich, als am 23. April Frost bis minus sieben Grad in ganz Deutschland zu Schäden unter anderem an der Obstblüte führte.“ Schuldig-Fritsch betonte angesichts solcher Ausfälle die wachsende Bedeutung einer MehrgefahrenÂversicherung für die Betriebe (s. auch Bericht LW 49, S. 40).
Unsere Problemesind auch kriegsbedingt
Ãœber aktuelle Entwicklungen bei der Nahrungsmittelproduktion sprach Michael Horsch, der sich dabei auf seine Erfahrungen aus unzähligen Auslandsreisen und Geschäftskontakten berief. „Deutschland zahlt weitaus am meisten für den Ukraine-Krieg, wenn man die enorm gestiegenen Energiepreise mit einrechnet. Die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands sind vor allem kriegsbedingt“, stellte er fest.
Seit dem Beginn des Krieges habe die Landwirtschaft einen neuen Stellenwert erhalten. „Die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung wurde Ende 2023 bei Enthaltung der Grünen in Brüssel durchgewunken, und es gab auch keinen öffentlichen Aufschrei. Das ist doch interessant“, merkte er an.
Man beginne zu verstehen, „dass wir uns mittlerweile schon am Beginn einer Nahrungsmittelverknappung befinden.“ Die jetzt zum Teil schon abgeschwächten Regulierungsmaßnahmen der EU seien von Politikern beschlossen worden, die unter dem Eindruck von Milchseen und Butterbergen groß geworden sind. „Aber diese Zeiten sind endgültig vorbei, und man fängt langsam an umzudenken.“
Der Schlüssel für eine ausreichende Nahrungsmittelversorgung seien die nutzbaren Ackerflächen, die weltweit größtenteils schon intensiv bewirtschaftet würden und tendenziell eher schrumpften. „Bisher hat uns vor allem die Züchtung gerettet, aber seit Jahren steigen beispielsweise die mittleren Maiserträge in den USA nicht mehr an – und das bei einer intensiv züchterisch bearbeiteten Kultur.“ Normale Ernten reichten schon heute kaum noch aus, um die weltweite Nachfrage zu decken, aber es könnten nicht ständig Rekordernten einfahren werden.
Europa muss Verantwortung übernehmen
Ein Faktor dafür sei natürlich der Klimawandel, der auch zu häufigeren Wetterextremereignissen führe. In Osteuropa habe es zuletzt Missernten gegeben – nicht wegen Dürre, sondern wegen einiger Tage über 40 °C. Horsch forderte Realismus ein: „Das CO2 muss runter, aber wir müssen parallel dazu diskutieren, wie man mit dem Klimawandel zurechtkommen kann, wenn er ungebremst eintritt.“
Langfristig zeige die Ertragskurve kaum noch nach oben, während die Weltbevölkerung global weiter wächst, vor allem in Afrika. „Dort können die Erntemengen maximal durch optimierte Anbaumethoden noch verdoppelt werden, aber die Bevölkerung wächst deutlich stärker. Europa muss seiner Verantwortung gerecht werden und darf nicht auf den Hochertragsstandorten extensivieren“, forderte der Referent.
Die nächste Erzeugerpreis-Party stehe bereits bevor, denn für 2024 sei global allenfalls mit einer Durchschnitts-Ernte zu rechnen. Und auch der Pachtmarkt werde künftig entsprechend mit deutlich anziehenden Preisen reagieren. „Ich kann mich irren, aber viele Vorzeichen sprechen dafür“, so Horsch.
KB – LW 50/2024