Gibt es bald eine Landfrauen-Cloud?

Start der 71. Agrartage Rheinhessen

Das war Fishing for Compliments in Vollendung. „I“, ein Herz, „Landfrauen“, ich liebe Landfrauen also, prangte groß und breit auf dem Bühnenhintergrund in der Nieder-Olmer Ludwig-Eckes-Halle. Dort bestreitete der Landfrauenverband Rheinhessen seit 20 Jahren schon traditionell den Auftakt der Rheinhessischen Agrartage. Und die Gäste bei der Talkrunde durften allesamt begründen, warum sie die Landfrauen lieben.

Zum Start der Agrartage Rheinhessen machten die Landfrauen darauf aufmerksam, dass sie bisher in der Agrarstatistik nicht erscheinen, das soll sich ändern.

Foto: Katja Willersinn

„Weil man sie einfach lieben muss“, verwies der Nieder-Olmer Stadtbürgermeister Dirk Hasenfuss auf die Bedeutung der Landfrauen für das Zusammenleben vor Ort sowie auf ihr umfangreiches Bildungsprogramm. „Weil ich seit über 40 Jahren mit einer Landfrau verheiratet bin“, schmeichelte Ludwig Schmitt, der Vorsitzende des Bauern- und Winzerverbandes im Kreis Mainz-Bingen, seiner – leider erkrankt abwesenden – Ehefrau, der Landfrauen-Kreisvorsitzenden Uta Schmitt. Weil die Landfrauen eine Brücke zu Jung und weniger Jung, zu Neubürgerinnen und Alteingesessenen schlagen und man einfach immer herzlich willkommen ist, befand die Rheinhessische Weinprinzessin Celine Feldmann. „Ohne unsere Landfrauen wäre unsere Region ein ganzes Stück ärmer“, findet der Kreisbeigeordnete Erwin Malkmus.

Eine Facette fehlte noch. Ursula Braunewell, Vorsitzende der Landfrauen in Rheinhessen, umschrieb in ihrer Ansprache die politische Funktion des Verbandes. Inzwischen gibt es im Bundes-Landwirtschaftsministerium von Julia Klöckner sogar ein eigenes Landfrauen-Referat. Die Kommunikation mit der Bundespolitik hat sich laut Braunewell seither spürbar vereinfacht.

5G an jeder Milchkanne wird gefordert

Das macht es auch einfacher, politische Botschaften zu platzieren. Die als Zielvorgabe benannten, gleichwertigen Lebensverhältnisse in Stadt und Land verknüpft Braunewell mit Klöckners Forderung nach „5G an jeder Milchkanne“. Denn wenn man sich hier mit 98 Prozent der Haushalte begnüge, seien 20 Prozent der Fläche der Bundesrepublik de facto abgehängt.

Wie geht es den Frauen in der Landwirtschaft, wie, was und wie lang arbeiten sie? Eine große Studie mit Millionen-Budget aus Klöckners Ministerium soll dieser Frage nachgehen. Der Kreis Mainz-Bingen ist dabei eine der 13 Modellregionen. Es geht um eine qualitative und quantitative Befragung der Frauen selbst, ob Inhaberin, Mitgesellschafterin, mitarbeitende Familienangehörige, Angestellte oder auch außerhalb des Betriebs Arbeitende. „Die Zeiten haben sich gewandelt, und die Arbeitsbedingungen auch“, sagt Braunewell, „die Frauen kommen bisher in der Agrarstatistik nicht vor.“ Das solle sich durch die Studie ändern. In die Tat umgesetzt wird sie von der Göttinger Soziologie-Professorin Claudia Neu, gemeinsam mit dem Bundesverband der Landfrauen. Mit Ergebnissen kann im kommenden Jahr gerechnet werden.

Auch die Digitalisierung haben sich die Landfrauen auf die Fahnen geschrieben. „Die Landwirtschaft ist ein Bereich, in der die Digitalisierung mit am weitesten vorangeschritten ist“, blickt Braunewell auf Themenfelder wie die akkurate Nitrat- und Düngemittelausbringung, aber auch die Work-Life-Balance, die mit mehr automatisierten Arbeitsabläufen einfacher zu erreichen ist. Auch verbandsintern will die Regional-Vorsitzende die Digitalisierung voranbringen. Auf längere Sicht schwebt ihr eine „Landfrauen-Cloud“ vor, ein von der Bundesgeschäftsstelle aus betriebener, datensicherer Standort für digitale Kommunikation und Information. Die Vernetzung und den Wissenstransfer zu verbessern, ist Braunewells Ziel. Oberstes Gebot ist, dass sich die Digitalisierung der Landfrauenverbände auf sicheren Plattformen vollzieht.

Eine besondere Ehrung wurde Katharina Nuß zuteil, die 32 Jahre lang Gleichstellungsbeauftragte im Kreis Alzey-Worms war und für ihr Engagement mit dem Ehrenzeichen des Landfrauenverbandes ausgezeichnet wurde. Braunewell hob ihre Arbeit zur Förderung der Teilhabe von Frauen in der Kommunalpolitik hervor. Moderatorin Gerlinde Gemünde, die Vorsitzende des Kreisverbandes Bingen, ehrte zudem Kornelia Konrad und Maria Seelig, die den Zotzenheimer Landfrauenverein mit einem vierköpfigen Team-Vorstand vorangebracht haben. Den Ausrichtern des Tages der rheinhessischen Landfrauen, den Kreislandfrauenverbänden Bingen und Mainz, zu einer gelungenen Auftaktveranstaltung der Agrartage 2020 zu gratulieren.

Torben Schröder – LW 5/2020