Kontokorrentkredit, aber bitte preiswerter

Im Bankgeschäft die Zweier-Regel beachten

Viele Landwirtschaftsbetriebe sind in einer wirtschaftlich sehr angespann­ten Lage geraten. In den meisten Betriebszweigen ist das Erzeugerpreisni­veau innerhalb eines Jahres um ein Drittel gefallen. Verschärft wird die Situation durch vergleichsweise hohe Betriebsmittelpreise. Über praktische Beratungserfahrung, was bei der Gefahr einer Kontenüberziehung zu tun ist, berichtet Joachim Ruhmann vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Bad Kreuznach.

Der Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers hat zu einem bisher nicht da gewe­se­nen Vertrauensverlust im Kreditgeschäft geführt. Neben den Banken erfasste die Krise weitere Wirtschaftszweige. So hat das vergangene Jahr einen Zusammenhang zwischen Bankenpleiten und Preisen für Agrargüter offenbart.

Foto: Moe

Die Entwicklung auf den Agrar­märkten bleibt den Geldinstituten nicht verborgen und führt dort zur erhöhten Aufmerksamkeit bei der Kreditvergabe an Land­wirte. Trotz Rückgang des Refinanzierungszinssatzes der europäischen Zentralbank um 2 Prozent, bleibt der Zinssatz für kurzfristige Kontokorrentkredite unverändert. Auf Nachfrage für dieses Verhalten wird ein erhöh­tes Ausfallrisiko als Grund angeführt: Das muss der Landwirt nicht hinnehmen. Vielmehr ist er gehalten, dies zu hinterfragen. Die Höhe des Kreditzinses richtet sich nach der Wahrscheinlich­keit des Kreditausfalls. Abhängig ist der von der Person des Kreditnehmers sowie dem Verwendungszweck des Darlehens.

Erläuterung am Beispiel

Ein Beispiel aus der landwirtschaftlichen Buchhaltung verdeutlicht den Zusammenhang. Dort sind auf der linken Seite (Aktiva) die Anlagen, wie Boden, Gebäude und Maschinen benannt und bewertet. Auf der rechten Seite, der Passiva, geben die Konten Auskunft, darüber wo das Geld für dessen Finanzierung herstammt. Werden alle Anlagen mit 1 Mio. bewertet: 700 000 Euro finanziert der Ei­gen­­tümer und 300 000 Euro das Geldinstitut. Folglich beträgt der Eigenkapitalanteil 70 Prozent sowie 30 Prozent das Fremd­kapi­tal. Sollte nun die Insolvenz eintreten, käme der Kreditgeber nach der Betriebszerschlagung an sein ausgeliehenes Geld und dem Landwirt blieben noch 400 000 Euro. Bei der hohen Ei­gen­kapitalrate erscheint eine Finanzierung durch Kredite wenig problematisch. All dies beschreibt aber die Vergangenheit. Maßgeblich für die Be­triebs­ent­wicklung ist die Ge­winn­höhe. Diese beträgt im Betrachtungszeitraum 55 000 Euro. Hinzu kommen rund 4 000 Euro Kindergeld. Davon ist der Lebensunterhalt wie Versicherungen so für Krankheit, Unfall- , Lebens- und Rentenversicherungen zu bestreiten. Auf 40 000 Euro sum­miert sich das im Jahr bei dieser vierköpfigen Familie. Hinzu kommen 4 000 Euro Tilgungen (5 Prozent Zinsen, 2 Pro­zent Ab­trag) aus einem Darlehen für den Stallbau von 200 000 Euro, sowie 5 000 Euro Rückzahlung 10 Prozent von 50 000 Euro). 49 000 Euro (40 000 plus 4 000 plus 5 000 Tilgungen) von 59 000 Eu­ro sind damit bereits verplant. Es verbleiben 10 000 Euro zur Eigenkapitalbildung, das 2 Prozent des abzuschreibenden Betriebsvermögens (Aktiva ohne Boden) entspricht. Bleibt anzumerken, dass 500 000 Euro oder die Hälfte der Aktiva Gebäude, Maschinen oder Tier- beziehungs­weise Pflanzen­bestände aus­ma­chen. Die andere Hälfte stellt den Wert des Bodens dar, der nicht abgeschrieben wird. Die Vorgaben einer ausreichenden Eigenkapitalbildung sind damit erfüllt.

Wie hoch ist die Kredit­li­nie?

Weiterer Prüfgegenstand stellt die Betriebsliquidität dar. 100 000 Euro beträgt die Kredit­li­nie für den Kontokorrentkredit des Beispielsbetriebs. Bisher erreichte die Ãœberziehung in der Spitze 80 000 Euro. Die verbleibenden 20 000 Euro stellen damit eine Liquiditätsreserve dar, die zum preiswerten Bezug von Betriebsmitteln, so Dünger und Spritzmittel, nutzbar ist. Das lässt die Flexibilität des Ãœberziehungskredites zu. Zudem ist deren Verfügbarkeit nicht zweckgebunden. Bedingt durch die gegenwärtig geringen Preise für die Druschfrüchte ist dieser Landwirt nicht gewillt, seine Erzeugnisse schon zu vermarkten. Damit reicht der Kreditrahmen des laufenden Kontos nicht mehr aus. Auf 120 000 Euro wird wohl die Belastung des Girokontos ansteigen. Nach einem Anruf bei dem Geldinstitut erklärt der Bank­berater sein Einverständnis für das Ãœberschreiten des Kredit­rah­mens. 5 Prozent zusätzliche Kreditprovision ist aber der Preis dafür. Auf 17 Prozent (12 Prozent plus 5 Prozent) steigt somit der Zinssatz für den kurzfristigen Kredit außerhalb des Kre­dit­rah­mens an. Das ist stattlich. Besonderer Ãœberwachungsaufwand wie auch erhöh­tes Aus­fall­risiko durch fehlende Si­­cher­heiten, wer­den dafür angeführt. All das ist aber nicht in Stein gemeißelt und damit auch künftig fest­geschrie­ben. Eine Änderung dieser Situa­tion gelingt dauerhaft durch Ini­tiative des Kreditnehmers. Wie gesehen gibt die gegenwärtige finanzielle Lage des Beispielbetriebes kein Grund zur Sorge. Damit befindet sich dieser bei den Vertragsverhandlungen in einer komfortablen Lage. Das gilt es zu nutzen Dabei hilft die Zweier-Regel.

Zwei Bankgespräche im Jahr

Zeiten geringerer arbeitsmäßiger Belastung nutzt der Landwirt zur Zusammenstellung von Investitionsmaßnahmen für das kommende Jahr. Ziel ist es dabei, die mögliche Höhe der Ausgaben für die Erhaltung oder Betriebs­er­weiterung zu ermitteln. Mit diesen Aufzeichnungen kann ein Bankgespräch vereinbart werden, um dem betreffenden Geldinstitut schon zum Jahresbeginn den möglichen künftigen Kreditbedarf mitzuteilen. Bestehen seitens der Bonität keine Pro­bleme, kann der Kreditvertrag durch Mitarbeiter des Geldhau­ses soweit vorbe­reitet werden, dass dieser ihn im Bedarfsfall nur noch zur Unterschrift und Eintragung der endgültigen Kredithöhe aus der Schublade herausnimmt. Damit gelingt es, güns­tige Investitions­angebote, über das laufende Kon­to bis zum Abschluss eines neuen Kreditvertrages in Anspruch zu nehmen. Wohl kann im anderen Fall der Landwirt mit dem Bankberater eine kurzzeitige Ãœber­ziehung des Kredit­rahmens vereinbaren. Das führt zur er­heb­lichen zusätzlichen Zins­belastung, die das ehemals günstige Angebot zunehmend unvorteilhafter erscheinen lässt. Gerne wirbt die Landmaschinenindustrie mit einer auf den ersten Blick im Vergleich zu den Geldinstituten unschlagbar güns­tigen Finanzierung von Neumaschinen. Problem ist allerdings die kurze Laufzeit. Kostet dieses Gerät 100 000 Euro und verlangt der Händler 1 Prozent Zinsen und hat der Kredit vier Jahre Laufzeit sind monatlich gerundet 2 000 Euro Kapitaldienst fällig. Kann der Käufer diesen nur zur Hälfte aus den eigenen Mittel finanzieren, belasten die verbleibenden 1 000 Euro das laufende Konto mit 12 Prozent Zinsen pro Jahr. Mit rund 6 000 Euro im Jahresmittel ist dadurch das Girokonto zusätz­lich belastet, das macht bei 12 Prozent 720 Euro nach dem ersten Jahr. Geht das auch im zwei­ten Jahr so weiter, steigt die Zinsbelastung schon mit 1 440 Euro auf das Doppelte. Wird das durch einen „Stützungskredit“ mit 6 Prozent abgefangen, halbiert sich die Zinslast auf 360 Euro.

Mit zwei Personen zum Termin

Damit die Ergebnisse des Bank­gespräches bei beiden Seiten (Kre­ditnehmer und Kreditgeber) gleich verstanden werden, ist es notwendig, zu solchen Terminen eine Person des eigenen Vertrauens mitzubringen. Denn einmal stehen dem Kreditnehmer auf der Geberseite durchweg auch zwei Herrschaften gegenüber, die solche Gespräche professionell führen. Und außerdem: Vier Ohren hören zudem mehr und der Stress bei solchen Gesprä­chen wird dadurch erheblich gemindert.

Zwei Konten führen

Foto: Konjunktur- und Investitionsbarometer Agrar
Durch Aufteilung der laufen­den Konten in ein Betriebsmittel­konto sowie ein Konto für eigene Haushaltsführung mit jeweils 50 000 Euro Kreditrahmen, schafft man Verhandlungsspielraum. Dabei werden in einem Fall ausschließlich die Ausgaben für Betriebsmittel durch Einnahmen aus dem Produktverkauf verbucht. Monatlich überweist sich der Betriebsleiter von diesem Konto die Geldmittel für den Lebensunterhalt so 3 000 Eu­­ro. Diese schließen die Ausga­ben ebenso für alle privaten Versi­cherungen mit ein. Für ein Be­triebs­­mittelkonto sind Geld­institute bereit, einen niedrigeren Zinssatz 8 Prozent, wie hier angenommen, zu berechnen. Bei 12 Prozent sowie 50 000 Euro Kreditrahmen stehen beim Haushaltskonto weiterhin höhere Zinsen im Raum.

Mit zwei Banken in Verbindung

Solange es die wirtschaftliche Situation zulässt, soll der potenzielle Kreditnehmer sich um eine zweite Bankverbindung bemühen. Denn dadurch verbessert sich die Verhandlungsposition mit der alten Hausbank deutlich. Ein­mal stärken Vergleichsangebo­te vom Mitbewerber den eigenen Verhand­lungsspielraum. Weiterhin verringert sich damit der Ein­blick des alten Geldinstitutes in die finanziellen Transaktionen des eigenen Unternehmens. Das muss aber langfristig vorbereitet werden. Denn nur wenn das neue Geldinstitut die Fähigkeiten und die Disziplin des Unternehmers besser einschätzen kann, ist diese bereit, die Geschäftsverbindung zu vertiefen und auch dann wirklich mit konkurrenzfähigen Angeboten „herauszurücken.“

Zweimal zum Bankgespräch

Eine Möglichkeit zur Verringe­rung der Kosten bei der Kapital­beschaffung stellt die Wiederauf­be­rei­tung von gebrauchten Grund­­­­­­­­schulden dar. Diese können als ein dingliches Recht an einem Grundstück beschrieben werden. Im Gegensatz zu Hypo­theken ist deren Bestand und Umfang aber nicht direkt an das damit besicherte Darlehen gebunden. Das erlaubt dann deren Übertragung wie Nutzung auch für andere Forderungen. Das gilt es zu nutzen.

Jeder Betriebsleiter benötigt zur Erzeugung seiner Produkte drei Produktionsfaktoren: Arbeit Boden und Kapital. Das geschieht durch die Bereitstellung der eigenen Arbeitskraft beziehungsweise Einstellung von Mitarbeitern. Das notwendige Land wird durch Kauf oder Pacht erworben. Kapital stellt der Eigentümer selbst zur Verfügung oder besorgt es sich von Dritten, im Regelfall in Form eines Kredits von einem Geldinstitut. Alle Produktionsfaktoren müssen entlohnt werden, so durch Gehalt, Pacht und Zins. Deren Höhe kann jeweils aber sehr differieren.

Verhandlungsposition prüfen

Denn nur im Ausnahmefall nehmen Bankmitarbeiter aus eigenem Antrieb eine Zinsverbilligung vor. Der Kreditnehmer ist gefordert, es selbst in die Hand zu nehmen. Dazu ist es vorab notwendig, die Stärke seiner Verhandlungsposition gegenüber dem Geldinstitut einzuschätzen. Ihn kostet ein Kontoüber­­­ziehen auf dem laufenden Konto 12 Pro­zent. Entschließt sich beispielsweise der Landwirt im Herbst zum Frühbezug von Dün­gemit­teln, müsste deren Preis bis zur Aus­bringung im kommen­den Früh­jahr monatlich um mindestens 1 Prozent pro Monat ­steigen, damit das sich für ihn rechnet. 1 500 Euro Zins­er­spar­nis kommen für ein halbes Jahr zusammen, wenn der Zinssatz des Kontokorrentkredites um 4 Prozent sinkt (Das heißt: 100 Tonnen Düngerbedarf bei 25 000 Euro für ein hal­bes Jahr ergeben: 25 000 Euro multipliziert mit 12 Prozent geteilt durch 2).

Betriebliche „Stellschrauben“

Unter den Möglichkeiten soll­ten weitere Stellschrauben zur Ver­besserung der betrieblichen Situation in Betracht gezogen werden. Zwar erweist sich das bei der Gestaltung der Er­zeug­­er­preise als kaum möglich. Einmal sind viele Produkte nur eine gewisse Zeit haltbar. Hinzu kommt, dass etwa 500 000 Land­wirten deutschlandweit lediglich rund zehn große Abnehmer gegenüberstehen. Bleibt als kurzfristig erfolgversprechender Ausweg, auftretende saisonale Preis­schwan­kungen zu nutzen. Das verlangt aber die Erarbeitung eines Konzeptes, welches Zeit bedarf. Fehlt es anschließend an deren disziplinier­ten Umsetzung, war trotzdem alles umsonst. Für eine Kostensenkung bietet sich die Verbilli­gung der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und das Kapital an. Die Arbeitskosten können durch ein aus­geklügeltes Zeitmanagement oder mittels des Austausches der menschlichen Arbeitskraft durch Maschinen ver­­ringert werden.

Hat der Verpächter Verständnis für die wirtschaftlich angespannte Situation, lässt sich möglichweise auch der Pachtzins ver­ringern, zumindest aber die gleiche Höhe für die weitere Zukunft festmachen. Eine Verringerung der Kosten der beiden ersten Betriebsfaktoren gelingt meist nur mittel- oder langfristig. Eine Verringerung der Kapitalkosten hingegen mitunter recht kurzfristig. Dies verlangt die Festlegung einer abgestimmten Vorgehensweise. Ein Blick des Landwirtes in die letzten Bilanzen seines Betriebes ist der erste Schritt dazu.