Große Sortenvielfalt bei hessischer Braugerste

Braugerstenanbauer tagten in Seligenstadt

Als Veranstaltungsort hatte der Hessische Braugerstenverein den Scharlander der Seligenstädter Glaabsbräu-Brauerei gewählt. Diese hat 2015 eine komplett neue, hochmoderne Brau-Anlage in Betrieb genommen, um ihre Position als Anbieter von hochwertigen Spezialbieren auszubauen. Außerdem kooperiert Glaabsbräu seit zehn Jahren mit Landwirten des Kreises Offenbach, die in der Erzeugergemeinschaft „Braugerste für Glaabsbräu Seligenstadt“ den Bierrohstoff in der Region erzeugen.

Sieger im Braugerstenwettbewerb wurden Harald Merz (2. v. l.), Nidda-Michelnau, und Stefan Werth, Usingen. Flankiert werden sie vom Vorsitzenden des Braugerstenvereins, Werner Wald, von Gabriele Käufler, LLH, und Robert Glaab, Glaabsbräu.

Foto: Becker

Der Vorsitzende des Hessischen Braugerstenvereins, Werner Wald, betonte in seiner Begrüßung, dass die Preissituation für heimische Braugerste nach wie vor nicht befriedigend sei. Trotz einer schwachen Ernte in Frankreich, könne keine Bewegung beim Preis von etwa 175 Euro pro Tonne beobachtet werden. „Die Läger sind anscheinend noch voll, aber das kann sich auch schnell ändern“, so der Winterbraugersten-Produzent aus dem Hessischen Ried. Zu denken geben müsse auch der Rückgang der Anbaufläche um über ein Viertel auf aktuell nur noch 14 600 Hektar in Hessen. Von dieser Fläche seien im Schnitt 51,4 dt pro ha geerntet worden, was gegenüber dem Vorjahr einen Mehrertrag von 1,4 dt bedeute. Die Vollgerstenanteile seien mit 80 bis 90 Prozent zu schwach, die Eiweißgehalte mit 9,5 bis 11,5 in Ordnung gewesen. In Anbetracht der diesjährigen Witterung mit viel Feuchte im Frühjahr und trockenerem Sommer hätte man eigentlich mehr erwartet. Als einen der Vorteile des Sommerbraugerstenanbaus hob Wald den vergleichsweise geringen Stickstoffbedarf hervor; das könne im Zuge der neuen Düngeverordnung, die den Einsatz N-haltiger Düngemittel weiter reglementiert, dem Braugerstenanbau etwas helfen.

Regionale Braugerste für Seligenstadt

Norbert Zöller, Ortslandwirt Seligenstadt, baut seit zehn Jahren als Mitglied der Braugerste-Initiative mit fünf weiteren Landwirtschaftsbetrieben aus der Region Gerste für Glaabsbräu in Seligenstadt an. Im Gegensatz zu vielen anderen Brauereien beziehe Glaabsbräu seine Braugerste regional und fördere so den regionalen Anbau. „In den Jahren vor 2006 hat es um Seligenstadt herum keinen Braugerstenanbau mehr gegeben“, sagte Zöller. Durch die Initiative und auch den Wegfall vieler Viehbestände und damit der Gülle und etlicher Maisflächen habe die Braugerste nun wieder einen festen Platz in den Fruchtfolgen der Region. Preislich sei man gegenüber dem Massenmarkt etwas besser gestellt und auch für die Sortenumstellung zahle Glaabsbräu einen Zuschuss. Denn wie der Braumeister von Glaabs, Julian Menner, betonte, setze man immer auf neue und bessere Sorten, allerdings sollte der Wechsel auch nicht in zu kurzen Zyklen erfolgen. Gegenwärtig stelle man von Propino auf Avalon um.

Die Sorte Planet wäre ein Quantensprung, aber...

Die Ergebnisse der Landessortenversuche zur Braugerste erläuterte Gabriele Käufler vom LLH Eichhof, Bad Hersfeld. Die in den Versuchen auf allen Standorten und in allen Jahren weit vorne liegende Sorte Planet sei nur als Vergleichssorte im Sortiment enthalten, da sie nach dem Berliner Programm nicht für den Anbau empfohlen werde, so Käufler mit einigem Bedauern. Leider sei es bei den entscheidenden Brauversuchen zu Problemen während der Läuterung gekommen, so dass die Züchtung aus der Empfehlung genommen werden musste. Abgesehen von Planet sei Avalon die beste Sorte im Versuch und werde auch in Hessen empfohlen. Neu ins Empfehlungssortiment werde Ventina aufgenommen. Zur Frage des Winterbraugerstenanbaus sagte Käufler, dass hier wie auch bei anderen Sorten wie eben Planet der Kontakt zur aufnehmenden Hand gesucht werden müsse, um die Vermarktung sicherzustellen.

Auch die Seligenstädter Landwirte und Mitglieder der Erzeugergemeinschaft „Braugerste für Glaabsbräu Seligenstadt“ Norbert Zöller (2. v. l.) und Gerhard Deller nahmen erfolgreich an der Prämierung teil.

Weitere Konzentration führt zu Chancen in der Nische

Claus Sewenig, Händler für Brau- und Futtergetreide bei der RWZ Rhein-Main, analysierte die globalen Märkte für Agrarprodukte mit besonderem Augenmerk auf die Braugerste. Er zeigte, wie viele Faktoren neben Angebot und Nachfrage auf die Preisbildung einwirken, und dass durch die globale Vernetzung Preisschwankungen immer kurzfristiger erfolgen. Zwar habe es weltweit einige Rekordernten in Folge gegeben, aber aufgrund der weiter wachsenden Bevölkerung vor allem in Asien und Afrika könne schon ein einziger Einbruch bei den Erntemengen schnell die Preise hochtreiben. Ein Indikator für die Preisentwicklung bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen sei nach wie vor der Öl-Preis. „Hinsichtlich der starken Konzentrationsprozesse bei den Brauereien und den Mälzern bieten sich heute vermehrt Chancen in der Nische“, sagte der Markt­experte. Diese gelte es vor dem Hintergrund des Trends zur Regionalität zu nutzen.

Glaabsbräu setzt auf Regionalität

Dies hat auch die einzige Privatbrauerei im Ballungsgebiet Frankfurt/Rhein/Main und älteste Südhessens, die Glaabsbräu in Seligenstadt, erkannt. Dort hat man 3,2 Mio. Euro in eine neue, hochmoderne Brauanlage investiert. Wie der geschäftsführende Gesellschafter Robert Glaab bei einem Betriebsrundgang ausführte, mit dem Ziel der Produktvielfalt. „In Zukunft wollen wir flexibel und individuell auf Verbraucherwünsche und Marktveränderungen eingehen und uns mit einem vielfältigen Angebot an Biersorten sowie hochwertigen Spezialbieren vom Wettbewerb abheben. Die inhabergeführte Brauerei mit 13 Mitarbeitern weist eine über 270-jährige Brautradition auf und ist fest in der Region verwurzelt. Wie sehr zeigt auch der Umstand, dass seitens der Stadt der Wunsch geäußert wurde, die Produktion auch nach dem Umbau im Stadtkern zu belassen. Über zwei Jahrhunderte habe sich das knapp 10 000 m2 große Gelände mit etlichen Neu- und Anbauten im Herzen der Altstadt stetig verändert und präge heute das historische Stadtbild in unmittelbarer Nähe zum Marktplatz, so Glaab. Offizielle Inbetriebnahme der neuen Braustätte war nach sieben Monaten Bauzeit im September 2015. Auch dabei wurden überwiegend regionale Handwerker aus rund 20 Baugewerken beschäftigt. Dazu passt auch das Motto „Vor Ort angebaut, vor Ort gebraut und in der Region getrunken“, das die Glaabsbräu mit der im Jahr 2006 initiierten Erzeugergemeinschaft „Braugerste für Glaabsbräu Seligenstadt“ verfolgt. Landwirte des Kreises Offenbach liefern hierbei die Braugerste für die Glaabsbräu-Bierspezialitäten direkt aus der Region. Weitere Informationen über den Braugerstenanbau und die Glaabsbräu können über den eingedruckten QR-Code auf den Bierdeckeln oder auf der Webseite www.glaabsbraeu.de abgerufen werden.

Sortenvielfalt beim Braugerstenwettbewerb

Anders als in Rheinland-Pfalz, wo Avalon den Braugerstenwettbewerb beherrschte, bietet sich in Hessen eine für den Braugerstenanbau relativ große Vielfalt: Auf den ersten drei Plätzen waren drei verschiedenen Sorten vertreten und mit Teepe sogar eine Winterbraugerste. Insgesamt waren acht Sorten eingereicht worden.

Die Preisträger im hessischen Braugerstenwettbewerb 2016 sind:

Zwei 1. Plätze: Harald Merz, Nidda-Michelnau, Sorte Tepee, 10,2 Prozent Eiweiß, und Stefan Werth, Usingen, Sorte Avalon, 10,5 Prozent Eiweiß, mit jeweils 29 von 31 möglichen Punkten.

3. Platz: Herbert Wicke, Esch­wege, Sorte Marthe, 10,4 Prozent Eiweiß, 28 Punkte.

KB – LW 50/2016