Händewaschen nicht vergessen
Gesundheitliche Risiken für Anwender minimieren
Pflanzenschutzmittel werden als Gefahrstoffe eingestuft und sind daher mit besonderer Sorgfalt zu handhaben. Worauf aus Sicht des Anwenderschutzes zu achten ist, erläutert nachfolgend Sebastian Dittmar von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG).

Foto: Dittmar
- Kann vermutlich Krebs erzeugen (H351)
- Kann vermutlich Krebs erzeugen (H351)
- Kann das Kind im Mutterleib schädigen, kann vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen (H360f)
- Verursacht schwere Augenreizung (H319)
- Verursacht Hautreizungen (H315
- Gesundheitsschädlich beim Einatmen (H332)
- Gesundheitsschädlich beim Verschlucken (H302)
- Kann allergische Hautreaktionen verursachen (H317)
- Zur Vermeidung von Risiken für Mensch und Umwelt die Gebrauchsanleitung einhalten (EUH401)
In einer Gebrauchsanleitung können beispielsweise folgende Verhaltensweisen vorgeschrieben werden: Beim Umgang mit dem unverdünnten Mittel:
- Universal Schutzhandschuhe (Pflanzenschutz) tragen (SS110)
- Halbmaske mit Kombinationsfilter A1-P2 (Kennfarbe: braun/weiß) beim Umgang mit dem unverdünnten Mittel tragen (ST2102)
- Schutzanzug gegen Pflanzenschutzmittel und festes Schuhwerk (zum Beispiel Gummistiefel) tragen beim Umgang mit dem unverdünnten Mittel (SS2101)
- Gummischürze tragen (SS610)
- Behandelte Flächen/Kulturen erst nach dem Abtrocknen des Spritzbelags wieder betreten (SF245-01)
- Bei der Ausbringung/Handhabung des anwendungsfertigen Mittels:
- Universal-Schutzhandschuhe (Pflanzenschutz) tragen (SS120)
- Standardschutzanzug (Pflanzenschutz) und festes Schuhwerk (zum Beispiel Gummistiefel) tragen (SS220)
- Halbmaske mit Kombinationsfilter A1-P2 (Kennfarbe: braun/weiß) tragen bei der Ausbringung/Handhabung des anwendungsfertigen Mittels (ST2202).
Handschuhe regelmäßig entsorgen
Generell sollten, wenn auf dem Etikett des Pflanzenschutzmittels nicht anders angegeben, beim Umgang mit PSM lange Arbeitskleidung sowie Pflanzenschutzhandschuhe getragen werden. Nach Erfahrungen der SVLFG erfolgt der überwiegende Anteil der Kontamination mit PSM durch die Hände. Wichtig ist, die Pflanzenschutzhandschuhe mindestens einmal im Frühjahr und einmal im Herbst zu ersetzen. Sollten sich noch ältere Handschuhe im Pflanzenschutz (PS)-Lager oder am PS-Gerät finden, sind diese sofort zu entsorgen. Durch die sogenannte Permation (Durchdringung) von Wirkstoffen gelangen die PSM über die Zeit von der Außen- auf die Innenseite der Handschuhe. Daher müssen immer ausreichende Mengen an Universal- Schutzhandschuhen (Pflanzenschutz) vorhanden sein, um sich und alle Mitarbeiter zu schützten. Beim Ansetzten der Spritzbrühe werden der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft regelmäßig Verletzungen der Augen gemeldet. Durch das Einfüllen des konzentrieren Pflanzenschutzmittels besteht die Gefahr von Spritzern, die in das Auge gelangen können. Hier ist eine entsprechende Schutzbrille zu verwenden.
Vorsicht ist auch beim Einfüllen geboten
Unfall – was tun?
Wenn es zu einem Unfall mit Verletzungsfolge gekommen ist, ist rasches und überlegtes Handeln gefragt. Neben den Maßnahmen der Ersten Hilfe sind folgende wichtige Punkte zu beachten:
- Welches Pflanzenschutzmittel wurde eingesetzt? Etikett mitnehmen!
- Wann war der Unfallzeitpunkt?
- Bei Augenverletzungen und Hautreizungen sofort mit klarem Wasser spülen und einen Arzt aufsuchen.
- Die Unfallmeldung zur SVLFG schicken.
Es wird auch empfohlen, beim Umgang mit dem unverdünnten Pflanzenschutzmittel eine Chemikalienschürze zu tragen. Diese verhindert, dass das Konzentrat beispielsweise beim Einfüllen in die Einspülschleuse auf die Arbeitskleidung gelangt. Weitere PSA, insbesondere zum Körper-, Hand-, Augen- und Atemschutz, kann erforderlich werden, wenn diese in der Gebrauchsanleitung vorgeschrieben sind.Neue Hilfsmittel, sogenannte „Closed Transfer Systems“, sollen in Zukunft das Einfüllen des konzentrierten Pflanzenschutzmittels in das Pflanzenschutzgerät sicherer machen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist zum Beispiel das „easy flow system“ der Firma agrotop. Dieses ermöglicht an einfachen Pflanzenschutzgeräten ohne Einspülschleuse das Einfüllen von flüssigen Konzentraten bis 5-Liter-Gebindegröße. Diese Entwicklung wird durch die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft begrüßt. Die Closed Transfer Systems müssen aber für die Anforderungen aus der Praxis noch weiterentwickelt werden, da bisher kein universelles System verfügbar ist.
Atemschutz bei spezieller Anwendung
Es sind vor allem die Bedingungen in weitgehend geschlossenen Räumen (Gewächshäuser, Vorratsschutzlager) und in Raumkulturen sowie spezielle Pflanzenschutzmittel, die einen Atemschutz notwendig machen. In den Gebrauchsanleitungen der PSM sind die Bezeichnungen der erforderlichen Atemschutzgeräte genau angegeben, sodass der Anwender sie beim Kauf leicht erkennen kann. Die Anwendungsvorschriften der Atemschutzgeräte sind vor dem Einsatz aufmerksam zu lesen und zu befolgen. Je nach Ausbringungsart und Eigenschaften des Mittels sind verschiedene Atemschutzgeräte vorgeschrieben.
Schutzkleidung kann auch in der Kabine notwendig sein
Eine Standardkabine des Schleppers trägt erfahrungsgemäß, neben zahlreichen weiteren Vorteilen, zur Reduktion der Exposition durch Pflanzenschutzmittel bei und wird deshalb von der SVLFG empfohlen. Dennoch können PSM in geringen Konzentrationen in die Kabine gelangen. Das geschieht meist über die Lüftungsanlage, Fenster oder Türen sowie durch den kontaminierten Anwender selbst. Daher muss sich der Fahrer gegebenenfalls beim Ausbringen von PSM mit einer Standardkabine mit zusätzlicher persönlicher Schutzausrüstung (PSA) vor den Gefahrstoffen schützen. Eine geeignete PSA könnten zum Beispiel Schutzhandschuhe, Schutzanzug sowie Atemschutz umfassen. Vor Beginn der Arbeit sollte man die Sicherheitshinweise im Sicherheitsdatenblatt, die zusätzlichen Produktinformationen oder die Hinweise auf dem Etikett sorgfältig durchlesen und diese befolgen. Um das Risiko so gering wie möglich zu halten, sind folgende Punkte zu beachten:
- Vorab beim Hersteller des Fahrzeugs über zusätzliche Schutzmöglichkeiten für die Kabine informieren (zum Beispiel Aktivkohlefilter)
- Türen und Fenster vor Beginn der Arbeiten schließen
- Während des Ausbringens zusätzliche PSA in der Kabine tragen
- Beim Verlassen der Kabine Schutzhandschuhe tragen, um Kontakt mit kontaminierten Oberflächen am Traktor zu vermeiden (Handlauf)
- Keine kontaminierte PSA oder Gegenstände wie Messbecher in der Kabine lagern
- Kabinenfilter regelmäßig, mindestens einmal pro Saison wechseln
- Regelmäßig die Bedienelemente in der Kabine reinigen
- Dichtungen von Türen und Fenstern prüfen. Die Pflege mit einem entsprechenden Gummipflegestift hilft, die Dichtungen zu erhalten.
- Beim Neukauf nach der Eignung der Kabine für den Pflanzenschutz fragen.
- Entwicklung spezieller Pflanzenschutzkabinen
Derzeit werden von Seiten der Landtechnikindustrie besondere Pflanzenschutzkabinen nach EN 15695 entwickelt. In der Norm DIN EN 15695 „Landwirtschaftliche Traktoren und selbstfahrende Pflanzenschutzgeräte – Schutz der Bedienungsperson (Fahrer) vor gefährlichen Substanzen“ werden Kabinen in vier Kategorien eingeteilt:
Kategorie 1: Kabine, die keinen Schutz vor Staub und Pflanzenschutzmitteln(PSM) bietet
Kategorie 2: Kabine, die nur vor Staub schützt
Kategorie 3: Kabine, die vor Staub und flüssigen PSM schützt
Kategorie 4: Kabine, die vor Staub, flüssigen PSM und deren Dämpfen schützt.
Für den Anwender ist die Ausrüstung von Traktoren und Pflanzenschutzgeräten mit entsprechend geschützten Pflanzenschutzkabinen noch immer mit zusätzlichen Anschaffungs- und Servicekosten verbunden. Nach Aussagen der Landtechnikindustrie liegen die zusätzlichen Anschaffungskosten einer Pflanzenschutzkabine bei drei bis fünf Prozent. Der regelmäßig erforderliche Filtertausch ist mit weiteren Kosten verbunden. Der Filter ist neben dem definierten Überdruck das entscheidende Element der Pflanzenschutzkabine. Die Vorteile liegen dennoch auf der Hand. Bei Pflanzenschutzkabinen der Kategorien 3 und 4 erfolgt ein Schutz auch ohne PSA in der Kabine. Erfahrungen zeigen, dass die Akzeptanz, PSA in der Kabine zu tragen, gering ist. Beim Neukauf eines Traktors oder einer Selbstfahrers sollte man seinen Händler nach der Schutzkategorie gemäß EN 15695 fragen. Die Kategorien 3 und 4 können das zusätzliche Tragen von PSA in der Kabine ersetzten. Für das Ansetzen, Einspülen sowie bei Reparatur- und Wartungsarbeiten bleibt der Einsatz von PSA aber weiterhin unerlässlich.
Nicht zu früh ungeschützt auf die Fläche gehen
Eine weitere wichtige Komponente im Anwenderschutz ist das Pflanzenschutzgerät selbst. Eine Sichtprüfung aller Schlauchverbindungen, Filter und Düsen ist ratsam, um mögliche Beschädigungen im Vorfeld zu erkennen und möglicherweise die leere Spritze instand zu setzen, ohne mit der Spritzbrühe in Kontakt zu kommen. Ist der Frischwasserbehälter am Pflanzenschutzgerät gefüllt? Ist ein Seifenspender vorhanden und ist dieser gefüllt? Vor dem Ablegen der Pflanzenschutzhandschuhe sollte man die Handschuhe mit Frischwasser reinigen.
Nach der Pflanzenschutzmittel-Anwendung verbleiben mitunter ge-
sundheitlich bedenkliche Mengen Wirkstoff unterschiedlich lange auf der Oberfläche von Pflanzen, auf dem Boden oder in der Luft. Wer behandelte Bestände dann zu früh und ungeschützt betritt, kann seine Gesundheit gefährden, weil Spritzbeläge abgestreift und belastete Luft eingeatmet werden können. Dies betrifft alle Anwendungsbereiche, insbesondere aber Vorratsräume, Gewächshäuser und Raumkulturen wie Kern- und Steinobst oder die Weinrebe. Es ist daher wichtig, die in der Gebrauchsanleitung genannten Wiederbetretungszeiten und weitere Schutzmaßnahmen zu beachten, beispielsweise Pflanzenschutzhandschuhe oder Pflanzenschutzkleidung zu tragen. Andere notwendige Arbeiten in den Kulturen sollten möglichst erfolgen, bevor Pflanzenschutzmittel angewendet werden.
– LW 21/2016