Diskussion muss sachlich sein

Hessische Bieneninstitute prüfen Thiacloprid-Langzeitwirkung

Moderne Pflanzenschutzmittel (PSM) aus der Gruppe der Neonikotinoide nehmen im Pflanzenbau eine Schlüsselstellung ein. Diese relativ günstigen, hochwirksamen und systemischen Mittel sind in vielen Fruchtarten Garant einer hohen Rentabilität. Viele Imker jedoch sehen den Einsatz der Wirkstoffe mit Argwohn.

Die Wissenschaftler der Bieneninstitute aus Oberursel und Kirchhain bilden die Real­situation im Feld experimentell nach.

Foto: Siede

Im Jahr 2008 gab es im Oberrheingraben massive Bienenschäden durch Beizmittelabrieb von Maissaatgut und die Verfrachtung der Stäube auf benachbarte, blühende Bestände. Die Vergiftungserscheinungen an etwa 11500 Bienenvölkern wurden amtlich bestätigt.

Bienenschäden 2008 führten zu überzogenen Reaktionen

Die Behörden veranlassten technische Verbesserungen der Sämaschinen und der Beizverfahren sowie Zulassungsbeschränkungen. Die Diskussion aber wurde vehement fortgesetzt und gipfelte in dem von der EU-Kommission beschlossenen Teilverbot der drei Neonikotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam ab dem 1. Dezember 2013.

Diese Zulassungsbeschränkung ist jedoch umstritten. Kritiker halten sie für politisch motiviert – ohne ausreichende wissenschaftliche Begründung. Andererseits belegt eine Reihe von Studien, dass Neonikotinoide im Labor und Halbfreilandexperiment deutliche negative Auswirkungen auf die Einzelbiene haben können. Allerdings wurde bislang unter realistischen Freilandbedingungen noch keine Schädigung von Bienenvölkern durch derartige Effekte beobachtet.

Bienenverträglichkeit moderner Mittel wird untersucht

Das kontrovers diskutierte Thema der Bienenverträglichkeit moderner Pflanzenschutzmittel haben die beiden hessischen Bieneninstitute aufgegriffen. Der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH, Bieneninstitut Kirchhain) und die Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt (Institut für Bienenkunde, Oberursel) kooperieren mit Bayer CropScience in einem Forschungsprojekt, um die Auswirkungen von Thiacloprid auf Bienen zu untersuchen. Warum gerade Thiacloprid?

Untersuchungen zeigen, dass mitteleuropäische Honige mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln, die im blühenden Raps eingesetzt werden, belastet sind. Neben einigen Fungiziden ist dies hauptsächlich das Neonicotinoid Thiacloprid. Saatgutbehandlungsmittel sind in Honigen kaum nachweisbar. Pollen ist mit einem vergleichbaren Spektrum an PSM-Resten belastet.

Die umfangreichen Datensätze der Langzeituntersuchung „Deutsches Bienenmonitoring“ (debimo) weisen Thiacloprid als häufigstes Insektizid im Frühjahrspollen nach. Die Rückstände erklärt sich aus der hohen Attraktivität von Raps für die Bienen, und der Tatsache, dass das als nicht bienengiftig eingestufte Mittel in blühende Bestände appliziert werden kann.

Auch wenn die Rückstände unter den Grenzwerten liegen und Rapshonige dementsprechend verkehrsfähig sind, wirft die Situation einige Fragen auf:

Gibt es eine schleichende Langzeitwirkung?

Thiacloprid hat nur eine mäßige Giftwirkung auf Bienen; es ist mehr als tausendmal weniger toxisch für Bienen als die drei eingangs erwähnten Neonikotinoide. Deshalb ist es in der Rapsblüte zugelassen. Allerdings ist derzeit nicht klar, ob und wie die Honigbiene darauf reagiert, wenn sie über längere Zeiträume geringen, nicht- tödlichen Mengen Thiacloprid in Nektar und Pollen ausgesetzt ist.

Arbeitsbienen lagern Nektar in Form von Honig ein und ernähren sich selbst wie auch ihre Brut von diesen Vorräten. Pollen ist die einzige Eiweißquelle, die ein Bienenvolk nutzen kann. Im Stock wird er in die Zellen eingestampft und milchsauer vergoren. Der Imker bezeichnet dies als Bienenbrot. Bienenbrot ist wichtig für die Aufzucht von Bienen. Eine Auswirkung von im Bienenbrot enthaltenen Substanzen auf Brut oder erwachsene Arbeitsbiene kann nicht ausgeschlossen werden. Diese Frage soll in dem vom Bundeslandwirtschaftsministerium geförderten Forschungsvorhaben geklärt werden.

Versuche unter realistischen Feldbedingungen

Die Wissenschaftler aus Oberursel und Kirchhain bilden dabei die Realsituation im Feld experimentell nach. Im Hochsommer bauen sie aus 30 Kunstschwärmen 30 Versuchsvölker auf. Die Völker werden in drei Gruppen eingeteilt; eine Kontrollgruppe wird nur mit Zuckerwasser gefüttert. Die beiden Versuchsgruppen werden kontinuierlich mit Futter versorgt, dem Thiacloprid in zwei, nicht-tödlichen Konzentrationen untergemischt ist.

Die Völker werden regelmäßig bonitiert. Prüfmerkmale sind die Volksstärke, die Thiaclopridbelastung, der Gesundheitszustand und die Gewichtsentwicklung. Da der Versuchsstandort den Bienen wenig Futter anbietet, müssen sie sich vom belasteten Zuckerwasser ernähren. Das Vorhaben ist mit drei Wiederholungen auf drei Jahre ausgelegt. Zwei Versuchsdurchläufe sind bereits abgeschlossen.

Erste Ergebnisse bestätigen gute Bienenverträglichkeit

Die vorläufigen Ergebnisse bestätigen die geringe Giftigkeit von Thiacloprid für Bienenvölker, selbst bei einer über Monate andauernden Exposition. Deutliche Unterschiede zwischen den drei Gruppen sind nicht erkennbar. Die Völker aller drei Gruppen haben annähernd die gleiche Anzahl an Bienen und Brut.

Auch nach den beiden Winterhalbjahren, in denen die Bienen von dem belasteten Futter zehrten, traten keine klaren Effekte auf. Die Winterfestigkeit der Völker war nicht beeinträchtigt. Es gab keine Verluste.

Falls Thiacloprid doch Beeinträchtigungen verursachen sollte, sind diese nicht augenscheinlich und werden eventuell erst nach Abschluss des Versuches im Frühjahr 2014 nach der statistischen Auswertung erkennbar sein.

Fazit: Rückstände ja, Bienenschäden nein

Thiacloprid hat bis zum jetzigen Stand des Versuches zu keinen erkennbaren Beeinträchtigungen der Bienenvölker geführt. Jedoch deutet auch das aktuelle Vorhaben wieder auf die Rückstandsproblematik hin. Die Menge Thiacloprid, die im Spätsommer an die Völker verfüttert worden war, wurde im Frühjahr in den Futtervorräten der Bienenvölker wiedergefunden. Der Wirkstoff verschwindet nicht.

Etwas verallgemeinert heißt dies: Bienenschäden durch Pflanzenschutzmittel-Einsätze im Raps sind selten, aber Rückstände dieser Produkte im Honig sind häufig. Deshalb sind, alle Maßnahmen, die zur Verringerung des Wirkstoffeintrags in die Völker führen, im Interesse der Verbraucher, der Imker, der Bienen und somit auch der Landwirte.

Daher sind die auch in dieser Zeitschrift wiederholt ausgesprochenen Empfehlungen weiterhin aktuell:

  • die Behandlung erst gegen Abend mit Ende des Bienenflugs durchzuführen;
  • Thiacloprid nur dann und nur dort einzusetzen, wo es auch nötig ist.
  • Und gegebenenfalls nur den Schlagrand zu behandeln.

Sachliche Diskussion durch staatliche Prüfung

Anbauer und Imker leben gut mit- und voneinander. Bienen als Bestäuber tragen maßgeblich zum Rapsertrag bei. Raps ist für Imker die wichtigste Massentracht. Imker und Landwirte befinden sich in einer „win-win-Situation“.

Das Konfliktthema Pflanzenschutz sollte nicht das gute Miteinander beeinträchtigen. Die zwei hessischen Bieneninstitute werden mit dieser Thiacloprid-Studie zur Versachlichung der Diskussion beitragen können. Die Ansiedlung der Untersuchung an den beiden Landeseinrichtungen stellt sicher, dass die Überprüfung in einem neutralen und fachlich kompetenten Rahmen durchgeführt wird.

Weitere Informationen: Deutsches Bienenmonitoring, www.bienenmonitoring.org; Fitbee: http://fitbee.net. Diese Studie ist Teil des Fitbee-Verbundvorhabens, das vom BMELV im Rahmen des Innovationsprogramms über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (ble) gefördert wird.

Lena Faust, Reinhold Siede, LLH – LW 34/2013