Anheizen der Lanz-Einzylinder

IGHL-Brauchtumsveranstaltung auf Baiersröderhof

Vergangenen Sonntag ließ der Baiersröderhof bei Hammersbach wieder die Herzen von Liebhabern historischer Landtechnik höher schlagen. Die Interessengemeinschaft Historische Landmaschinen Wetterau/Main-Kinzig (IGHL) hatte zur 27. Brauchtumsveranstaltung auf der Staatsdomäne eingeladen, bei schönem Wetter kamen über 5 000 Besucher, um historische Maschinen und Demonstrationen von alten Landtechniken in Betrieb zu erleben.

Lokomobile wurden auch zum Pflügen schwerer Ackerböden eingesetzt.

Foto: Tonia Hysky

Zu Beginn konnte man den Einzug alter Traktoren zusehen, darunter Lanz, Güldner, Deutz, Fendt und Hanomag. Gerhard Kienz bediente am Rohrkessel des Lokomobils die Hebel und die Maschine ist bereit. Jetzt sollte sich jeder Arbeiter in Position befinden. Langsam setzt sich der Antriebskolben der Dampfmaschine mit leisem Zischen in Bewegung, die Kraft des Lokomobils treibt über einen langen Keilriemen einen nicht weniger historischen Dreschkasten an.

Oben auf dem Dreschkasten wirft ein Arbeiter die gebündelten Garben in die Maschine, diese trennt das Korn vom Halm. Hinten wird das Stroh locker gebunden, das Korn landet am anderen Ende in Säcken. Das Lokomobil mit knapp 14 PS wurde 1923 in der Maschinenfabrik Badenia in Weinheim an der Bergstraße gebaut. Bevor es arbeiten kann, muss es mithilfe der Feuerbüchse am Rohrkessel erst einmal bis zu einer Stunde angeheizt werden. Der lange, quer gelegte Kessel ist zur Hälfte mit Wasser gefüllt, die obere Hälfte ist der Dampfraum. „Das Wasser kocht, der Dampf macht die Arbeit“, erklärt Kienz vom „Förderverein Dampfmaschinenmuseum“ in Hanau. Und die Arbeit am Lokomobil läuft recht geräuscharm ab, im Gegensatz zum rumpelnden Dresch­kasten am anderen Ende des Keilriemens.

Das Lokomobil muss unter ständiger Beobachtung stehen, das Feuer darf während der Arbeit nicht ausgehen. Für eine Maschine benötigt es einen Arbeiter, allerdings darf nicht jeder ein Lokomobil betreiben. Es bedarf einer besonderen Ausbildung, bei der am Ende eine Prüfung für den „Kesselwärterschein für historische Dampfkessel“ beim TÃœV abgelegt werden muss. Denn wer eine solche Maschine betreibe, der müsse auch die Befähigung dazu haben, so Kienz. Obwohl das Lokomobil Räder besitzt und ortsbeweglich ist, hat es im Gegensatz zum Automobil keinen eigenen Antrieb. Ortsbeweglich bedeutet hier, dass die Maschine von Pferden, Ochsen oder einem Traktor zur Einsatzstelle gezogen werden musste. Das Lokomobil wird jedoch am Schluss der IGHL Veranstaltung nicht auf seinen eigenen Rädern wieder nach Hanau gezogen, sondern unkompliziert auf dem Anhänger gefahren.

Ein Stück weiter auf dem Ausstellungsgelände betreibt Eckard Lotz zur Vorführung mit seinem Lanz Bulldog auf ganz andere Weise eine Schwellenholz-Kreissäge. Der Traktor vom Typ 8 506 mit 35 PS und einem Hubraum von 10 300 cm³ wurde im Jahr 1938 gebaut, seit 1956 ist er im Familienbesitz. Vor dem Start muss der Bulldog „angeheizt“ werden, mit einer Lötlampe wird die Glühnase im Zylinderkopf zum Glühen gebracht und nach etwa zehn Minuten wird mit den abmontierten Lenkrad die Kurbelwelle angeworfen. Nun läuft der Motor auf Diesel.

Das Sägen beschäftigt bis zu fünf Leute. Über einen Keilriemen treibt der Traktor die Säge an, per Hand werden die Stämme über eine Rampe auf die bewegliche Schiene geschoben. Sind die Stämme in die richtige Position gebracht, werden diese mit zwei Eisenhaken gesichert und an der Säge entlang geschoben.

„Die erste und zweite Seite sägt man mit Augenmaß, sind diese fertig hat man eine Fläche zur Orientierung für die restlichen zwei Seiten“, erklärt Lotz. Von Hand werden die Baumstämme wieder und wieder gedreht, bis schließlich eine Schwelle draus wird. Von 1956 bis 1963 habe sein Vater mit dem Gespann rund 45 000 Schwellen für die Bundesbahn gesägt, erzählt Lotz.

Lanz verpasste Anschluss an technischen Fortschritt

Mitglieder der IGHL stellten die Arbeitsweise der Dreschmaschine vor.

Foto: Tonia Hysky

Wie alle Lanz Bulldog der alten Baureihen besitzt auch sein Lanz nur einen Zylinder, eine Bauform die schließlich – trotz Einfachheit und Robustheit der Traktoren – zum Ende der geschichtsträchtigen und bei Sammlern beliebten Marke führte. Die Marke Lanz habe einfach den Anschluss verpasst, so Lotz.

1956 erwarb John Deere die Aktienmehrheit. Lediglich ins Ausland, wie beispielsweise Afrika wurden Lanz Bulldog noch verkauft. Zur Pause schaltet Lotz den Lanz zunächst auf Standgas, erst nach etwa 15 Minuten schaltet er ihn ganz aus. So muss er ihn nicht abrupt aus voller Leistung ausschalten. Lotz vergleicht es mit dem Menschen: „Wenn man hier einen Dauerlauf gemacht hat, stoppt man ja auch nicht und bleibt einfach stehen. Man läuft sich aus, genau wie der Lanz“. Zwischen 1968 und 1982 ruhte der Traktor in der Scheune, aber bis heute ist der Traktor im Einsatz und es hänge sein Herz an der Maschine: „Der Lanz hat mich groß gezogen“, schwärmt Lotz. Zurück ins heimatliche Birlenbach bei Faching geht es „auf Achse“, für die knapp 100 km braucht der Bulldog vier Stunden – eine abenteuerliche Fahrt. Bei der nächsten Aktion werde er den Traktor jedoch auf dem Anhänger transportieren, „dem Rücken zuliebe“, sagt Lotz. Das Anwerfen der Lanz Bulldogs nimmt auf dem Baiersröderhof bisweilen fast feierliche Züge an, zweimal täglich heizen ein halbes Dutzend Bulldog Besitzer ihre historischen Traktoren vor Publikum an. Nach rund zehn Minu­ten wirft der erste Auspuff schwarzen Rauch aus und es ertönt das typische Dröhnen der schweren Einzylinder. Weil es so schön ist, dreht der ein- oder andere Bulldog Fahrer noch eine Runde über das Festgelände.

Anheizen ist nicht gleich dem Anglühen

Der Begriff „Anheizen“ komme von der Heizlampe, die unter den Zylinderkopf gestellt wird, um den Startvorgang einzuleiten, sagte Rüdiger Witzel, Vorsitzender der IGHL. „Der Lanz wird angeheizt, andere Dieselmotoren werden angeglüht. Wer die Begriffe vertauscht, verrät sich als Neuling“, lächelt Witzel.

Vor der Reihe alter Lanz Bulldog steht Hagen Walter aus dem benachbarten Heldenbergen, er kommt bis auf wenige Ausnahmen seit 1980 jedes Jahr hier her. „Ich bin zwischen vier Bauernhöfen groß geworden, da wurde John Deere in der Nachbarschaft gefahren und natürlich auch ein alter Lanz mit einem schmalen Motorblock.“ Er selbst habe keine alte Landmaschine, aber die Faszination ist trotzdem da. An dieser Brauchtumsveranstaltung schätzt er die Mischung aus verschiedenen Fahrzeugtypen wie Unimog, Traktoren oder Straßenzugmaschinen von Schaustellern. Auch für Witzel als Veranstalter ist der Charakter des Festes wichtig, so solle es keine stationäre Traktor Ausstellung sein, sondern eine Brauchtumsveranstaltung. „Wir wollen der Bevölkerung zeigen, wie in der Vergangenheit vor 50 oder 100 Jahren gearbeitet worden ist.“, sagte Witzel. Vor allem sei immer etwas Bewegung da, seien es die Vorführungen von historischen Maschinen oder das bunte Rahmenprogramm mit Musik und Verkaufsständen.

Sebastian Wissel aus Freigericht und Mitglied der IGHL nennt einen Lanz Allzweck Bulldog Typ 75 06 A mit 25 PS sein Eigentum. Gebaut wurde dieser 1948, als einer der ersten nach dem Krieg im wiederaufgebauten Werk der Heinrich Lanz AG in Mannheim. Jedoch deutet vieles darauf hin, dass manche Teile des Bulldogs schon während des Krieges gefertigt wurden. Praktikabel bei dem Allzweck Bulldog war die höhere Bodenfreiheit.

So konnte man damals schon einwandfrei durch verschiedene Kulturen fahren – wie Zuckerrüben oder Kartoffeln. Gekauft hat Wissel diesen Traktor vor zwei Jahren und dann gut ein Jahr restauriert, das Motorgetriebe ist voll überholt. Das Besondere: „Es ist ein Allzweck-Bulldog, von dem wurden im Gegensatz zum Ackerluft-Bulldog nur wenig gebaut“, erklärt Wissel. In den Bulldog könne man alles „reinschmeißen“ was gut brennt, „beim Fahren und der Leistung erkennt man keinen Unterschied zwischen Frittenfett und Diesel“, schmunzelt Wissel.

Das Anheizen der Bulldogs ist einer der Höhepunkte.

Foto: Tonia Hysky

Auf dem Acker am Rand der Veranstaltung zeigen Marcel und Corina Bogisch aus Lützel-Wiebelsbach wie in den 50er Jahren noch ganz ohne Dampf und Diesel gepflügt wurde. Der damals als sehr praktisch angesehener Drehpflug der Marke Eberhard wird mit zwei Pferdestärken durch den Ackerboden gezogen. Die Pferdestärken nennen sich Zilla und Sandy und gehören zur Rasse Rheinisch Deutsches Kaltblut, den Pflug ziehen sie ausnahmsweise im Sonntagsgeschirr. Hatte man damals keine Pferde zur Verfügung, musste man auf den günstigeren Ochsen oder die Milchkuh umsteigen.

Mit der Möglichkeit, den Pflug am Ende des Ackers einfach auszuklinken und mithilfe der Pferde zu wenden, konnte man eine Furche neben die andere ziehen. „Es fängt ja damit an, dass jemand etwas erfindet und der nächste denkt sich: Wie könnte ich diese Erfindung besser machen?“, so Bogisch. In den 50er Jahren konnte sich noch nicht jeder einen Traktor leisten, somit pflügten viele Landwirte weiterhin per Pferd ihren Boden.

Den Nachfolger der Pferde besitzt Wolfgang Kötter aus Friedrichsdorf, von den Traktorfreunden Nieder-Eschbach/Seulberg. Seine kleine Zugmaschine des Herstellers BOB Zugmaschinen GmbH Wandsbek wurde 1933 gebaut und bringt es mit einem Deutz Verdampfer Motor auf 9 PS und damit 16 km/h. Die Zugmaschine wurde in ihren Anfangsjahren als Fahrzeug einer Speditionsfirma in Frankfurt am Main zur Verteilung von Stückgut benutzt. Später montierte man eine Säge auf das Heck, um im Wald Holz zu machen. Von 1955 bis 2004 stand die Maschine in der Scheune, aufgebockt auf ein Holzgestell. Nachdem Kötter wieder Luft auf die Reifen gepumpt hatte, lief der Motor wie eh und je. Die Zugmaschine sei für ihre Zeit ein sehr modernes Gefährt gewesen, sagte Kötter. Die rot-weiße Kelle auf dem Sitz benutzte man damals zum Blinken, man hielt sie einfach aus dem Fenster. „Allerdings ging Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre die Entwicklung rasend weiter, mit dem Komfort konnte die Zugmaschine nicht mehr mithalten“, erklärt er. Ihr Glück war, dass sie zum Großteil aus Holz besteht – das rettete sie vor dem Schrottplatz, es ist einfach zu wenig verwertbares Metall dran.

Hysky – LW 35/2015