Der wahre „Brotbaum“
Tagung in Burrweiler nahm Edelkastanie in den Fokus
Die Edelkastanie, auch Esskastanie und wissenschaftlich Castanea sativa genannt, spielte viele Jahrhunderte eine große Rolle für den Menschen. Wo kein Weizen wuchs, ernährten sich die Menschen von den Kastanien. Brot, Suppen oder Marmeladen wurden aus den stärkereichen Kastanien in den Küchen hergestellt. Heute werden die „Keschde“, wie sie in der Pfalz heißen, in der Gastronomie der Weindörfer in vielen Variationen angeboten – sie dienen als touristisches Zugpferd. Dabei bietet die Edelkastanie viel mehr als nur eine schöne Kulisse.

Foto: Setzepfand
Die Edelkastanie liefert viel Kohlenhydrate in den Früchten
Der Abteilungsleiter des Forstministeriums Rheinland-Pfalz, Dr. Jens Jacob, ergänzte, dass dies das bedeutendste Vorkommen in Deutschland sei. Die Edelkastanie verbinde den Pfälzerwald mit den Weinbergen, den Forst mit der Winzerschaft und die Pfalz mit dem Elsaß. Insgesamt wachsen rund 7 500 ha Edelkastanien in Deutschland, vor allem an den Hängen des Oberrheingrabens. Jeweils 3 200 ha sind es in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, 488 ha in Nordrhein-Westfalen und 274 ha in Hessen, hier vor allem im Odenwald und Vordertaunus.
Volker André Bouffier von der Interessengemeinschaft Edelkastanie zeigte in seinem Vortrag, dass die Edelkastanie nicht nur ein landschaftsprägender Solitärbaum sein kann, sondern dass dieser Baum eine eigene Kastanienkultur hervorgebracht hat, die in Literatur, Kunst und Gesellschaft eine Rolle spielte. Dass deren Ausbreitung einst größer war, zeigen Malereien aus dem Jahr 1620 des Heidelberger Schlosses, auf denen die Hänge voller Edelkastanien standen. Mit einem Stärkeanteil von 43 Prozent war es den damaligen Bewohnern wichtig, Keschdegärten – eine Art Hutewald mit Edelkastanien – ganz in der Nähe der Siedlungen anzulegen. Ein Relikt dieser Zeit könne noch in Dannenfels beim Donnersberg begutachtet werden. Auf Weinbergsterrassen wurde die Kastanie im Niederwald betrieben, um die notwendigen Pfähle und den historischen Kammertbau für die RebÂerziehung umsetzen zu können.
Die Ursprünge der Edelkastanie liegen in Kleinasien beim Schwarzen Meer. In Europa wächst die Edelkastanie auf knapp 2,5 Mio. ha. Die von den Römern über die Alpen gebrachte Castanea sativa bildet heute große Vorkommen von rund 700 000 ha in Frankreich. „Sie bedeckt damit fünf Prozent der französischen Waldfläche“, sagte Jacob. In Asien gibt es die Art Castanea crenata. Sie wuchs dort lange bevor es Reis gab. In China gibt es die Art Castanea mollisima. Rund 2 Mio. t Kastanien exportiert China jährlich und liefert so rund 90 Prozent aller Maronen auf den Weltmarkt. 4 Mio. ha Edelkastanienbestände gab es von der Art Castanea dentata in Nordamerika. Dieses Vorkommen wurde aufgrund des Kastanienrindenkrebses bis auf 100 Bäume Anfang des 20. Jahrhunderts ausgelöscht. Diese Art nannte man auch die Königin unter den Kastanien, da sie bis zu 60 m hoch werden konnte. Der Erreger des Kastanienrindenkrebses ist 1938 in Italien angekommen und breitet sich in Europa aus.
zep – LW 30/2018