Erntedank im Main-Kinzig-Kreis einmal anders
Gedankenaustausch mit Kreisvertretern
Der Kreisbauernverband (KBV) Main-Kinzig hat am vergangenen Sonntag gemeinsam mit den Landfrauen die traditionelle Erntedankveranstaltung Corona-bedingt zu einem intensiven Gedankenaustausch mit den Vertretern des Landkreises umfunktioniert. Dabei ging es unter anderem um die Tierhaltung, die Düngeverordnung, den Flächenfraß, die Folgen der Ausbreitung des Wolfs und um die Vorbereitungen bei einem möglichen Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in der Region.

Foto: Mohr
Dauernde Kritik frustrierend
Trageser berichtete, dass man mit der diesjährigen Getreideernte noch zufrieden sein könne, abgesehen von den Frostschäden in der Wintergerste. Ein Problem sei die Trockenheit, die zu immer größerer Futterknappheit führe. Viel mehr bewege die Landwirte allerdings, dass sie für gute Arbeit dauernd kritisiert und als Tierquäler und Insektentöter oder Brunnenvergifter hingestellt würden. In der Öffentlichkeit würden die Urwaldrodung und die Gewinnung von Anbauflächen in Brasilien angeprangert, aber gleichzeitig der heimische Anbau durch immer größere Beschränkungen schwergemacht. Hinzu komme hierzulande der Flächenfraß. „Jeder Hektar, der hier verloren geht, muss woanders für die Nahrungsmittelerzeugung gerodet werden“, verdeutlichte Trageser. Ein weiterer Kritikpunkt war die Düngeverordnung, die zu massiven Einschränkungen führe. Für Güllelagerraum müsse investiert werden, oft bildeten sich dagegen Bürgerinitiativen, sagte Trageser.
Im Main-Kinzig-Kreis sind der Westkreis bis hinter Gelnhausen nach der aktuellen Ausweisung weitgehend Rotes Gebiet. Der KBV-Vorsitzende befürchtet, dass der Anbau von Qualitätsgetreide dort nicht mehr möglich ist. Kein Verständnis hat der Landwirt für die Willkommenskultur für den Wolf. „Ich möchte kein gerissenes Tier haben. Wie sind die Risse von Weidetieren mit dem Tierschutz vereinbar?“
Von der Gefühlslage der Landwirte hören
Wegen der Corona-Krise habe man keine großen Beeinträchtigungen bei den landwirtschaftlichen Arbeiten gehabt, berichtete Trageser weiter. Auswirkungen habe es allerdings insbesondere für die Sonderkulturbetriebe gegeben, die Saisonarbeitskräfte benötigen. Landrat Stolz freute sich über die Gelegenheit des fachlichen Austauschs. Für ihn sei es auch wichtig, von der Gefühlslage der Landwirte zu hören.
Für die Angst vor dem Wolf zeigte er Verständnis. „Ich weiß, dass das die Landwirte unheimlich umtreibt.“ Der Wolf sei zwar noch nicht heimisch, aber die Gefahr bestehe. Neben Entschädigungsfragen seien Fragen der Versicherungen zu lösen, wenn beispielsweise durchgegangene Weidetiere Unfälle verursachten. Hier seien landesweite Regelungen nötig.
Er sorge sich auch um den Erhalt der Betriebe, von denen es im Kreis noch 1300 gebe, so Stolz. „Die brauchen wir auch künftig für eine gute und breite Lebensmittelversorgung.“ Für das Klima sei es besser, wenn beispielsweise der Spargel vom Betrieb von Bruno Wörner in Erlensee komme als aus Peru.
Verhältnis zum Veterinäramt auf gutem Weg
Kreisbeigeordneter Ottmann, in dessen Zuständigkeit auch das Veterinäramt fällt, berichtete, dass man im Hinblick auf ASP eine Arbeitsgruppe gebildet habe, die sich regelmäßig treffe. Schutzausstattungen seien beschafft worden. „Wir sind gut gerüstet.“
Ansonsten sieht er das Verhältnis zwischen Veterinärbehörde und Landwirten auf einem guten Weg. Wie er berichtete, steht die Behörde unter anderem wegen Kontrollen bei den Bauern häufig in der Kritik. Man habe aber nach den Gesetzen und Verordnungen zu handeln. Verhältnismäßigkeit spiele dabei nicht unbedingt eine Rolle, räumte er ein. Allerdings gebe es auch manchmal schlimme Bilder von Tierhaltungen.
Mit Blick auf die drohende ASP seien die Kommunen vom Kreis angeschrieben und Sammelplätze und Bergeteams eingerichtet worden. Außerdem seien Anschreiben an Landwirte und die Jägerschaft geplant, berichtete Katrin Hess. Bei den Roten Gebieten werde bis Ende Oktober die neue Abgrenzung der Roten Gebiete erwartet, die dann auf der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift basieren. Derzeit würden offensichtlich weitere Grundwasser-Messstellen im Kreis eingerichtet.
Großes Investitions- und Fördervolumen
Die Leiterin des Amtes für den ländlichen Raum berichtete außerdem, dass im vergangenen Jahr mit einer Zuschusssumme von über 960 000 Euro bei einer Bruttoinvestitionssumme in landwirtschaftliche Bauten von rund 5 880 000 Euro besonders viel gefördert und investiert wurde. So lag die Investitionssumme in den Jahren 2016 bis 2018 zwischen 266 000 und 561 000 Euro. Auffällig seien Investitionen in Hühnermobile, Hofläden und Hofcafés, was den Trend zur Regionalität abbilde. Bei der Genehmigung von Bauanträgen arbeite man so schnell wie möglich. Insbesondere bei geförderten Projekten seien aber zuweilen Unterlagen unvollständig, so dass sich die Bearbeitung verzögere.
Mehr Aufwand für Sonderkulturbetriebe
Der ehemalige KBV-Vorsitzende und Ehrenpräsident des Hessischen Bauernverbandes, Friedhelm Schneider, berichtete, dass die Versorgung der Sonderkulturbetriebe mit Saisonarbeitskräften trotz Corona relativ gut funktioniert habe. Die Bundesregierung habe insbesondere auf Betreiben des Berufsstandes dazu gute Vorgaben gemacht mit der Einreiseregelung für osteuropäische Arbeiter und der Verlängerung der sozialversicherungsfreien Beschäftigungszeit auf 115 Tage. Gleichwohl sei der Aufwand und die Organisation für die Beschäftigung der Saisonarbeitskräfte erheblich höher gewesen.
Kaum regionale Schlachtmöglichkeiten
KBV-Vorstandsmitglied Matthias Wacker beklagte, dass es kaum noch Möglichkeiten gebe, in der Region zu schlachten. Die selbstschlachtenden Metzger, bei denen er Bullen vermarktet hatte, hätten aufgrund von zunehmenden Auflagen aufgegebenen. Ein regionaler Schlachthof kommt allerdings nach Einschätzung des Kreisbeigeordneten Ottmann kaum in Betracht, solange der Fuldaer Schlachthof nur zu 30 Prozent ausgelastet sei. Die Weideschlachtung, die zum Beispiel im Wetteraukreis praktiziert wird, hält Ottmann für nicht unproblematisch. So müsse das Rind spätestens 60 Sekunden nach dem Schuss ausgeblutet werden, was sehr schwer zu gewährleisten sei.
Wasser und erneuerbare Energien
Landrat Stolz machte auf die zunehmende Wasserknappheit aufmerksam. Die Bevölkerung und die Industrie im Kreis wachse, gleichzeitig würden mehr Flächen versiegelt, und es gebe weniger Niederschläge. Der Kreis prüfe, ob man mehr Oberflächenwasser zu Trinkwasser aufbereiten könne. Ein weiteres Thema waren die Stromerzeugung aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Nach Ansicht von KBV-Vorstand Wacker sollten PV-Anlagen nicht auf Freiflächen, sondern auf Dächern installiert werden, die nach wie vor viel Platz böten.
Landrat Stolz unterstützte dies. Allerdings müsse es möglich sein, auf ehemaligem Deponiegelände PV-Anlagen zu errichten. Bei der Windkraft gebe es starke Widersprüche in der Bevölkerung. Der Kreis und seine Energiebetriebe engagierten sich dort, wo es gewünscht werde und nicht darüber hinaus, betonte er. KBV-Vorstandsmitglied Konrad Kuhlenkamp forderte, dass für Windenergieanlagen nicht noch zusätzlich naturschutzrechtliche Ausgleichsflächen eingerichtet werden. Schließlich brächten die Anlagen etwas für den Klimaschutz, das sei ja Naturschutz.
Main-Kinzig-Kreis wird Ökomodellregion
Wie Katrin Hess erläuterte, wird der Main-Kinzig-Kreis ab dem nächsten Jahr eine weitere hessische Ökomodellregion. Hauptaugenmerk im Kreis sei hierbei die Vermarktung von ökologisch und regional erzeugten Lebensmitteln. Eine Stelle für die Betreuung der Modellregion sei derzeit ausgeschrieben.
Mark Trageser dankte zum Schluss dem Landrat und den Kreisbehörden für die gute Zusammenarbeit, die bereits von seinen Vorgängern Friedhelm Schneider und Bruno Wörner begründet worden seien.
CM – LW 40/2020