Die besten Strategien für Milch und Fruchtbarkeit
17. Rindergesundheitstag Gießen mit vielen Tipps für die Praxis
Häufige Ursachen für mangelhafte Fruchtbarkeit waren demnach ein großes Energiedefizit nach der Kalbung, Probleme bei der Brunstbeobachtung und beim Besamungsmanagement, manÂgelhaftes Management bei Färsen und Trockenstehern und Hygieneprobleme rund um die AbÂkalbung. Bemerkenswert sei, dass VerbesserungsempfehlunÂgen in den einzelnen Bereichen sehr unterschiedlich durch die Betriebe angenommen wurden. So setzten etwa 70 Prozent der Landwirte, die Empfehlungen zur Fütterung und EnerÂgieÂverÂsorgung erhalten hatten, diese auch um, während EmpfehlunÂgen bezüglich der BrunstbeobachÂtung und Besamungstechnik wesentlich zögerlicher angenomÂmen worden seien.
Im Anschluss daran stellte Dr. Lübbo Kleen BestandsbetreuÂungsstrategien aus England. In GroßÂbritannien herrschen deutlich andere Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft als bei uns. Der Milchpreis liegt tendenziell niedriger als in Deutschland und die Herden sind deutlich größer. Im Bezug auf die Fruchtbarkeit treÂten aber dieselben Probleme auf wie in anderen Ländern. Von längeren Zwischenkalbezeiten und geringere Besamungserfolgen wird berichtet. Die Bestandsbetreuung wird in GroßbritanniÂen überwiegend von Tierärzten geleistet, „second opinion“ DienstÂleistungen, wie durch den Tiergesundheitsdienst oder die Landwirtschaftskammern gibt es dort nicht. Darüber hinaus ist es seit Ende der 90er Jahre Pflicht, einen Herdengesundheitsplan zu erÂstellen, der vom Tierarzt entÂworÂfen und abgezeichnet werden muss. Funktion der HerdenÂgeÂsundÂheitspläne ist die Definition von betriebsspezifischen Risiken und entsprechenden Handlungsanweisungen. Auch in Deutschland werden auf die Landwirte über kurz oder lang ähnliche Verpflichtungen zukommen. Wichtig ist es, so Dr. Lübbo Kleen, diese Auflagen so zu erfülÂlen, dass neben viel „Papierkram“ auch etwas Nützliches für den Betrieb dabei herauskommt. Neben den verpflichtenden HerdenÂgesundheitsplänen werden häufig computergestützte Verfahren zum Herden-(Gesundheits-)Management eingesetzt. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass es Tierärzten hierzulande oft an Zeit fehlt, um eine so intensive Bestandsbetreuung zu leisten, wie sie in Großbritannien vorkommt.
Prof. Dr. Axel Wehrend aus der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere der JLU Gießen, begann mit interessanÂten Auswertungen des TiergesundÂheitsdienstes, die unter anderem zeigten, dass die Kalbebox eine der Hauptinfektionsquellen rund um die Geburt sei. Die bloße Anwesenheit einer Abkalbebox alleine reiche also nicht aus, das Hygienemanagement müsse entsprechend gut sein. Weiterhin beÂrichtete er über neue ForÂschungsÂÂergebnisse. Mangelnde Fruchtbarkeit ist in den allerwenigsten Fällen auf schlechte SperÂmaqualität zurückzuführen. Deutlich geht die Trächtigkeitsrate hingegen bei einem verzögerÂten Eisprung zurück. Ursachen für einen verzögerten Eisprung liegen möglicherweise in der Energieversorgung der Kuh zum Zeitpunkt der Abkalbung. Durch die Follikelflüssigkeit kann die Eizelle in Kontakt mit schädliÂchen Stoffwechselprodukten wie Harnstoff und Ketonkörpern komÂmen, die bei einem EnerÂgiedeÂfizit vermehrt gebildet werden. Glukoseinfusionen um den Besamungszeitraum können hier die energetische Situation der Kuh verbessern und die Trächtigkeitsraten erhöhen!
Norwegen versetzte in der vergangenen Woche nicht nur durch seine fußballerischen TaÂlenÂte in Erstaunen, auch die Daten, die Tor Arne Sletmoen, Zuchtexportmanager von Geno, dem norwegischen Zuchtverband, zur Fruchtbarkeit des Norwegischen Rotviehs vortrug, riefen Bewunderung beim Publikum hervor. So liegen die Non-Return-Raten bei Kühen in Norwegen bei 68 Prozent und bei Färsen bei 77 Prozent. Erarbeitet wurden diese guten Ergebnisse durch ein konsequentes Zuchtprogramm, das schon sehr früh der Gesundheit und der Fruchtbarkeit eine große Bedeutung einÂräumte. Eine Besonderheit im norwegischen Zuchtwertsystemes ist es, das alle Diagnosen durch Tierärzte elektronisch mitÂgeteilt werden müssen und im System berücksichtigt werden. So konnte erreicht werden, dass sich beim Norwegischen Rotvieh mit steigender Milchleistung auch Gesundheit und Fruchtbarkeit positiv entwickelten. Eine „kleine Revolution“ in der Melk- und Herdenüberwachungstechnik stellte Dr. Susanne Granz mit dem HerdenmanaÂgementsystem „Herd Navigator“ von DeLaval vor.
Dieser Herd Navigator ist ein automatisches Diagnostiksystem, das während beziehungsweise nach dem Melken bestimmte MilchÂinhaltsstoffe misst, die IndiÂzien für die drei wichtigen HerÂdenÂmanagementbereiche FruchtÂbarkeit, Tiergesundheit und Fütterung sind. Die Messung von Progesteron (Fruchtbarkeit), Laktatdehydrogenase (LDH, Eutergesundheit) sowie Harnstoff und Betahydroxybutyrat (BHB, beides Indikatoren für Fütterung und Stoffwechsel) ermöglichen dem Landwirt eine sehr frühe Erkennung von RisiÂken. Durch eine schnelle BehandÂlung ist der Krankheitsverlauf in der Regel milder, oder KrankheitsÂsymptome treten gar nicht erst auf. Dementsprechend sinken die Behandlungskosten und die Produktionsausfälle. Der Herd Navigator wird vermutlich Anfang 2010 auch auf dem deutschen Markt erhältlich sein.
Fütterung in der „Transitphase“
an-Hendrik Puckhaber, von der Firma Schaumann wies darauf hin, dass 80 Prozent aller Erkrankungen der Milchkuh im Zeitraum rund um die Kalbung auftreten. Es wurde deutlich, dass hier die EnergieverÂsorgung eine Schüsselrolle spielt. Bei Ketose ist dieser Zusammenhang bekannt, aber auch Metritis und Labmagenverlagerung stehen in engem Verhältnis mit der Futteraufnahme vor und nach der Geburt. Dies konnte er anhand von mehreren Forschungsergebnissen nachweisen. Deshalb, so Puckhaber, sollte es oberstes Ziel in der Transitphase sein, die Futteraufnahme zu maximieren.
Ein Bericht aus der Praxis rundete den Tag ab. Wolfram Haselhoff Geschäftsführer der Milchviehanlage Doberschütz stellte Aspekte zur Fruchtbarkeit, betrachtet aus der Managerperspektive, vor. Zur Agrargenossenschaft gehören nicht nur 330 Kühe sondern auch noch 3 500 Mastplätze für Schweine, 1 250 Sauen und weiteres. Haselhoff, der schon seit 30 Jahren für die AG Doberschütz im Dienst ist, davon 20 Jahre als Geschäftsführer, hat mit den alltäglichen Managementarbeiten nicht mehr viel zu tun, diese werden durch die Herdenmanagerin erledigt. Dennoch ist er voll informiert.
Steigende Leistung, FruchtbarÂkeit und Ökonomie stehen für ihn keineswegs im Widerspruch zueinander. Und er muss es wissen: die AG Doberschütz hatte im vergangenen Jahr eine MilchÂleistung von 12 190 kg bei einer Zwischenkalbezeit von 393 Tagen. Seine Philosophie ist es, die Fruchtbarkeit als ein kompleÂxes System zu betrachten. Haltung, Fütterung und Gesundheitsmanagement sind hier die wesentliÂchen Elemente. Beim Management legt Haselhoff einen groÂßen Wert auf solide Grundlagen. „Man muss nicht jedem technoloÂgischen Trend hinterherlaufen. Zum Beispiel sei ein Stall immer solange noch gut, wenn er trocken und sauber sei. „Aber dieser muss jeden Tag trocken und sauber sein“, so der Betriebsleiter. Die Fütterung ist ebenfalls eher einfach gestaltet, aber die Ration wird konsequent angepasst. So wird die Trockenmasse regelmäßig mittels einer Mikrowelle überÂprüft, insbesondere bei feuchÂter Witterung und die Ration dementsprechend neu zusammengestellt. Elementar ist für den Geschäftsführer auch die Grundfutterqualität.
Dieses konsequente Management ist auch in der GesundheitsÂplanung zu finden. Chronisch euterkranke Tiere werden konseÂquent gemerzt, und die Zellzahl gibt ihm recht: in der VergangenÂheit lag sie für die AG Doberschütz trotz einer Betriebsgröße von 330 Tieren bei 112 000. Auch regelmäßige Tierkontrollen sind wichtig. So werden die frisch abgekalbten Kühe in den ersten sechs Tagen nach der Kalbung drei mal täglich einer umfassenden Gesundheitskontrolle unterzogen und Brunstkontrollen finden zweimal täglich statt.
Bei dieser InformationsverÂanÂstaltung in der Tiermedizin der Universität Gießen wurde deutlich, dass die Erhaltung der Fruchtbarkeit in der MilchviehherÂde ein komplexes Geschehen ist. Nur selten wird man einen einziÂgen Grund für mangelnde FruchtÂbarkeit finden. Viel mehr ist es ein Gerüst, bestestehend aus vielen EinzelfakÂtoren, wie Management, Fütterung, Haltung und Zucht, die der Landwirt im Griff haben muss. Maßnahmen zur Verbesserung der Fruchtbarkeit im Stall sollte daher eine gründliche Betriebsanalyse voraus gehen. Felicitas Siebert, Innovationsteam Milch