Gesundheitszustand der Trauben entscheidet den Lesezeitpunkt

Herbsttagung Rheinhessen mit 150 Teilnehmenden

Das DLR Rheinhessen-Nahe-­Hunsrück veranstaltete die diesjährige Herbsttagung online und registrierte 150 Teilnehmende. Einer Vegeta­tionsperiode mit Oidiumbefall und beginnendem Trockenstress folgte immer wieder Regen. So entwickelte sich in den letzten Wochen die Kirschessigfliege, Burgundertrauben drücken sich ab und Fäulnisnester nehmen zu. Auf die Kellermeister kommt ein anspruchsvoller Jahrgang zu.

Foto: Jörg Weiand
Themen des Sommers waren die Trockenheit und der Oidium­befall, stellte Frederik Heller, DLR RNH, fest. Nach langer Trockenzeit kam der ersehnte Regen, der dann kein Ende nahm. Viele Burgunder drücken sich ab, zeigen Quetschfäule. Die Böden seien gesättigt und fördern weiter Wasser in die Beeren. Zudem habe sich die Kirschessigfliege gut entwickelt.

Mindestmostgewicht für Dornfelder gesenkt

Oenologische Empfehlungen gab Jörg Weiand, DLR RNH. Die Mostgewichte von Portugieser und Silvaner seien nicht in allen Anlagen befriedigend. Die Lese startete im Wonnegau mit hagelgeschädigten Trauben von 2 000 ha und mit Kirschessigfliegen befallenem Dornfelder. Die Marktpartner reagieren verhalten auf die neue Ernte. Säuremanagement sei dieses Jahr Thema – je nachdem, Entsäuerung oder Säuerung. Alle Sorten haben bereits über 50 Prozent Weinsäureanteil. Oidiumbelastetes Lesegut könne zum sensorischen Problem werden. Oft ist die pektolytische Reife nicht erreicht, was die Pressbarkeit erschwert. Der Lesezeitpunkt orientiert sich am Gesundheitszustand der Trauben und dem Mostgewicht. Hohe Temperaturen fördern die mikrobielle Entwicklung, sodass nachts und früh am Morgen­ geerntet wird. In fäulnisbelastetem Lesegut sei der Einsatz von Kohle unumgänglich.

Dominik Süß gab weitere Tipps zum erwarteten Jahrgang, dem man im Keller gerecht werden müsse. Er empfiehlt zügigen Gärstart, gute Nährstoffversorgung der Hefe und enge Beobachtung, um Gärstockungen zu vermeiden. Es sollte früh abgestochen werden. Zur mikrobiellen Absicherung rät Süß zu einer SO2-Gabe von 100 bis 120 mg/l.

Gute Qualitäten brauchen selektive Lese, die auf großer Fläche wegen fehlendem Personal nicht umzusetzen und durch den Mindestlohn auch nicht bezahlbar sei. Die Weinpreise am Fassweinmarkt liegen auch ohne Handlese weit unter den Gestehungskosten.

Aktuelles zur Zutatenliste und Nährwerttabelle erklärte Isabelle Frank, DLR RNH. Nachzulesen ab Seite 38. Es ist immer noch die Frage offen, wann ein Wein „hergestellt“ ist. In anderen EU-Ländern meint dies die abgeschlossene Gärung. Bis Ende September soll eine Entscheidung fallen.

Aktuelle Themen der Weinbaupolitik

Die Schutzgemeinschaft Rheinhessen hat das Mindestmostgewicht bei Dornfelder auf 65 °Oe gesenkt, um die Ernte zu beschleunigen. Friedrich Ellerbrock, Geschäftsführer des Weinbauverbandes Rheinhessen, informierte über weinbaupolitische Themen. Der Weinabsatz sei rückläufig. Die Weinpreise gleichen die steigenden Kosten nicht aus. Der Weinbauverband fordert, die Ausweitung der Rebfläche einzudämmen. 0,3 Prozent pro Jahr seien zu viel.

Große Sorge macht das drohende Pflanzenschutzverbot in Schutzgebieten. Etwa 30 Prozent der Fläche in Rheinhessen wäre davon betroffen, besonders Nierstein, Ingelheim, Guntersblum. Ellerbrock appellierte unter www.wineinmoderation.de die Mitgliedschaft zu erklären, um den absurden Ideen der Alkoholpolitik entgegentreten zu können.

bs – LW 37/2023