3 000 Landfrauen beim Landfrauentag in Kassel

Gabi Bauer sprach über „Mehr Bildung für Kinder!“

Zum Landfrauentag auf dem Hessentag in Kassel kamen vergangenen Mittwoch rund 3 000 Landfrauen aus ganz Hessen. In ihrem Festvortrag sprach die aus dem Fernsehen bekannte Moderatorin Gabi Bauer darüber, wie wichtig es ist, Kindern schon frühzeitig eine Chance auf Bildung zu ermöglichen.

Das Hessentagspaar Alexandra Berge und Tobias Krechel sowie die Kasseler Stadträtin Barbara Herrmann-Kirchberg (links) überbrachten heitere Grußworte. Krechel überraschte seine Hessentagspartnerin beispielsweise mit einem Formular für die Mitgliedschaft im Landfrauenverband. Sie konterte spontan mit der Frage nach einem Kochkursangebot für Männer.

Foto: Lehmkühler

Zu Beginn des Landfrauentages auf dem Hessentag konnte Evelyn Moscherosch, Präsidentin des Landfrauenverbandes Hessen (LFV), zahlreiche Ehrengäste in der Rothenbachhalle in Kassel begrüßen – allen voran den Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier, die beiden Staatsminister Lucia Putt­rich und Stefan Grüttner sowie den Landtagspräsidenten Norbert Kartmann.

Forderungen an die Politik

„Ländliche Räume brauchen und verdienen eine gute Zukunft“, sagte Evelyn Moscherosch und hob die Bedeutung der Landfrauen als wichtigen gesellschaftlichen Faktor im ländlichen Raum hervor. Dem Verband sei beispielsweise wichtig, dass er politische Unterstützung erfahre bei der Forderung nach einem höheren Anteil von Frauen in Führungspositionen, gleichem Lohn für beide Geschlechter, besserer Gesundheitsversorgung sowie Kinderbetreuung auf dem Land, gleichen Rentenpunkten für alle Frauen und frühzeitiger Vermittlung von hauswirtschaftlichen Alltagskompetenzen.

Ministerpräsident Volker Bouffier nahm sich Zeit, um auf die Forderungen der Landfrauen einzugehen. Er bezeichnete den LFV als große, starke Organisation und als wichtigen Partner in politischen Gremien. „Wir schauen nicht nur auf die Zentren, sondern wir wollen auch einen lebensfähigen ländlichen Raum in unserem Land. Dafür brauchen wir Sie. Machen Sie weiter so engagiert mit!“, lobte Bouffier die Arbeit der Landfrauen.

Er wolle sich einsetzen für die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum und sagte: „Meine Vorstellung ist nicht, nur diejenigen Medizin studieren zu lassen, die ihr Abitur mit 1,0 abgeschlossen haben, sondern, wer bereit ist, zum Beispiel mit Abschlussnote 2,5 und guter Sozialkompetenz als ländlicher Arzt zu praktizieren, der soll auch dafür eine Chance in diesem Beruf bekommen.“ In Bezug auf die Rentenpunkte sei er froh, „wenn wir mit einem weiteren Punkt beginnen“.

Außerdem lud Bouffier die Landfrauen zu einem Gespräch ein, um über die Forderung nach einem eigenständigen Schulfach zur Vermittlung hauswirtschaftlicher Kompetenzen zu diskutieren. Aus seiner Sicht sei es schwer, „den Schülern noch mehr Fächer als bisher draufzupacken. Schule sollte um 16 Uhr beendet sein“.

15 000 Unterschriften überreicht

Den Festvortrag hielt Gabi Bauer (links), hier im Gespräch mit Landfrauenpräsidentin Evelyn Moscherosch.

Foto: Lehmkühler

Mit einer Unterschriftenaktion, die die drei hessischen Hauswirtschaftsverbände vor einem Jahr auf dem Hessentag in Wetzlar gestartet hatten, machten der LFV, der Landesverband Hessen des DHB – Netzwerk Haushalt und der Hessische Verband der Hauswirtschaftsmeisterinnen er­neut auf ihre Forderung nach der Einführung eines eigenständigen Schulfaches rund um hauswirtschaftliche Alltagskompetenzen aufmerksam. Die gesammelten 15 000 Unterschriften wurden lautstark von Schülern aus Ful­da­brück Ihringshausen in die Halle gebracht und den Ministern Bouffier und Puttrich überreicht. Stellvertretend für die drei Verbände forderte Anne Mitschulat die Landesregierung zum Handeln auf: „Alle gesellschaftlichen Schichten haben sich an unserer Unterschriften­aktion beteiligt, weil sie erkennen, dass diese Alltagskompetenzen nicht nur für den Einzelnen wichtig sind, sondern einen wirtschaftlichen Vorteil für unsere Gesellschaft darstellen. Hauswirtschaft braucht jeder“, so die Vorsitzende des Landesverbandes Hessen des DHB – Netzwerk Haushalt.

Erst Bindung, dann Bildung

„Wir sind in unserem Land zwar rohstoffarm, aber wir sind immer bildungsreich gewesen“, begann Festrednerin Gabi Bauer ihren Vortrag. Aber nicht jedes Kind erhalte heutzutage die Möglichkeit auf Bildung, sagte die aus dem Fernsehen bekannte Moderatorin. Als Schirmherrin der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ sei es ihr ein Anliegen, durch aufklärende und unterstützende Maßnahmen etwas dagegen zu tun. Zunächst sei es wichtig, zu verstehen, dass Bildung nicht nur die reine Wissensvermittlung umfasse, sondern dass man Kindern auch seelische (Erlernen von Empfindsamkeit) und soziale Bildung (Erlernen von Einfühlsamkeit und Mitgefühl) mit auf den Lebensweg geben müsse. Würden die beiden letzteren Bereiche vernachlässigt, würde sich dies negativ auf die Kindesentwicklung auswirken.

„Jeder Säugling ist bereit für Bildung“, erklärte Bauer. Voraussetzung dafür sei, ihm zu ermöglichen, dass er sich an die Eltern binden könne. 80 Prozent der Kinder würden hierzulande mit guter Bindung zu den Eltern aufwachsen. Insbesondere bei Kindern in schwierigen sozialen oder psychosozialen Lebensverhältnissen kämen jedoch durch zu wenig Bindung und Zuwendung viel mehr pathologische Hyperaktivität, mehr Sprach- und Sprechstörungen, mehr psychomotorische Störungen bis hin zu einem erschreckend erhöhten Auftreten von geistiger Beeinträchtigung vor.

„Vielen Kindern fehlt die Chance auf Bildung“

Pro Jahr würden in Deutschland 680 000 Kinder und Jugendliche vernachlässigt. „300 bis 400 Kinder werden in ihrem ersten Lebensjahr sogar schwerst körperlich misshandelt“, informierte Gabi Bauer. „Das sind Kinder ohne Chance auf eine selbstbestimmte Jugend. Ich will das so nicht mit ansehen“, sagte Bauer. Ihre Stiftung würde aktiv gegen diesen Zustand kämpfen. Ein Schritt in diese Richtung sei beispielsweise der Einsatz von bundesweit eingesetzten Familienhebammen und Familienkinderkrankenschwestern. Diese sogenannten „frühen Hilfen“ seien sogar in das Kinderschutzgesetz aufgenommen worden. „Die Regierung hat die Notwendigkeit dieser Unterstützungen anerkannt. Sie zeigen den Eltern, wie wichtig Bindung, Liebe und Fürsorge für das Baby ist“, so Bauer. „Nehmen Sie Ihren Wahlspruch aus dem Jahr 2011 für die, die frühe Hilfe benötigen und erweitern Sie ihn, sodass es heißt: Auf zu neuen Chancen und auf zu Bindung und Bildung!“, forderte die Festrednerin die Landfrauen zur Mithilfe gegen Vernachlässigungen auf.

Präsidentin Evelyn Moscherosch nutzte die Aufforderung und ließ Spendendosen durch die Landfrauenreihen geben. Es wurden 2 400 Euro für die Stiftung von Gabi Bauer gesammelt.

Starke Gemeinschaft im BV Kassel

„Wir sind eine starke Gemeinschaft“, sagte die Bezirksvorsitzende Irene Bonn und stellte den Bezirkslandfrauenverein (BV) Kassel vor. In 18 Ortsvereinen und mit 1 250 Mitgliedern mische sich der BV in alle gesellschaftlichen Belange ein. Der BV setze zudem auf Kontinuität, Tradition, Weiterbildung, Geselligkeit und zeitaktuelle Angebote. „Jede Frau ist willkommen, um bei uns mitzumachen“, forderte Bonn zur Mitgliedschaft auf.

Das Rahmenprogramm auf dem Landfrauentag wurde gestaltet von dem Bläserkorps Kassel Brass, dem Mariendorfer Damenquartett und der Tanztruppe des Landfrauenvereins Waldau.

Schlussworte sprach Bärbel Scherp, 1. Stellvertretende Vorsitzende des LFV Hessen. Sie resümierte: „Ein schöner hessischer Landfrauentag in Kassel geht zu Ende – hier ganz oben in Hessen. Es gibt ein Wiedersehen nächstes Jahr zum Hessentag in Bensheim – dort ganz unten.“

Ministerpräsident Volker Bouffier ging auf Forderungen der hessischen Landfrauen ein und sagte ihnen Unterstützung zu.

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Der Präsident des Hessischen Bauernverbandes Friedhelm Schneider brachte kurz und bündig die Verbundenheit der „grünen Familie“ zum Ausdruck. Dafür gab es viel Applaus.

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Irene Bonn, Vorsitzende des BV Kassel, stellte den Bezirksverein als starke Gemeinschaft vor und lud alle Anwesenden zu der Ausstellung „Natur auf der Spur“ ein.

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SL – LW 26/2013