Behandlung der Jungweine

Kellerwirtschaftliche Arbeitshinweise

Bereits Ende August wurde mit der Lese vielerorts begonnen. Kennzeichnend für die Witterung waren die extrem hohen Temperaturen tagsüber, sodass die Trauben überwiegend bei Dunkelheit früh morgens geerntet werden mussten. Bereits ab etwa 11 Uhr waren die Trauben zu warm für die Ernte. Nur noch mit großem Aufwand konnten Maische und Most gekühlt werden, um einen spontanen Gärbeginn zu verhindern. Dies führte zu einem raschen Leseverlauf in rund drei Wochen.

Vor allem die Burgundersorten, wie Spät- und Grauburgunder, fielen mit stark steigenden Mostgewichten bis 100 Â°Oe aus der Reihe und erforderten schnelles Handeln. So entstand trotz trockener Witterung ein gewisser Termindruck bei Winzern und Vollernter­fahrern. Andere Rebsorten, wie Riesling zeigten dagegen nur leicht überdurchschnittliche Mostgewichte bei guten Gesamtsäuregehalten. Der Jahrgang insgesamt ist geprägt von einer sehr hohen Traubengesundheit, fast keiner Fäulnis und keinen Problemen mit Schädlingen wie der Kirschessigfliege. Probleme bereiteten in Einzelfällen Oidium sowie Sonnenbrand. Es handelt es somit um einen qualitativ sehr guten Jahrgang mit guten Erträgen bei Standorten mit ausreichender Wasserversorgung.

Bei Trockenstandorten, wie Steillagen oder Sandböden, mussten wieder deutliche Ertragsdepression hingenommen werden. Die Trauben ließen sich meist relativ gut pressen und die Moste leicht klären. Die Vergärung verlief entgegen manchen Befürchtungen aufgrund niedriger Stickstoffgehalte relativ unproblematisch. Nur in Einzelfällen waren Gärstockungen bei sehr hohen Mostgewichten oder bei Mangel an Hefenährstoffen zu beobachten. Die Weißweine präsentieren sich als Jungweine sehr aromatisch und reif, teilweise aber mit zu hohen Alkoholgehalten. Die Roséweine zeigen teilweise sehr viel Farbe, was insbesondere bei Blanc de Noir-Weinen zu Problemen bei der A.P. Prüfung führen kann.

Rotweine hatten wieder die Nase vorne aufgrund optimaler Bedingungen hinsichtlich Reife, Gerbstoffpotenzial und Farbe. Der Klimawandel begünstigt offensichtlich den Anbau von Rotweinen. Lediglich der Mangel an Botrytis führt dazu, dass nun immer weniger typische edelsüße Weißweine hergestellt werden können.

Feinhefelagerung und Biologischer Säureabbau

Sobald die Gärung der Weißweine zu Ende geht, kommt es darauf an, eine Schädigung von Aroma und Geschmack durch Oxidation zu vermeiden. In Glasballons lässt sich die Oxidation optisch leicht durch die Bräunung erkennen. Der Geruch ist geprägt von Acetaldehyd und erinnert an frisches Brot oder Apfelwein. Je nach pH-Wert und Gesundheit des ursprünglichen Leseguts gibt es verschiedene Optionen. Am Anfang steht immer das Beifüllen der Gärbehälter bis zum Spundloch.

Nach Gärende werden von den Jungweinen Fassweinproben entnommen, um eine erste sensorische und analytische Kontrolle gemeinsam mit einem Fachlabor durchzuführen. Die Verkostung durch ein Fachlabor oder mit Dritten soll zu einer möglichst objektiven Bewertung der Weinqualität zu einem frühen Zeitpunkt dienen. Denn jetzt besteht noch die Möglichkeit, auf die weitere Entwicklung der Weine korrigierend Einfluss zu nehmen.

Bei gesundem Lesegut und stabilen pH-Werten kann die Schwefelung zugunsten einer Feinhefelagerung herausgezögert werden. Dabei gibt die Hefe Proteine, Polysaccharide und Lipide an den Jungwein ab, was die sensorischen Eigenschaften wie Mundgefühl und Dichte weiter steigern kann. Darüber hinaus schützt die reduzierende Wirkung der Feinhefe den Jungwein vor Oxidation. Dazu muss jedoch die Hefe in Schwebe gehalten werden. Das periodische Aufrühren der Feinhefe kann durch ein langsam laufendes Rührwerk (Frequenzumrichter) oder vorsichtiges Umpumpen vom Restablauf zum Spundloch erreicht werden. Bei pH-Werten über 3,1 kann der Biologische Säureabbau (BSA) schnell einsetzen, der zur weiteren sensorischen Veränderung (fülliger, weicher) beiträgt.

Im Sinne der Qualitätssicherung sollte der BSA mit Hilfe von Starterkulturen durchgeführt werden, um nicht der Vermehrung unerwünschter Milchsäurebakterien (Pediokokken, Lactobacillen) mit negativen sensorischen Auswirkungen Vorschub zu leisten. Bei Weinen mit geringen Gesamtsäuregehalten kann durch den BSA ein sehr breiter, flacher Weintyp entstehen. Hier ist eine frühzeitige Schwefelung mit dem Ziel einer stabilen freien SO2 bei rund 35 mg/l vorteilhaft.

Schwefelung und Abstich – der richtige Zeitpunkt

Für die Jungweinschwefelung gibt es verschiedene Überlegungen. So gewährleistet eine frühe SO2-Gabe, etwa zehn Tage nach Gärende, mikrobiologische Sicherheit, dagegen ist die Weinreifung etwas gehemmt. Eine späte Schwefelung etwa zwölf Wochen nach Gärende fördert dagegen die Weinreifung, erhöht aber das mikrobiologische Risiko. Bei gesundem Lesegut und niedrigen pH-Werten (< pH 3,2) reichen SO2-Gaben von 8 g/hl bei Weiß- und Roséweinen aus, um einen Gehalt an stabiler freier SO2 von 30 bis 50 mg/l zu erreichen. Bei Weinen aus faulem Lesegut oder restsüßen Weinen sind erhöhte Gaben von 10 bis 12 g/hl notwendig. Aufgrund erhöhter pH-Werte (> pH 3,5) sind mikrobiologische Gefahren gegeben, die in Verbindung mit einer geringeren SO2-Wirksamkeit eine periodische Überprüfung des SO2-Spiegels notwendig machen.

Der heiße und trockene Sommer führte zu einer verstärkten Einlagerung von Eiweiß. Hohe Eiweißgehalte bedingen einen höheren Bedarf an Bentonit zur Entfernung. Gleichzeitig führen die erwähnten pH-Werte von über 3,5 zu einer verminderten Reaktion zwischen Bentonit und thermolabilen Eiweiß, was den Bentonitbedarf zusätzlich erhöht. Die erforderlichen Mengen an Bentonit sind im Fachlabor zu ermitteln. Aufwandmengen von bis zu 400 g/hl sind bei Weißweinen häufig anzutreffen. Im Wein sollte hochquellfähiges Natrium-Calzium-Bentonit eingesetzt werden, weil es bei pH-Werten über 3,5 eine höhere Wirksamkeit hat. Nach der Anwendung von Bentonit sollte eine Erfolgskontrolle (sogenannte Bentonit Nachkontrolle) erfolgen.

Rotweinbehandlung je nach gewünschten Stil

Eine frühe Schwefelung rund zwei Wochen nach Abschluss des Biologischen Säureabbaus ist nur für junge, fruchtige Rotweine zu empfehlen, die rasch vermarktet werden sollen. Diese Rotweine stammen häufig aus maische­erhitztem Lesegut, sind farbintensiv mit wenig Gerbstoffen. Diese werden zeitig im Frühjahr, häufig auch mit Süßreservezusatz, abgefüllt. Dagegen sollte bei international ausgerichteten Rotweintypen, wie Pinot Noir- oder Cuvée-Weinen die erste Schweflung herausgezögert werden, um eine Polymerisation von Farb- und Gerbstoffen zu ermöglichen. Die stabilisierten Farb-Gerbstoff-Komplexe werden bei einer späteren Schwefelung nicht mehr so stark gebleicht. Gleichzeitig wird die raue, gerbende Wirkung der Phenole reduziert. Sensorisch schmecken diese Rotweine weicher und runder. Dieser „oxidative“ Ausbau erfordert jedoch zwingend mikrobiologisch gesunde Rotweine, spundvolle Fässer und eine regelmäßige sensorische Kontrolle.

Gerade Rotweine aus Maischegärung und hohem Phenolgehalt reagieren positiv auf eine Belüftung im frühen Stadium. Hierzu kann der Jungwein über eine Brause oder ein Sieb abgesto­chen werden. Weiterhin lässt sich ein Sinterrohr einsetzen, das bei nicht ganz geöffnetem Kugelhahn durch das entstehende Vakuum Luftsauerstoff einzieht. Bei diesen Verfahren der Makro­oxygenierung können maximal 8 mg/l Sauerstoff vom Wein aufgenommen werden. Je nach Farb- und Gerbstoffmenge der Rotweine kann die Jungweinschwefelung bis ins Frühjahr herausgezögert werden. Die benötigte Schwefeldosage kann auf 5 bis 6 g/hl SO2 begrenzt werden. Nach der Schwefe­lung sollte ein stabiler freier SO2-Gehalt von mindestens 25 mg/l vorliegen.

Bei fehlerhaften Rotweinen muss bei der Feststellung von freiem Acetaldehyd, flüchtiger Säure oder anderen nachteiligen mikrobiologischen Veränderungen sofort mit Schwefelung, unter Umständen in Verbindung mit scharfer Filtration, reagiert werden. Bei der Bestimmung des Gehaltes an freier SO2 von Rotweinen müssen insbesondere die sogenannten Reduktone berücksichtigt werden. Reduktone sind Stoffe, die bei der Bestimmung der SOmittels Iodit-Iodat-Titration zu Messfehlern führen, weil diese auch reduzierend wirken. Dazu gehören vor allem phenolische Verbindungen (Farb- und Gerbstoffe) und auch Ascorbinsäure. In Weißweinen liegt der Gehalt an Reduktonen in der Regel nicht höher als 5 bis 10 mg/l; bei Zusatz von 20 g/hl Ascorbinsäure kann dieser Wert auf 55 mg/l ansteigen. In farbreichen Rotweinen können die Reduktone aufgrund des hohen Gesamtphenolgehalts deutlich erhöht (bis zu 50 mg/l) sein. Zur Ermittlung des Gehaltes an tatsächlich wirksamer freier SO2 wird analog der herkömmlichen Titration eine weitere durchgeführt, bei der die Probe zunächst mit einer Aldehyd-Lösung, wie Glyoxal (mindestens 5 Minuten Warte­zeit) versetzt wird. Die echte freie SO2 berechnet sich als Differenz der Messung ohne Glyoxal minus dem mit Glyoxal.

Dr. Dietrich Marbé-Sans – LW 43/2020