Nicht warten, bis der Ernstfall da ist
Was zu tun ist, wenn der Betriebsleiter ausfällt
Was ist zu tun, wenn der Betriebsleiter oder die Betriebsleiterin plötzlich durch Unfall, Krankenhausaufenthalt oder plötzlichen Tod die GÂeschicke des Hofes nicht mehr lenken kann? Auf die AngeÂhörigen prasseln dann neben der eigentlichen Sorge oder auch Trauer viele ökonomische Fragen ein: Wie geht es auf dem Betrieb weiter? Wen muss ich informieren? Wer kann mir helfen? Wo finde ich geeignete Hilfskräfte? Wer weiß was, wann und wie erledigt werden muss? Gibt es eine Vorsorgevollmacht? Wer führt die Bankgeschäfte fort?

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Die Dokumente sollten von Zeit zu Zeit geprüft werden
Regelmäßig muss mit allen Beteiligten der Inhalt des Ordners besprochen werden, damit im Notfall der Ordner auch gefunden wird und die notwendigen Passwörter und Pin bekannt sind. Die Mitarbeiter vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) bieten Hilfestellungen beim Ordnen und Sortieren der vorhandenen Unterlagen und Dokumente an. Außerdem stellen sie Vordrucke und Informationen auf der GQSHE - CD (Gesamtbetrieblichen Qualitätssicherungssystem) zur Verfügung, mit welchen die Betriebsabläufe erfasst werden. Dies reicht von den technischen Anlagen wie zum Beispiel Elektrizität bis zu den einzelnen Produktionsverfahren in den Bereichen Tierhaltung und Pflanzenbau. Die Vordrucke und Hinweise müssen genau ausgefüllt werden, so dass sich sowohl Familienmitglieder, als auch betriebsfremde Personen orientieren können. Dazu ist es gut, wenn der Betriebsleiter mit dem Blick eines Fremden seinen Betrieb anschaut. Man sollte die Angehörigen die bearbeiteten Checklisten anschauen und den Ernstfall proben, um zu prüfen ob die Familienmitglieder die Aufzeichnungen verstehen. Informationen zu den privaten und betrieblichen Versicherungen sollten jährlich aktualisiert werden. Ein Deckblatt im Ordner liefert die wichtigsten Informationen zu: Vertragslaufzeit, Beitrag, Versicherungssumme, Fälligkeit, Meldefristen und natürlich zu den Ansprechpartnern.
Beispiel zur Absicherung der persönlichen Risiken
Wie steht es um die rechtliche Absicherung der persönlichen Risiken? Das folgende Beispiel verdeutlicht, wie wichtig aktuelle Vollmachten und Verträge für die Familienmitglieder und den Betrieb sind. Geordnet abgelegt, stehen diese mit einem Handgriff im Notfall zur Verfügung: Franz Meyer ist 77 Jahre alt. Eigentlich wollte er seinen Betrieb schon seit Rentenbeginn an seinen Sohn Helmut übergeben, „aber irgendwie kam immer etwas dazwischen“. Dann stellt sich plötzlich eine Demenz ein.
Eine notarielle Beurkundung zur Regelung der Betriebsübergabe an Helmut ist nicht mehr möglich. Zunächst läuft alles so weiter: Helmut bewirtschaftet mit der Familie den Betrieb als Pächter und die Tochter Andrea lernt Landwirtschaft, um später im Familienbetrieb einzusteigen. Gemeinsam mit der Frau unterstützt Helmut die Mutter bei Betreuung und Pflege des SeÂniors. Dies gestaltet sich im Laufe der Zeit aber immer schwieriger, so dass der Senior auf Rat des Hausarztes in ein Pflegeheim untergebracht wird. Inzwischen wurde gerichtlich ein Betreuer bestellt. Ein Mann, den die Familie vorher nicht kannte, übernimmt seither die vertraglichen und finanziellen Angelegenheiten für Franz Meyer und ist auch Ansprechpartner für Ärzte, Behörden und für das Heim – für die Familie insbesondere für die Ehefrau Anna eine unangenehme Situation.
Die Heimkosten werden zunächst aus den Pachtzahlungen, der Rente und den Ersparnissen von Franz Meyer beglichen. Als die Ersparnisse aufgebraucht sind, beginnt der Betreuer Flächen zu verkaufen. Helmut Meyer hat keine Handhabe, dies zu verhindern; will er den FamilienÂbesitz zusammen halten, müsste er selbst verkaufen. Außerdem ist die Bank wegen fehlender Sicherheiten nicht bereit, ein Darlehen für eine geplante Erweiterung der Milchviehhaltung zu gewähren. Der Betreuer stoppt die Pläne der Familie, um das Vermögen seines Mandanten nicht zu gefährden. Aus Betreuersicht eine verantwortungsvolle Entscheidung, aus Sicht der Familie wird eine wichtige Betriebsentwicklung verhindert. So steht in Frage, ob der Hof für Helmut und seine Familie noch eine Perspektive bietet.
Wann eine fachliche Unterstützung nötig ist
Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass im Vorfeld klare Regelungen getroffen werden. Die Familien müssen sich Zeit nehmen, die Eventualitäten gemeinsam durchzuspielen und gegebenenfalls fachliche Unterstützung einholen. Sie können den Betrieben Hinweise geben, in welchen Bereichen noch Handlungsbedarf besteht. Wichtig hierbei: Die Berater führen keine Rechtsberatung durch, bieten aber zum Beispiel erste allgemeine Informationen unter anderem zur PaÂtientenverfügung, zur Vorsorgevollmacht oder zum Testament. Der Notfallordner hilft betroffenen Betrieben in schwierigen familiären Situationen nicht die Nerven zu verlieren, sondern die wichtigsten Schritte anhand dieser Hilfestellung einzuleiten. Besonders positiv ist, dass sich die gesamte Familie bereits im Vorfeld intensiv mit den Abläufen im Betrieb auseinander gesetzt hat, so sind die Familienmitglieder besser vorbereitet und Betriebsfremde können sich schneller einarbeiten. Checklisten, Vordrucke und Informationen, die dazu benötigen werden, stellt der LLH zur Verfügung. Näheres bei Birgit Werner 06631/786123. Der Notfallcheck ist Bestandteil der GQSHE - CD. Der Ordner entwickelt sich mit der Zeit, nach und nach werden viele wichtige Bausteine zusammen getragen.
Anne Mawick und Birgit Werner, LLH, Ökonomie und Markt – LW 10/2016