Erdkabel schaden Böden stärker als Freileitungen

HLBS-Symposium thematisiert Grundstücksbewertung

In Alsfeld-Eudorf tagten kürzlich Agrarsachverständige und Steuerfachleute aus Hessen. Hauptthemen waren die Bewertung von Flächen, Verkehrswertermittlung, der landwirtschaftliche Bodenmarkt sowie die Bestandsüberwachung im Pflanzenbau mittels Drohnen.

HBV-Präsident Karsten Schmal: Die Vorrangregelung der Erdverkabelung für die geplanten Stromleitungstrassen schadet den landwirtschaftlichen Böden stärker als Freileitungen.

Foto: Dr. Lißmann

Zur Veranstaltung des Hauptverbandes der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen (HLBS) sowie des Regierungspräsidiums Kassel (RP), begrüßte Dr. Günther Lißmann, Leiter der Bestellungsbehörde für Sachverständige beim RP Kassel, rund 140 Fachleute. Neben den Agrarsachverständigen und Vertretern von Buchstellen waren auch Teilnehmer der Finanzämter, Gutachterausschüsse, Kreisbauernverbände sowie der Agrar- und Forstverwaltung angereist.

Karsten Schmal, Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV) und neuer Milchpräsident beim Deutschen Bauernverband (DBV) ging auf die wirtschaftliche schwere Situation in der Landwirtschaft ein und wies insbesondere auf die ruinösen Milchpreise hin. In Bezug auf die aktuell intensiv geführte Tier­wohl­diskussion forderte Schmal: „Die höheren Produktionskosten für mehr Tierwohl müssen durch bessere Erzeugerpreise ausgeglichen werden. Wer mehr Tiergesundheit möchte, muss auch neue moderne Ställe im Außenbereich zulassen.“ Wenn der weiterhin hohe Flächenverbrauch durch Siedlung- und Verkehrswegebau sowie die Beanspruchung der Agrarflächen durch breit angelegte Leitungsbaumaßnahmen nur schwer abwendbar ist, so wünscht sich der HBV-Präsident doch fähige und vertrauenswürdige Sachverständige, mit denen man die berechtigten Entschädigungen und Schadensersatzleistungen auch durchsetzen kann.

Wertgutachten für unterschiedliche Anlässse

Zum Thema „Verkehrswertgutachten für unterschiedliche Anlässe“ referierte Andreas Jardin von der Oberfinanzdirektion in Nordrhein-Westfalen. Fast alle Verkehrswertgutachten haben das Ziel Werttransaktionen zu beziffern und müssen somit von der Finanzbehörde anerkannt werden.

Andreas Jardin: Für eine Immobilie kann es immer nur einen Verkehrswert geben, unabhängig davon ob der Bewertungszweck beispielsweise einer Ertrags-, Erbschafts- oder Grunderwerbsteuer dient.

Foto: Dr. Lißmann

Bei der Finanzbehörde gibt es drei wesentliche Steuerschubladen für die Wertgutachten die Grundlage der Besteuerung darstellen: 1. Wertermittlung für die Ertragsbesteuerung, 2. Wertermittlung für die Festsetzung der Erbschaft-, Schenkung- und Grunderwerbsteuer sowie 3. Wertermittlung für die Substanzbesteuerung (Grundsteuer).

Ertragsbesteuerung: worauf ist zu beachten

Wird eine Immobilie aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt, so liegt eine Privatentnahme vor, die mit dem Teilwert zu bewerten ist (Paragraf 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Wird eine Immobilie aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen über-führt, so handelt es sich um eine Einlage die auch nach dem Teilwert zu bewerten ist. Der Teilwert unterscheidet sich vom gemeinen Wert entsprechend dem Paragraf 9 im Bewertungsgesez dadurch, dass er den Mehrwert erfasst, der sich daraus ergibt, dass er Teil der Vermögensmasse eines Betriebes ist, der weitergeführt wird.

Bei einer Betriebsaufgabe wird nicht der Teilwert herangezogen, sondern der gemeine Wert, da die Voraussetzung der Teilwertermittlung sich nur auf einen laufenden Betrieb anwenden lässt. Bei Grundstücken, deren betriebliche Nutzung sich nicht von Nutzungen außerhalb des Betriebes unterscheidet, ist der Teilwert mit dem Verkehrswert identisch.

Bei Grundstücken, die für einen bestimmten betrieblichen Bereich im Vergleich zu typischen Marktteilnehmern eine besonders große bzw. geringe Bedeutung haben, kann der Teilwert vom Verkehrswert abweichen.

Zur Besteuerung beim Übergang von Grundbesitz

Für die Ermittlung der Grundbesitzwerte zum Zweck der Erbschafts-, Schenkungs- und Grunderwerbssteuer gilt der Verkehrswert. Dafür können typisierende Wertermittlungsmethoden herangezogen werden. Die größte Sicherheit bietet in diesen Fällen aber ein individuelles Sachverständigengutachten. Die Wertgutachten für bebaute und unbebaute Grundstücke richten sich nach den Vorgaben der ImmoWertV und WertR. Regelbewertungsverfahren sind Vergleichswert-, Ertragswert- und Sachwertverfahren. Liegen Vergleichswerte vor, wie beispielsweise bei Ein- und Zweifamilienhäusern oder Grund und Boden, wird das Vergleichswertverfahren angewendet.

Dr. Rainer Langner: Die Qualität der Schadensre­gulierung ist für die Akzeptanz von Versicherungsprodukten wichtig.

Foto: Dr. Lißmann

Das Ertragswertverfahren kann angewendet werden, wenn übliche Mieten und Pachten ermittelt werden können. Liegen keine treffenden Vergleichswerte oder Mieten vor kann das Sachwertverfahren herangezogen werden.

Steuer auf das Eigentum an Grundstücken

Die dritte „Steuerschublade“ beinhaltet die Substanzbesteuerung. Es handelt sich hier um die Grundsteuer, eine Realsteuer auf das Eigentum an Grundstücken und deren Bebauung. Die Berechnungsgrundlage für die Grundsteuer ist der vom Finanzamt gesondert festgestellte Einheitswert und der daraus abgeleitete Grundsteuer-Messbetrag. Diese Besteuerungsgrundlage ist mängelbehaftet und soll demnächst auf Bundesratsinitiative umfassend reformiert werden.

Zum Erstellen von Verkehrswertgutachten gibt es unabhängig vom Zweck der Gut­achten­er­stellung ein aus­­führliches Re­­­gelwerk, das von den Sach­ver­ständigen anzuwenden ist. Daher hob Jardin hervor, dass es keine zweckgebundene Verkehrswertermittlung geben darf, sondern unabhängig vom Bewertungsanlass der Verkehrswert zu ermitteln ist, er basiert immer auf den gleichen gesetzlichen Vorgaben zur Wertermittlung.

Investoren von Außerhalb treiben Landpreise in Höhe

Prof. Dr. Harald Müller, Geschäftsführer der HLG ging in seinem Beitrag auf die Entwicklung am landwirtschaftlichen Bodenmarkt ein. So stellte er eingangs fest, dass sich die landwirtschaftlichen Bodenpreise seit 2007 bis heute in Deutschland fast verdoppelt haben und in Ostdeutschland sogar eine Verdreifachung stattgefunden hat.

Prof. Dr. Harald Müller sprach über die Grunderwerbssteuer für Siedlungsunternehmen und über die Umsetzung des Vorkaufsrechts an landwirtschaftlichen Flächen. Kaufbereite Landwirte sollten die Grunderwerbssteuer nur einmal bezahlen.

Foto: Dr. Lißmann

In Hessen war die Bodenpreisentwicklung wesentlich moderater. Das Handelsvolumen pro Jahr liegt in Westdeutschland bei 0,4 bis 0,5 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche (LF) und in Ostdeutschland bei 1 bis 2 Prozent der LF. Absolut betrachtet war dieses in den letzten Jahren ein Flächenumsatz von etwa 110 000 ha LF pro Jahr oder 0,7 Prozent der LF in Deutschland.

Bodenmarktpolitische Ziele erläutert

Der Durchschnittspreis pro ha wird aktuell mit rund 18 000 Euro angegeben, allerdings mit sehr großen regionalen Abweichungen von diesem Mittelwert. Vergleichbar mit dem Kaufmarkt ist auch der Pachtmarkt. Ein starker Anstieg der Pachtpreise seit 2007 und eine weite Streuung der regionalen Pachtpreise um den Mittelwert prägen auch hier das Marktgeschehen. Als Ursache für die in den letzten Jahren erheblich angestiegenen Kauf- und Pachtpreise wurde die starke nicht landwirtschaftliche Flächennachfrage für Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie Kompensationsflächen und gerade in Ostdeutschland das wachsende Interesse von Nichtlandwirten zur Geldanlage in der Landwirtschaft genannt. Um die bodenmarktpolitischen Ziele, wie breite Streuung des Bodeneigentums, Vermeidung marktbeherrschender Positionen auf regiona­len Bodenmärkten und Vorrang der landwirtschaftlichen Betriebe beim Flächenkauf, zu gewährleisten, wurde schon vor rund 50 Jahren ein bodenpolitischer Ordnungsrahmen geschaffen. Das Reichssiedlungsgesetz, Grundstücksverkehrsgesetz und Landpachtverkehrsgesetz sind Instrumente die zur Verbesserung und zur Abwehr von Gefahren für unsere Agrarstruktur konsequent umzusetzen sind, so Prof. Müller abschließend.

Schadensregulierung mittels Drohneneinsatz

Die Vereinigte Hagelversicherung VVaG ist ein Mehrgefahrenversicherer mit einer versicherten Fläche von über 5 Mio. ha. Dr. Rainer Langner, Vorstandsvorsitzender der Vereinigten Hagel, referierte über den Einsatz von Drohnen bei der Schadensregulierung. Die zeitnahe Ermittlung der Aufwuchsschäden durch Witterungseinflüsse, wie beispielsweise Hagelschäden mit großräumigem Ausmaß, beinhaltet eine große Herausforderung für den Schadensregulierer. Schadbilder und Schadintensität auf der Fläche sind uneinheitlich. Der Hagelschaden beispielsweise muss abgegrenzt werden von nicht versicherten Schäden wie Spritz-, Meliorations- oder Wildschäden. Der Zugang zu den geschädigten Beständen ist oft erschwert. Bei großflächigen und hohen Pflanzenbeständen ist die visuelle Einschätzung unmöglich. Hilfreich ist hier die Drohnentechnologie sie kann unterstützend eingesetzt werden. Drohnen können den Zeitaufwand für die Schadenermittlung reduzieren, die Genauigkeit steigern und helfen Fremdursachen ausfindig zu machen. Die letzte Entscheidung über die Schadenshöhe treffe aber auch weiterhin der Sachverständige, sagte Dr. Langner.

Die Bestellungsbehörde für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige beim Regierungspräsidium Kassel führt zurzeit 90 Agrarsachverständige. Davon sind in den Bereichen Landwirtschaft 29, Gartenbau 25, Forstwirtschaft 18, Fischerei sieben, Weinbau zwei und Umweltschutz neun Sachverständige gelistet. Die Zusammenstellung der hessischen Sachverständigen mit ihren Fachgebieten sowie Adressen finden sich auf www.rp-kassel.de Rubrik „Landwirtschaft.“

Dr. Günther Lißmann  – LW 44/2016