Arbeitszeitgesetz passt nicht mehr zu Realität von heute
Nahles im Gespräch mit Arbeitgeberverbänden
Der Vorstand des Landwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes Rheinland-Nassau traf sich im Juli auf dem Betrieb der Familie Ralf Hickmann in Plaidt mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, um drängende Probleme beim Einsatz von Saisonarbeitskräften zu besprechen. An dem Treffen nahmen auch der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes RheinhessenPfalz, Dr. Ludwig von Heyl, und der Vorsitzende der Fachgruppe Gemüsebau im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd, Hermann Reber, teil.

Foto: Herbert Netter
Bei Hitze müssen Ruhezeiten reduziert werden
Auch wurden die Ruhepausen des Arbeitszeitgesetzes von den Arbeitgebervertretern angesprochen. Ziel müsse es sein, die maximal zusammenhängende Ruhezeit von zehn auf acht Stunden zu reduzieren. Es sei den Menschen aus gesundheitlichen Gründen nicht zuzumuten, im Sommer bei großer Hitze arbeiten zu müssen, nur um am Abend die Ruhezeiten einhalten zu können. Es sei sehr viel sinnvoller, eine längere Mittagspause einlegen zu können und erst wieder am späteren Nachmittag die Arbeit aufzunehmen.
Aktuelle Regelung kollidiert mit Gesundheitsschutz
Nahles entgegnete, dass sie sich eine Reduzierung der Ruhephasen auf neun Stunden vorstellen könne, da es eine solche Regelung bereits im Bereitschaftsdienst der Krankenhäuser gebe. Änderungen der Ruhezeiten seien problematisch, da EU-Richtlinien tangiert würden. Die EU regele die Arbeitszeiten nicht so sehr über die Arbeitsstunden, sondern über die Ruhephasen. Daher fordere die EU die längere Ruheregelung. Diese kollidiere mit dem deutschen Recht, was eine Flexibilität erschwere. Die Beteiligten wiesen die Ministerin vor diesem Hintergrund darauf hin, dass die aktuelle Regelung aber auch mit dem Gesundheitsschutz kollidiere. Nahles hat das Problem erkannt und stellte fest, dass die aktuelle Ruhezeitregelung auch in vielen anderen Wirtschaftsbereichen und vor allem bei Start up-Firmen zu Problemen führe. Das Arbeitszeitgesetz aus dem Jahre 1994 passe nicht mehr mit der Realität von 2017 zusammen, bemerkte die Ministerin. Nahles werde sich auch künftig für eine Liberalisierung der Arbeitszeiten einsetzen. Änderungen könnten allerdings vor den anstehenden Wahlen nicht mehr umgesetzt werden.
Derzeitige Regelung der Ausnahme zu bürokratisch
Die Arbeitszeitflexibilisierung sei vielmehr ein Thema künftiger Koalitionsgespräche. In diesem Zusammenhang wurde auch die Erhöhung der täglichen Arbeitszeit auf über zehn Stunden diskutiert. Nach jetziger Gesetzeslage besteht für Saisonbetriebe die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, wodurch unter bestimmten Bedingungen Saisonarbeitskräfte bis zu 12 Stunden täglich, so in der Ernte, arbeiten dürfen.
Diese Möglichkeit ist aber nicht ausreichend, da die Beantragung sehr bürokratisch und die Bearbeitungszeit der Anträge zu lang ist. Deshalb fordern die Arbeitgebervertreter eine gesetzliche Regelung, wonach unter gewissen Voraussetzungen die Arbeitnehmer über zehn Stunden arbeiten dürfen. Ein weiteres Anliegen war die Anhebung des Entgeltes für Minijobs von 450 auf 650 Euro. Dies sei wichtig, um künftig potenziellen Arbeitnehmern eine Arbeitsstelle anbieten zu können. Nahles entgegnete, dass die Angleichung des Minijobgehaltes ohnehin in naher Zukunft anstehe, da auch zwischenzeitliche Inflationsraten und Gehaltserhöhungen bei einer Änderung berücksichtigt werden müssten.
Minijobs von 450 auf 650 Euro Entgelt anheben?
Ihr erscheine aber die Anhebung um 200 Euro zu hoch. Schließlich wolle die Politik „keine Minijobs züchten“, sondern die Menschen in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse integrieren.
Aus Sicht der Arbeitgebervertreter bestehe aber das Problem, dass viele landwirtschaftliche Unternehmen auf die Vergabe von Minijobs angewiesen seien und Mitarbeiter nur sehr schwer zu gewinnen wären, wenn die Entgeltgrenze lediglich bei 450 Euro liegt.
Die Vertreter der Arbeitgeber und Bundesministerin Andrea Nahles stellten am Ende ihrer Gesprächsrunde fest, dass sie in allen wesentlichen Punkten übereinstimmten. Nun gehe es aber darum, die verschiedenen Anliegen nach der Bundestagswahl auch umzusetzen.
Herbert Netter – LW 31/2017