Hat Biogasmais-Anbau Einfluss auf Schwarzwild?

Modellvorhaben von Naturlandstiftung Hessen vorgestellt

In Neu-Anspach im Taunus fand kürzlich eine Tagung der Naturlandstiftung Hessen „Auswirkungen des Gärsubstrat-Anbaus in Feldrevieren“ statt. Dr. Nikolaus Bretschneider-Herrmann vom NLS-Kreisverband Hochtaunus sprach über die Umsetzung des bun­des­­­wei­­­ten Modell­vorhabens „Schwarz­­­wild in der Agrarlandschaft.“ Außerdem konnte die Biogasanlage „Deponie Brand­holz“ besichtigt werden.

Das Foto zeigt eine Wildschwein-Schneise im Mais. Am Modellvorhaben gemeinsam mit dem DJV und DBV beteiligen sich sechs landwirtschaftliche Betriebe mit unterschiedlichen Schlaggrößen in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Bayern.

Foto: Michael Schlag

Die Maisanbaufläche ist in den vergangenen sechs Jahren sprunghaft angestiegen, von 1,5 Mio. Hektar auf 2,1 Mio. Hektar (2008), im Wesentlichen durch den zusätzlichen Anbau von Silomais als Gärsubstrat für Biogasanlagen. In Hessen aber finde bis heute „ein vergleichsweise geringer Anbau von Silomais statt,“ sagte Dr. Nikolaus Bretschneider-Herrmann, Kreis­vorsitzender der Naturlandstiftung im Hochtaunuskreis, er liegt um 30 500 Hektar Silomais. Zum Vergleich: In Bayern und in Niedersachsen ist es jeweils mehr als das Zehnfache (in Rheinland-Pfalz sind es 23.500 Hektar). Das heißt: „Wir bewegen uns in Hessen bei ein bis zwei Prozent Anteil an der Fruchtfolge“, so Bretschneider. Den­noch: „Die ganze Entwicklung wird in der Wissenschaft höchst kritisch verfolgt“, denn der Anbau von Mais als Gärsubs­trat findet konzentriert rund um die Biogasanlagen statt, und so könne regional auch in Hessen ein Mais-Anteil von 10 bis 20 Prozent an der Fruchtfolge entstehen. Hat dieser Anbau von Gärsubstrat Einfluss auf das Schwarzwild?, dieser Frage ging Bretschneider-Herrmann auf der Tagung der Naturlandstiftung in Neu-Anspach zunächst mit langfristigen Statistiken nach. Um 1900 lagen die Abschüs­se von Schwarzwild in Europa – sofern Daten vorlie­gen – um 0,1 Wildschweine pro Quadratkilometer im Jahr. In den 70er Jahren war die Strecke regional auf bis zu 1 Stück Schwarz­­wild pro Quadratkilome­ter angestiegen, bis heute haben sich die Abschusszahlen in Hessen und Rheinland-Pfalz, noch einmal deutlich erhöht, im Rekordjahr 2008 waren es in Hessen sogar 4,3 Abschüsse pro km2. „Wir sehen deutlich: Das Schwarzwild hat insgesamt zugenommen in Europa“, so Bret­schneider, doch vor allem, weil es nicht nur im Mais, sondern das ganze Jahr über beste Lebensbedingungen in der Kulturlandschaft vorfindet: Im Frühjahr im Raps, im Frühsommer im Weizen, im Spätsommer im Mais, ab Herbst bietet der Wald mit häufiger Eichel- und Buchenmast reichlich Nahrung. Das ganze Revier sozusagen ein einziges Kraftfutterlager. Es folgen zunehmend milde Winter, selbst dann bekomme die Reproduktionsrate keinen Knick. Es sei eben nicht der Mais alleine, sagt Bretschneider-Herrmann, auch in der DDR habe sich das Schwarzwild schließlich genau so vermehrt, obwohl es dort nur verschwindend geringe Mais­bestände gab. Bretschneider ist sich beim Verhältnis Mais und Schwarzwild sicher: „Es gibt keine Korrelation“.

Für ein Stück Schwarzwild rund 30 bis 60 Stunden ansitzen

Auch im Hochtaunus habe die Schwarzwildstrecke in den vergangenen zehn Jahren „enorm zugelegt“, sagte Bretschneider, von 400 (1998) auf 3 000 Stück im Jahr 2008. In der Öf­fent­­lichkeit vermutlich wenig beachtet wird aber die Frage: „Wie hoch ist der Zeitaufwand, um diese Strecke zu erzielen?“ Bretschneider präsentierte dazu eine Untersuchung des Deutschen Jagdschutzverbandes und der Naturlandstiftung: Bei Wald­jagd und Ansitz an der Kirrung waren 30 Stunden und neun Aktionen nötig, um ein Stück Schwarzwild zu erlegen. Bei Feld­jagd und Ansitz an der Schadfläche waren es sogar über 60 Stunden, erst bei der Drückjagd sank der Zeitaufwand auf 20 „Mannstunden“ je erlegtem Tier. Gerade beim Maisanbau entstünden zum Teil große An­bau­einheiten, und „die Sauen sind innerhalb dieser Flächen nicht zu bejagen“. Heute herrsche eine Stimmung vor in der Art: „Die Jäger kriegen das nicht in den Griff“. Das aber wäre eine Bankrotterklärung der Jagd und „das kann man so nicht stehen lassen“, sagt Bret­schneider. So begann 2008 ein gemeinsames Projekt von Jägern und Landwirtschaft mit dem Titel „Schwarzwildbewirtschaftung in der Agrarlandschaft – Probleme und Maßnahmen“. Anlass des Vorhabens sind die vielerorts zu hohen Wildschwein­bestände und die damit einhergehenden hohen Schäden vor allem im Silomais.

Landwirt und Jäger wollen gemeinsam passable Bestände

Armin Müller, Vorstandsvorsitzender der Naturlandstiftung Hessen und Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes meinte „alle sind daran interessiert, dass das nicht weiter fortschreitet“, denn schon seien erste Feldreviere wegen der zu erwartenden hohen Wildschäden gar nicht mehr zu verpachten. Initiator des Modellvorhabens war das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, das die Untersuchung in den drei Jahren 2008 bis 2010 mit 300 000 Euro finanziert. Die Projektleitung liegt beim Deutschen-Jagdschutzverband (DJV), Kooperationspartner ist auch der Deutsche Bauernverband. Betriebs­wirtschaftlich beraten wird das Projekt von der Fachhochschule Südwestfalen in Soest, jagdwissenschaftlich wird es begleitet durch das Institut für Waldökologie und Waldinventuren der Bundesforschungsanstalt in Eberswalde. Es sollen ackerbauliche und jagdliche Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden, um Methoden zu entwickeln, die innerhalb der Vegetationszeit von Energiepflanzen einen wirksamen Einfluss auf die Schwarzwildpopulation ermöglichen.

Bejagungsschneisen im Mais: Strecke rauf – Schaden runter

An dem Modellvorhaben beteiligen sich sechs landwirtschaftliche Betriebe mit unterschiedlichen Schlaggrößen in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Bayern. Neben der Erprobung von Beizmitteln, neuen Vergrämungsmaßnahmen mit Licht und Schall und verbesserten Jagdstrategien übers ganze Jahr, geht es vor allem um die Methode, Bejagungsschneisen im Mais anzulegen, mit unterschiedlichen Einsaaten wie Sommer- oder Wintergetreide, Luzerne oder Gras. „Strecke rauf – Schaden runter“, fasste Bretschneider das Ziel des Modellvorhabens zusammen, indes sei die Anlage von wirksamen Bejagungsschneisen „schwieriger, als nur mal die Drillmaschine auszustellen.“

Getreidestreifen im rechten Winkel zum Mais angelegt

Das Foto zeigt die Teilnehmer der Tagung der Naturlandstiftung Hessen, bei der das vierjährige Modellvorhaben vorgestellt wurde. Ackerbauliche und jagdliche Maßnahmen sollen aufeinander abgestimmt werden, um Methoden zu entwickeln, die innerhalb der Vegetationszeit von Energiepflanzen einen wirksamen Einfluss auf die Schwarzwildpopulation ermöglichen.

Foto: Michael Schlag

Stefan Weber vom Hofgut Kloster Thron südlich von Wehr­heim, der für Hessen teilnehmende Betrieb, hatte dazu bereits im vergangenen Jahr die Schneisen in dem späteren Mais­feld ausgemessen, und zwar immer genau in Verlängerung eines Ansitzes. Er entschied sich für Wintergerste als „Schneisen­frucht“, denn nach seiner Erfahrung „räumt die Sommergerste unter Umständen zu spät“, und außerdem lasse sich in dieser Region ohnehin keine Braugers­te im Mais gewinnen. Der Acker wurde geteilt auf die Arbeitsbreite der Pflanzenschutzspritze von 15 Metern, so breit wurden auch die Schneisen. Insgesamt umfasst die Fläche 10 Hektar, davon summieren sich die 250 Meter langen Schneisen auf einen Anteil von 1,2 Hektar. Angelegt wurden die Getreidestreifen im rechten Winkel quer zur späteren Drillrichtung des Maises. Denn die Sauen bewegen sich im Mais bevorzugt in den Gängen entlang der Drillspuren und sollen auf die Art zwangsläufig in die Schneisen geführt werden. Der ackerbauliche Nachteil des Verfahrens, gegenüber der Verwendung einer parallel zum Mais angeleg­ten Sommerfrucht: Beim Mais legen muss man im Frühjahr die Wintergerste noch einmal quer überfahren und die Drillmaschi­ne über der Schneise jedes Mal ausheben. Stefan Weber hat in seinem Revier festgestellt: „Man sieht deutlich mehr Schwarzwild in der Schneise“, ob man es dann auch trifft, sei natürlich noch eine ganz andere Frage.

Sauen in der Gerste wie auf dem „Präsentierteller“

Ãœberzeugt von der Methode ist auch Armin Müller. Er hatte auf seinem Betrieb eine Schneise von Sommergerste in fünf Hektar Silomais angelegt, hier in der Spritzenbreite von 12 Metern. Er findet, die dunklen Schweine stünden in der hellen Gerste „wie auf dem Präsentierteller“. Im Jahr 2008 wurden in den Schneisen „drei oder vier erlegt, die hätten wir sonst nicht erwischt“, sagt Müller. Allerdings, ob das Schwarzwild überhaupt ins Maisfeld geht, hängt immer vom Futterangebot im Wald ab. So waren die Schwarzwildschäden im Mais 2009 überhaupt ein viel geringeres Problem als im Jahr zuvor, auch im Bejagungsstreifen im Hochtaunuskreis blieb es 2009 „total ruhig“. Die Größe der Bejagungsstreifen ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich, am größten sind sie in Mecklenburg-Vorpommern mit 13 und in Brandenburg mit 15 Hektar, der Anteil an der Ackerfläche schwankt zwischen drei und 22 Prozent.

Kosten für das Anlegen von Bejagungsschneisen

Welche Kosten verlangt das Anlegen von Bejagungsschneisen im Mais? Zunächst schlägt die Differenz der Deckungsbeiträge zwischen Hauptfläche und Bejagungsstreifen zu Buche, hin­zu kommt der zusätzliche Arbeitsaufwand für die Anlage der Streifen. Positiv verbucht wird der wirtschaftliche Vorteil durch den erhofften geringeren Wildschaden infolge des größeren Jagd­erfolgs. Kostendeckend wer­de es aber in den meisten Fällen nicht sein, so Bretschneider. Ohne Feldfrucht im Bejagungsstreifen entsteht ein Verlust an Deckungsbeitrag von 600 bis 1 000 Euro pro Hek­tar, so die Berechnung des DJV und der Naturlandstiftung. Mit Sommergerste oder Roggen als Ganzpflanzensilage ist es immer noch ein Minus von 200 bis 300 Euro/ha. Allerdings: Zu kalkulieren ist auch ein zusätzlicher Arbeitsaufwand von 50 bis 100 Euro pro Hektar Bejagungsstrei­fen durch die engen und schwierigeren Ernteverhältnisse und die insgesamt sehr geringe Erntemenge, für die möglicherweise ein Lohnunternehmer anfahren muss. Bretschnei­der-Herrmann rechnet letztlich mit 300 bis 500 Euro Mehrkosten pro Hektar Bejagungsstreifen. Ein abschließender Projektbericht dieses Modellvorhabens soll im Jahr 2011 vorliegen. Schlag